Menschen-Sinfonie-Orchester„Darauf kann Köln stolz sein“

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Das Menschen-Sinfonie-Orchester begeisterte mit einem musikalischen Mix aus Folklore, Straßenmusik, Rock, Jazz und Pop.

Das Menschen-Sinfonie-Orchester begeisterte mit einem musikalischen Mix aus Folklore, Straßenmusik, Rock, Jazz und Pop.

Köln – Allein der Anblick des Menschen-Sinfonie-Orchesters (MSO) hebt die Stimmung beträchtlich: ob mit Mütze oder Hütchen, in quietschbunten Kleidern oder mit kessem roten Kopftuch – den 16 Musikern auf der Bühne der Comedia sieht man an, dass sie viel Freude daran haben, die diversen Instrumente zum Klingen zu bringen. Oder um es mit Hans Mörtter, dem Moderator des Abends, zu sagen: einfach „geile Mucke“ zu machen. Der Südstadtpfarrer räumt denn auch mit dem Klischee vom „Obdachlosen-Orchester“ auf. Jeder von ihnen habe ein Zuhause, betont er mit Nachdruck. Das war allerdings nicht immer so. Als das MSO im Januar 2001 gegründet wurde, rekrutierte es sich vor allem aus nicht sesshaften Menschen, was der Truppe das Image eines sozial instabilen Haufens eintrug.

Das Besondere am MSO, das der aus Italien kommende Dirigent und Musiker Alessandro Palmitessa seinerzeit mit der Verteilung von handschriftlichen Zetteln ins Leben rief, ist zweifelsohne die kulturelle Vielfalt, die auch den musikalischen Mix aus Folklore, Straßenmusik, Rock, Jazz und Pop prägt. Anders formuliert: Bei den selbst geschriebenen Arrangements handelt es sich um Weltmusik. Da mischen sich spanische und persische Töne mit marokkanischen und fügen sich – angefeuert von dem über die Bühne wirbelnden, immer wieder zu Luftsprüngen ansetzenden Dirigenten – zu orchestralen Klängen, bei denen es einigermaßen schwerfällt, ruhig sitzen zu bleiben.

Veritable Ohrwürmer

Wobei es gerade die erdverbundenen Texte wie die Hommage an ein mit Kugellagerreflektoren ausgestattetes Fahrrad oder der Song vom „Ausmisten – vom Keller bis zum Dach“ sind, mit denen das bunte Völkchen veritable Ohrwürmer erschaffen hat. Dass die Stadt Köln stolz auf die Band sein könne, betonte deren Freund und Förderer Konrad Beikircher. Der in Südtirol geborene Wahl-Rheinländer kennt sich in der Musikgeschichte aus und kann wie kaum ein Zweiter Schoten über die Zivilcourage des 1770 in Bonn geborenen und später in Wien lebenden Komponisten Ludwig van Beethoven erzählen: Zum Beispiel von der Begegnung mit Johann Wolfgang von Goethe, in dessen Verlauf sich der Dichterfürst als devoter Royalist entpuppt. Oder die spirituelle Herkunft des berühmten Anfangsmotivs seiner 5. Sinfonie („Tatatataaa“), das nach unbestätigter Überlieferung entweder bei Beethovens Taufe, bei einem Spaziergang durch den Wald oder auf dem Spielplatz entstanden ist.

Dass so ein Orchester nicht nur finanzielle Unterstützung benötigt, demonstrierte – allerdings eher unfreiwillig – eine sichtlich angetrunkene Sängerin, die einen neuen Song gründlich verpatzte – und damit das von Mörtter unterstellte Schubladendenken von Seiten der Medien geradezu provozierte. Was den Rest der Musiker schließlich zu akustischen Höchstleistungen anspornte – und mit begeistertem Applaus belohnt wurde.

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