Messerstiche in MülheimFreispruch im Totschlag-Prozess – Scharfe Kritik am Urteil

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Symbolbild

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Köln – Mit deutlichen Worten hat Staatsanwältin Julia Quitzau die Entscheidung des Kölner Landgerichts kritisiert, einen der Beschuldigten im Prozess um den tödlich verlaufenden Messerangriff am Wiener Platz in Mülheim auf freien Fuß zu setzen. Die Vorsitzende Richterin Ulrike Grave-Herkenrath sah bei dem 33-jährigen keine Tatbeteiligung, dementsprechend gestaltete sich auch das Urteil: ein Freispruch vom Vorwurf des gemeinschaftlichen Totschlags.

Zuvor hatte die Richterin das Verfahren gegen den Hauptangeklagten abgetrennt. Der Afghane, dessen Alter aufgrund unterschiedlicher Angaben zwischen 17 und 21 Jahren schwankt, hatte eingeräumt, im März dieses Jahres einen 43-jährigen Familienvater attackiert zu haben, der mit Freunden an einer Bushaltestelle auf ein Taxi gewartet hatte. Er habe es als bedrohlich empfunden, dass die Mitglieder der „Gruppe von Afrikanern“ Bierflaschen in der Hand gehalten hätten.

Auf Opfer eingeschlagen und eingetreten

Die Staatsanwältin ging davon aus, dass der ältere Angeklagte auf das spätere Opfer eingeschlagen und eingetreten habe, während der Komplize mit dem Messer auf den Mann eingestochen hatte. Auch Zeugen hatten die Tat so geschildert, allerdings nicht alle. Die Anklägerin kritisierte, die Strafkammer habe eine ansonsten als glaubwürdig angesehene Aussage eines unbeteiligten Zeugen „zerpflückt“ und den Teil ausgeblendet, der den zweiten Angeklagten schwer belastet habe.

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Fünf Jahre und neun Monate Haft hatte Staatsanwältin Quitzau für den Angeklagten, der zum Tatvorwurf geschwiegen hatte, gefordert und von einem „brutalen Tatgeschehen“ gesprochen. Im Ergebnis kam die 4. Große Strafkammer jedoch zu der Ansicht, dass dem 33-Jährigen der Totschlag eben nicht mit zugerechnet werden könne, was sich durch die vorangegangene Aufhebung des Haftbefehls in der Hauptverhandlung schon abgezeichnet hatte.

Richterin sieht kein nachweisbares strafbares Verhalten

Richterin Ulrike Grave-Herkenrath sprach von einem komplexen Tatgeschehen, man könne dem Angeklagten hier aber kein strafbares Verhalten nachweisen. „Das mag für Menschen, die einen Angehörigen verloren haben, unbefriedigend sein“, so die Vorsitzende, zumal Zeugen ausgesagt hätten, dass der 33-Jährige immer nah am Geschehen gewesen sei. Eine wirkliche Mittäterschaft könne die Kammer aber nicht mit einer für eine Verurteilung nötigen Gewissheit feststellen. Die Zeugenaussagen seien zu widersprüchlich gewesen. Für die abgesessene Untersuchungshaft von mehreren Monaten wird der Angeklagte entschädigt.

Anwältin Monika Müller-Laschet, die die Angehörigen des Opfers in der Nebenklage vertritt, hatte sich zuvor der Sichtweise der Staatsanwaltschaft angeschlossen. Sie betonte, dass der Verstorbene, der als freundlich und hilfsbereit beschrieben wurde, bei der Auseinandersetzung in Mülheim nur schlichten wollte und das mit seinem Leben bezahlt habe. Der Prozess gegen den Haupttäter geht indes vor dem Landgericht weiter.

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