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Millionenausgaben aus SondervermögenVatikan spricht Kardinal Woelki frei

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Kardinal Rainer Woelki vor der Fassade des Kölner Doms

Köln – Der Vatikan hat Kardinal Rainer Woelki von Vorwürfen eines unrechtmäßigen Finanzgebarens freigesprochen. In einem Schreiben der römischen Bischofskongregation bescheinigt Kardinalpräfekt Marc Ouellet seinem Kölner Mitbruder, die Finanzierung zweier Missbrauchsgutachten sowie der damit zusammenhängenden Krisen-PR aus dem sogenannten BB-Fonds, einem kirchlichen Sondervermögen „für besondere Bedürfnisse“, sei rechtens gewesen.

Zu diesem Ergebnis sei die in der Sache zuständige Kleruskongregation nach eingehender Prüfung gekommen, heißt es in dem Brief aus Rom vom 29. April, den der „Kölner Stadt-Anzeiger“ einsehen konnte. Woelki sprach in einer ersten Reaktion von einer „guten Nachricht“.

Kardinal Rainer Woelki hat Verfügung über Sondervermögen

Woelki sei befugt, über den von ihm selbst 2019 durch Rechtsakt errichteten Fonds frei zu verfügen. Es liege für das Vermögen, das Ende 2020 nach Bistumsangaben 16,8 Millionen Euro betrug, „keine Bindung an einen Stifterwillen“ vor. Auch habe für Woelki – vertreten durch seinen Generalvikar Markus Hofmann - bei der Vergabe von Aufträgen an Anwaltskanzleien und eine Kommunikationsagentur keine Verpflichtung bestanden, die Zustimmung der Kontroll- und Aufsichtsgremien einzuholen.

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In Rede stehen 2,8 Millionen Euro für die beiden Gutachten samt weiteren rechtlichen Expertisen sowie Ausgaben für Krisen-PR von 820.000 Euro. „Weder Sie, Eminenz, noch Ihr Generalvikar haben in der Angelegenheit der Finanzierung der beiden Gutachten zum Umgang mit Fällen sexuellen Missbrauchs im Erzbistum Köln und bei der Finanzierung der Beratung durch die vom Erzbistum beauftragte Kommunikationsagentur das kirchliche Recht verletzt", schreibt Ouellet. „Da folglich kein Vergehen vorliegt, gibt es auch keinen Anlass für kirchenrechtliche Konsequenzen.“

Ouellets Brief lässt darauf schließen, dass der Vatikan auch keine Bedenken gegen die umstrittene millionenschwere Anschubfinanzierung der Kölner Hochschule für Katholische Theologie (KHKT) sowie die Entnahme von 500.000 Euro zur Tilgung von Schulden haben dürfte, die ein Priester des Bistums in den 2010er Jahren aufgehäuft hatte.

Diözesanvermögen „nie berührt“

Der Brief aus Rom unterscheidet rechtlich zwischen Vermögen des sogenannten Bischöflichen Stuhls und dem Diözesanvermögen, das wesentlich aus der Kirchensteuer gespeist wird. Letzeres sei durch die Transaktionen „nie berührt“ worden.

Der BB-Fonds geht zurück auf Kardinal Josef Frings, der ihn 1952 eingerichtet hatte und ihn aus Pflichtabgaben der Kölner Geistlichkeit speiste. Eine einschlägige Norm im Kirchenrecht sowie zusätzliche Bestimmungen der Deutschen Bischofskonferenz zur Vermögensverwaltung seien in diesem Fall „nicht relevant“, befindet der Vatikan.

Thomas Schüller verurteilt Entscheidung des Vatikans

Der Münsteraner Kirchenrechtsprofessor Thomas Schüller, der Woelkis Umgang mit dem BB-Fonds wiederholt als eindeutig rechtswidrig bezeichnet hatte, nannte den Bescheid aus Rom einen Akt reiner Willkür. Die Kleruskongregation, der Woelki selbst angehört, kenne offenbar das eigene Kirchenrecht nicht oder sie setze sich freihändig darüber hinweg. „Hier geht es einzig und allein um die kirchenpolitische Entscheidung, den Kölner Kardinal zu schützen und ihn im Amt zu halten“, sagte Schüller dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.

Er sprach von einer „abstrusen Rechtsauffassung“ der römischen Behörde, die „vollkommen künstlich“ zwischen bischöflichem Sondervermögen und Diözesanvermögen unterscheide. „Die dafür von Rom angeführten Belegstellen sagen genau das Gegenteil dessen, was die Behörde behauptet.“ Das sei eine Peinlichkeit ersten Ranges. (siehe hier dokumentierten Auszug)

Letztlich, so Schüller, gehe es immer um Vermögen der Kirche, „über das ein Bischof nicht nach eigenem Gutdünken verfügen darf“. Schon Woelkis Statut für den BB-Fonds von 2019 sei rechtswidrig, weil die Zweckbestimmung für das Fondsvermögen vollkommen vage angegeben sei und damit nicht den klaren Vorgaben des Kirchenrechts entspreche. Danach darf kirchliches Vermögen nur für den Unterhalt kirchlicher Bediensteter, die Caritas und „Werke des Apostolats“, also für die Glaubensverkündigung, eingesetzt werden – nicht aber „für teure Krisen-PR-Agenturen, Anwaltskanzleien und Schulden eines Priesters“, fügte Schüller hinzu. Offenkundig sei Brief aus Rom „nichts anderes als ein Persilschein für Woelki“.

Rainer Woelki: Sofort Untersuchung eingeleitet

Wie Woelki in einem Gespräch mit Medienvertretern erläuterte, habe er sofort nach dem Ende seiner Beurlaubung Anfang März eine Untersuchung eingeleitet. Der Vatikan hatte zuvor eine weitere Prüfung der Vorgänge durch Bistumsverwalter Rolf Steinhäuser untersagt und angeordnet, dass damit bis zu Woelkis Rückkehr gewartet werden müsse. 

Woelki sagte, der römische Bescheid trage „vielleicht, so hoffe ich zumindest, auch ein wenig zur Beruhigung in unserem Erzbistum bei“. Der Fall zeige ihm, „dass wir den Weg zu weiterer Transparenz und Compliance fortsetzen müssen". Er werde nun in den nächsten Tagen eine externe Wirtschaftsprüfungsgesellschaft mit der weiteren unabhängigen Untersuchung beauftragen. Die Inhalte zweier noch von Steinhäuser angeforderter Rechtsgutachten könne er „leider nicht benennen“, erklärte Woelki.

Rainer Woelki verteidigt Schuldentilgung für Priester L.

Ausdrücklich verteidigte der Kardinal die Entnahmen aus dem BB-Fonds für die Missbrauchsgutachten und die Krisenkommunikation, aber auch für die Hochschulfinanzierung und die Schuldentilgung für den Priester Siegfried L. (Name geändert).

Seit er um die Existenz des BB-Fonds wisse, so Woelki, sei er immer um ein „transparent gestaltetes“ Vorgehen „auch mit Blick auf die Entnahme“ bemüht gewiesen. Die Gremien seien jeweils informiert gewesen und hätten die Ausgaben – wo erforderlich – auch genehmigt. Über den BB-Fonds sei er irgendwann im Lauf seiner ersten Amtsjahre informiert worden und sich erst im Zuge dessen der Möglichkeiten bewusst geworden, die der Fonds bietet. Er habe dies so verstanden, dass der jeweilige Erzbischof mit diesem Geld Projekte finanzieren könne, „die ihm am Herzen liegen oder die für bedeutsam hält“, für die er aber „keine Kirchensteuermittel einsetzen möchte oder kann“.

Keine Kirchensteuermittel für Kosten des Missbrauchsskandals

Dies sei der Fall bei der Aufarbeitung des Missbrauchsskandals, die das Erzbistum den Betroffenen schuldig sei. Da hierfür keine Kirchensteuermittel verwendet werden sollten, habe es gar keine andere Möglichkeit gegeben, als auf den BB-Fonds zurückzugreifen.

Aus dem gleichen Topf finanziert das Erzbistum auch die Entschädigungen für Missbrauchsopfer. Generell seien dies Kosten, „die ich am liebsten grundsätzlich vermieden hätte“, sagte Woelki – nämlich indem es erst gar nicht zu Missbrauchstaten durch Kleriker gekommen wäre.

„Wie 'überlebt' der Kardinal bis März 2021?“

Zur Begründung der hohen Kosten für Krisen-PR, die – laut einem internen Dokument – unter anderem der Frage diente, „Wie ‚überlebt‘ der Kardinal bis März 2021‘, machte Woelki geltend, es hätten „seit langem Probleme und Schwierigkeiten“ in der Medienabteilung des Erzbistums bestanden. Im Jahr 2020, als das Erzbistum ein erstes Missbrauchsgutachten unter Verschluss nahm und durch ein zweites Gutachten des Kölner Strafrechtlers Björn Gercke ersetzen ließ, sei die Situation „ein Stück weit eskaliert“, woraufhin er auf den Rat von Experten hin eine externe Agentur mit der Beratung beauftragt habe.

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Der „große Fehler“ habe zum anderen in dem Versäumnis bestanden, die Leistungen über einen Pauschalvertrag einzukaufen. Zum anderen sei die Bistumsleitung unter seiner Führung fälschlich der Überzeugung gewesen, dass die Arbeit der Agentur zeitlich begrenzt sein würde. „Wir haben nicht absehen können, in welche schwierige, auch personell schwierige Situation wir innerhalb der Hauptabteilung Medien und Kommunikation gekommen sind“, unterstrich Woelki.

Mehrere Abgänge in der Medienabteilung

Im Jahr 2020 ging nicht nur der langjährige Pressesprecher Christoph Heckeley in den Ruhestand. Vielmehr kam es dem Vernehmen nach auch zu einem Zerwürfnis mit dem damaligen Mediendirektor Markus Günther, den Woelki erst 2018 geholt hatte.

Im Dezember 2020 erfolgte die Trennung von Günther. „Wir waren auf Hilfe von außen angewiesen bis zur Veröffentlichung des Gercke-Gutachtens“ einschließlich Vorbereitung und Durchführung seiner Präsentation im März 2021.

Teure Kölner Hochschule

Zur KHKT sagte Woelki, er habe den Lehrbetrieb der früheren Hochschule der Steyler Missionare auf deren Wunsch und auf die Bitte der Studierenden aufrechterhalten wollen und dafür Geld aus dem BB-Fonds genommen. „Ich habe Sorge getragen, dass das Studium erst einmal weitergehen konnte.“ Für die Ausbildungsstätte, die inzwischen nach Köln transferiert und in einem aufwendig hergerichteten Gebäude des Erzbistums in Köln-Lindenthal untergebracht wurde, bedürfe es nun einer mittelfristigen Finanzplanung, mit der dann „selbstverständlich auch die Gremien befasst würden“. Nach einem ersten Zuschuss von 1,2 Millionen Euro 2019 aus dem BB-Fonds wurden im Jahr darauf bereits mehr als drei Millionen fällig bzw. für das folgende Haushaltsjahr veranschlagt.

Die Entnahme von 500.000 aus dem BB-Fonds zur Schuldentilgung für den Priester Siegfried L. rechtfertigte Woelki erneut mit einer – nach wie vor bestehenden – „menschlich-existenziellen, psychisch-existenziellen Situation“ des Geistlichen. Diese außergewöhnliche Situation habe 2015/2016 dazu geführt, ihm zu helfen. „Ich sage sehr klar und deutlich: So etwas würde sich heute so nicht wiederholen“, betonte der Kardinal.

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