MissbrauchsskandalErzbistum Köln stellt sechs Millionen Euro für Opfer bereit

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Kölner Dom

Köln – Als „Lehrgeld“ hat Kardinal Rainer Woelkis Generalvikar Markus Hofmann die Höhe der Summe gerechtfertigt, die das Erzbistum Köln für die von Woelki betriebene Aufklärung des Missbrauchsskandals im Erzbistum Köln aufwenden musste. Auf fast drei Millionen Euro bezifferte Hofmann, der in der Zeit von Woelkis Beurlaubung als „Delegat“ von Bistumsverwalter Rolf Steinhäuser fungiert, im Kirchensteuer- und Wirtschaftsrat die Kosten.

Wie Sitzungsteilnehmer berichten, sprach Hofmann von einem „schmerzhaften und teuren Prozess“, mit dem das Erzbistum juristisch und publizistisch Neuland betreten habe. Aus „Schwierigkeiten“ auf der Strecke habe sich eine „mediale Ausnahmesituation“ ergeben, die ohne Hilfe von außen nicht mehr handhabbar gewesen sei.

Sondervermögen des Bischofs

Das gesamte Geld sei einem Sondervermögen des Erzbistums entnommen worden. Vor den Finanzkontrolleuren des Erzbistums betonte Hofmann damit zugleich, dass keine Mittel aus der Kirchensteuer verwendet worden seien. Der sogenannte BB-Fonds für „Bedürfnisse des Bistums“ war vom früheren Kardinal Josef Frings aufgelegt und mit Pflichtabgaben des Kölner Klerus gefüllt worden, dem Vernehmen nach bis in die 1970er Jahre.

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Kommentar

Mit der ganz großen Kelle – Die Kosten für kirchliche Krisenkommunikation

Kardinal Rainer Woelki darf sich glücklich schätzen. Um Fehler, Versäumnisse und ein eklatantes Führungsversagen bei der Aufarbeitung des Missbrauchsskandals kaschieren zu können, steht mit dem „BB-Fonds“ für „Bedürfnisse des Bistums“ ein Topf zur Verfügung, aus dem der Erzbischof die Millionen mit der ganz großen Kelle schöpfen kann. Immerhin haben die Aufsichtsgremien des Bistums für die Offenlegung der Zahlen gesorgt. Von Anzeichen eines Bemühens um Transparenz ist die Rede. Versehen ist das – wie derzeit häufig – mit einem Lob für Weihbischof Rolf Steinhäuser, der das Bistum für den beurlaubten Kardinal verwaltet.

Von den fast drei Millionen Euro, die das Erzbistum im Zusammenhang mit den beiden Missbrauchsgutachten aufwenden musste, ging der größte Batzen an externe Krisenkommunikationsberater. Bei deren Stundensätzen vergeht einem leicht Hören und Sehen. Und bei gestanzten PR-Floskeln wie „Kardinal Woelki mag keine PR“ verglimmt dann auch noch das letzte Fünkchen Glaube an so etwas wie Wahrhaftigkeit. Die 820.000 Euro – etwa die Hälfte dessen, was das Erzbistum bisher an Missbrauchsopfer gezahlt hat – kann Woelkis rechte Hand Markus Hofmann nur äußerst mühsam unter „Lehrgeld“ verbuchen. Verräterisch ist Hofmanns Wort von der „medialen Ausnahmesituation“. Der Bistumsleitung war guter Rat so teuer, weil sie partout gut dastehen wollte – auch mit dem, was sie selbst beim besten Willen nicht mehr schönreden konnte.

Nach Informationen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ sollen sich 20 bis 25 Millionen Euro in dem Fonds befunden haben, über den der Erzbischof nach eigenen Vorstellungen verfügen kann.

Aus dem gleichen Topf würden auch die Zahlungen an Missbrauchsopfer „in Anerkennung des Leids bestritten“, erläuterte Hofmann. Seit 2010 hat das Erzbistum dafür knapp 1,5 Millionen Euro aufgewendet. Im vorigen Jahr hatten sich die deutschen Bischöfe auf einen erweiterten Finanzrahmen verständigt. Opfer können auf Antrag jetzt bis zu 50.000 Euro erhalten – in Ausnahmefällen sogar mehr. Das Erzbistum stellt dafür sechs Millionen Euro zurück. Bei voller Auszahlung entspräche das einer durchschnittlichen Entschädigung in der Größenordnung von 20.000 Euro. Das Gercke-Gutachten nennt die Zahl von 314 Opfern.

Als weitere Kosten im Rahmen der Missbrauchsaufarbeitung nannte Hofmann einen Betrag von 43.000 Euro, der für Rechtsberatung „im Kontext eines dienstrechtlichen Verhältnisses“ an drei nicht namentlich genannte Bistumsmitarbeiter gegangen sei. Dabei könnte es sich unter anderem um Weihbischof Dominikus Schwaderlapp (derzeit für ein Seelsorge-Jahr in Kenia) handeln. Von ihm ist bekannt, dass er sich anwaltlichen Beistands versichert hatte.

Berater melden sich zu Wort

Wie aus Bistumskreisen verlautet, geht dort die Sorge um, dass der von Woelki auch für andere, von ihm favorisierte Projekte angezapfte Sonderfonds über kurz oder lang ausgeschöpft sein könnte, da es keine weiteren Finanzzuflüsse gebe.

Kenner der Bistumsverwaltung machten darauf aufmerksam, dass die Trennung Woelkis von seinem Mediendirektor Markus Günther Ende 2020 einen weiteren Kostenfaktor darstelle. Dem Vernehmen nach erhält Günther bis zum Ende der regulären Vertragslaufzeit sein Gehalt zuzüglich weiterer Privilegien.

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Nach der Offenlegung der Zahlen meldeten sich die PR-Berater der Agentur „Ewald und Rössing“ zu Wort. Ihr Auftrag sei es gewesen, „den Aufklärungs- und Aufarbeitungsprozess zu schützen“. Die Reputation von Erzbistum oder Erzbischof „war diesem Ziel untergeordnet“. Auch die von Woelki beauftragte Kölner Anwaltskanzlei Höcker betonte Wert und Erfolg der von ihr geleisteten Arbeit.

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