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MissbrauchsskandalKölner Kardinal Woelki schredderte Täterliste

Lesezeit 3 Minuten
Woelki mit Akten

Kardinal Rainer Woelki im März 2022 auf dem Weg zur Vollversammlung der Bischofskonferenz

Köln – Kardinal Rainer Woelki hat eine 2015 für ihn erstellte Tabelle mit Missbrauchstätern aus dem Erzbistum Köln persönlich vernichtet. Dies teilte das Erzbistum dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ auf Anfrage mit. Es seien dadurch aber keine Daten verloren gegangen.

Wegen der anhaltenden Diskussionen um die Excel-Liste, die aus früheren Berichten des „Kölner Stadt-Anzeiger“ und auch aus Woelkis Stellungnahme für das Missbrauchsgutachten des Kölner Strafrechtlers Björn Gercke bekannt ist, sah das Erzbistum sich am Freitag zu einem Rundschreiben an alle Seelsorgerinnen und Seelsorger veranlasst. Die Liste liege dem Erzbischof nicht mehr vor, heißt es darin. Sie sei nach Durchsicht entsprechend den Datenschutzvorschriften geschreddert worden.

Brisanz gewonnen hat die für Woelki erstellte Excel-Tabelle im Zuge eines Rechtsstreits zwischen dem Kardinal und der „Bild“-Zeitung sowie dem Münsteraner Kirchenrechtler Thomas Schüller über Woelkis Umgang mit dem Missbrauchsfall des bundesweit bekannten früheren „Sternsinger“-Chefs Winfried Pilz.

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Kardinal Meisner verhängte Kontaktbeschränkungen

Kardinal Joachim Meisner hatte Pilz 2014 mit einer Kirchenstrafe und Kontaktbeschränkungen belegt, Pilz‘ damaliges Wohnbistum Dresden-Meißen aber nicht darüber informiert – eine klare Dienstpflichtverletzung. Zu dem Vorwurf, auch Woelki habe in seiner Amtszeit die Meldung des Falls unterlassen, versicherte Woelki, er sei überhaupt erst Ende Juni 2022 damit befasst wurden.

Sollte sich der Name des prominenten Geistlichen Pilz – er ist auch Verfasser des „Kirchen-Hits“ „Laudato si“ – auf der Liste von 2015 befunden haben, hätte Woelki von der Existenz des Falls seitdem wissen können.

Das Bistum führt im Schreiben an das Seelsorge-Personal aus, Woelki habe „keine Erinnerung daran, welche Namen überhaupt auf der vor mehr als sieben Jahren eingesehenen Liste standen. Er weiß auch nicht, ob die Liste hinsichtlich der Priester, denen Missbrauch vorgeworfen wurde, vollständig war.“

Urheber der Excel-Liste ist dem Erzbistum nicht bekannt

Wer 2015 die Excel-Liste für Woelki erstellte, sei heute ebenfalls nicht mehr bekannt, teilte das Erzbistum dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ ergänzend mit. Nach Informationen der Zeitung war der damalige Interventionsbeauftragte Oliver Vogt verantwortlich. Vogt ist für eine Stellungnahme derzeit nicht erreichbar.

Die digitale Datei, auf der Woelkis Liste basierte, sei „mit hoher Wahrscheinlichkeit ebenfalls – vorschriftsmäßig – gelöscht worden, da natürlich alle Original-Akten, aus denen diese Datei herausgefiltert wurde, noch existieren“, erklärte das Erzbistum und legte Wert auf die Feststellung, „dass die körperliche wie auch die digitale Liste nur Daten enthielt, die an anderer Stelle ohnehin und bis heute vorhanden sind“. Durch das Schreddern der ausgedruckten und das Löschen der digitalen Liste seien dem Erzbistum also keine Daten verloren gegangen.

Vorschriften zur Archivierung

Da es sich um „um ein reines Arbeitsdokument“ gehandelt habe, habe das Bistumsarchiv keine Kopie erhalten, so das Erzbistum weiter. Die Frage, wie sich die Vernichtung der Täterliste mit Vorschriften zur Archivierung sensibler Dokumente verträgt, bewertete das Erzbistum als nicht „hinreichend konkret“ und damit als nicht „einlassungsfähig“.

Die Archivordnung für das Erzbistum Köln schreibt vor, dass den kirchlichen Archiven „unaufgefordert alle Unterlagen zur Übernahme anzubieten“ seien, die von den Nutzern zur Erfüllung ihrer Aufgaben nicht mehr benötigt werden. Ausdrücklich werden hier Unterlagen mit personenbezogenen Daten genannt. Über die „Archivwürdigkeit“ entscheidet laut Vorschrift das zuständige Archiv. Das Erzbistum erklärte zunächst, die Original-Akten, aus denen 2015 die Täterliste „herausgefiltert“ wurde, würden „ordnungsgemäß an den dafür vorgeschriebenen Stellen aufgehoben“.

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