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Missbrauchsstudie des Kölner Erzbistums„Sind offenbar systematisch belogen worden“

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Kardinal Woelki

Kardinal Woelki

  • Ein Mitglied des Kölner Betroffenbeirats fühlt sich behandelt wie in der Augsburger Puppenkiste, Woelki sei der „Puppenspieler”.
  • Auch die Anwaltskammer kritisiert das Kölner Erzbistum schwer. Lesen Sie hier die Hintergründe.

Köln – Nach den Auseinandersetzungen um ein vom Kölner Erzbischof, Kardinal Rainer Woelki, kassiertes Missbrauchsgutachten steht der von ihm eingerichtete Betroffenenbeirat vor dem Aus.

Der bisherige Co-Sprecher Patrick Bauer hat seinen Austritt aus dem Gremium erklärt. Mit jetzt nur noch sechs verbliebenen Mitgliedern ist der Beirat nach seinen Statuten nicht mehr beschlussfähig. Aus Protest gegen das Vorgehen des Erzbistums hatten zuvor schon Bauers Pendant Karl Haucke und ein zweites Mitglied ihren Austritt erklärt, Bauer hingegen zunächst nur auf seine Sprecher-Rolle verzichtet.

Deutliche Kritik am Umgang des Erzbistums mit dem Gutachten und der damit beauftragten Münchner Anwaltskanzlei übt derweil auch die Kölner Rechtsanwaltskammer. Aufgrund der anwaltlichen Verschwiegenheitspflicht könnten sich die Münchner Anwälte nicht gegen die massiven Vorwürfe des Bistums wehren, sagte Kammergeschäftsführer Martin W. Huff dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ auf Anfrage. „Eine solche Knebelung ist ethisch für einen Mandanten höchst fragwürdig.“ Er spreche im Sinne der Anwaltschaft insgesamt, betonte Huff. Er sehe die Möglichkeit für die Münchner Kanzlei, ihrerseits rechtliche Schritte gegen rufschädigende und ehrverletzende Behauptungen zu prüfen. Zum Selbstschutz könne hier sogar eine Verletzung der Schweigepflicht gerechtfertigt sein, erklärte Huff.

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Ein Mitglied des Betroffenenbeirats, das zunächst nicht namentlich genannt werden wollte, zeigte sich im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ fassungslos und wütend, „dass wir offenbar systematisch belogen worden sind. Ich fühle mich behandelt wie eine Figur aus der Augsburger Puppenkiste.“ Als „Puppenspieler“ hätten Kardinal Woelki und Generalvikar Markus Hofmann an den Marionettenfäden gezogen. Der Betroffene sagte, er habe dem Aufklärungswillen und den guten Absichten Woelkis anfangs vertraut. „Mein Traum, in dem Beirat etwas für Betroffene tun zu können, ist aber in den letzten Tagen gestorben.“ Im Gespräch zeigte der Betroffene sich - als dann viertes Beiratsmitglied - zum Austritt entschlossen. Den genauen Zeitpunkt behalte er sich vor, sagte der Betroffene, und verwies auf die nächste Sitzung des Beirats Anfang Dezember. 

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Eine Bistumssprecherin teilte auf Anfrage mit, das Erzbistum respektiere die persönliche Entscheidung jedes Mitglieds und kommentiere diese nicht. Zum aktuellen Status des Rumpfgremiums sagte die Sprecherin, Rat und Perspektive der verbleibenden Beiratsmitglieder seien „wichtig und gewünscht“. Allen, die weiterhin im Betroffenenbeirat mitwirkten und jenen, die mitgewirkt hätten, gelte Kardinal Woelkis „aufrichtiger Dank“.

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In einer Krisensitzung des Beirats am 29. Oktober hatten Woelki, Hofmann und zwei von ihnen beauftragte Juraprofessoren den Anwesenden eröffnet, dass ein seit März unter Verschluss gehaltenes Gutachten der Münchner Rechtsanwaltskanzlei Westpfahl Spilker Wastl zum Umgang der Kölner Bistumsleitung mit Fällen sexuellen Missbrauchs nun endgültig in der Schublade bleiben solle. Als Grund wurden angebliche juristische und methodische Mängel angegeben. Der Betroffenenbeirat stimmte unter dem Eindruck dieser Darlegung dem Vorschlag zu, das angeblich untaugliche Gutachten durch ein neues zu ersetzen. Dieses Vorgehen wurde vom Erzbistum nach der Sitzung als ein Wunsch des Beirats verkauft, dem das Erzbistum nun im Sinne der Betroffenen nachkomme. Wie sich später herausstellte, war der Kölner Strafrechtler Björn Gercke zu diesem Zeitpunkt schon seit Wochen mit Vorarbeiten für das neue Gutachten beschäftigt.

Der zurückgetretene Beiratssprecher, Patrick Bauer, der sich in einer ersten Reaktion bitter über das „schlechte Gutachten“ der Münchner Kanzlei beklagt und dem Erzbistum sogar eine Schadenersatzklage empfohlen hatte, hat sich inzwischen bei den Münchner Anwälten entschuldigt. „Man hätte sie dazu holen müssen, um auch ihre Stimme zu hören“, sagte Bauer dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Er erwarte eine öffentliche Entschuldigung des Erzbistums für die Überrumpelung des Beirats. Es sei „unsäglich“, dass das Bistum weiterhin die Lesart verbreite, die Unterdrückung des Gutachtens geschehe auf Wunsch der Betroffenen. Generalvikar Hofmann berief sich nach Informationen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ noch am Montag in einer Informationsrunde für pastorale Mitarbeiter auf die mehrheitliche Unterstützung des Gremiums.

In der Kontroverse um das Münchner Gutachten plädierte Martin W. Huff dafür, das Erzbistum solle es der von ihr mandatierten Kanzlei erlauben, sich zu den Vorwürfen gegen ihre Arbeit zu äußern. „Solange das Erzbistum die Münchner Anwälte nicht von ihrer Verschwiegenheit entbindet, kann und darf sich die Kanzlei nicht gegen die veröffentlichte Kritik an ihrem Gutachten verteidigen“, erläuterte der Geschäftsführer der Kölner Rechtsanwaltskammer. „Damit würde sie sich sowohl aus strafrechtlicher als auch aus berufsrechtlicher Sicht angreifbar machen und hätte mit entsprechenden Sanktionen zu rechnen“, so Huff weiter. „Zu prüfen wäre allerdings, ob die Kanzlei sich nicht darauf berufen könnte, dass die vom Erzbistum veröffentlichten Angriffe der Strafrechtsprofessoren Matthias Jahn und Franz Streng sowie des neuen Gutachters Björn Gercke sie in ihren eigenen Rechten verletzt, wenn etwa falsche Behauptungen aufgestellt werden.“

Dann könnte die Verletzung der Schweigepflicht durchaus gerechtfertigt sein. Sinnvoll wäre es nach Huffs Worten, wenn das Erzbistum der Kanzlei erlauben würde, sich zu den Vorwürfen zu ihrer Arbeit – ohne die Nennung von Namen – zu äußern.

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