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Mitternachtsmission in KölnHunderte feiern Weihnachten im Alten Wartesaal

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Im Alten Wartesaal haben Hunderte Menschen an der Weihnachtsfeier teilgenommen. Johnny Orlando und Dieter Moses haben mittlerweile eine kleine Wohnung.

Kölner Innenstadt – „Jedes Jahr ist das für mich eine Bereicherung“, sagt Johnny Orlando, „die Atmosphäre ist schön, und man trifft Leute, die man lange nicht gesehen hat und die auf der Straße leben.“ Der 65-Jährige gehört zu den Hunderten Gästen, die Heiligabend im Alten Wartesaal am Hauptbahnhof unter goldfarbenen, sternförmigen Ballons an langen Tischen sitzen und mit Kaffee und Kuchen bewirtet werden. Zum 57. Mal richtet die Mitternachtsmission ihre Weihnachtsfeier aus. Johnny Orlando kommt seit Jahrzehnten her. Inzwischen ist er nicht mehr obdachlos, sondern hat eine kleine Wohnung.

So wie auch sein Bekannter Dieter Moses, 68 Jahre alt, der neben ihm sitzt. „Früher haben wir in einem Zelt unter der Brücke gelebt und mit den Ameisen gefrühstückt“, sagt er. Seine Kellerbehausung warm zu halten sei allerdings schwierig: „Ich heize mit Teelichtern.“ Wie Orlando ist er voll des Lobs für das Engagement der ehrenamtlichen Helfer. Rund 80 sind stundenlang im Einsatz.

Erweiterter Kreis im Alten Wartesaal

Früher richtete sich die Feier an Obdachlose, doch der Kreis hat sich längst erweitert. Helmut Brügelmann, Vorsitzender der von Schwester Helene Siebert ins Leben gerufenen Mitternachtsmission, formuliert es so: „Jeder, der nicht weiß wohin, ist herzlich willkommen.“ Er hebt hervor, dass der Betreiber des Wartesaals die Getränke spendiert, und weist auf die Untersützung durch weitere Sponsoren hin, 25 an der Zahl. Beispielsweise hat das Hotel Maritim kostenlos die Erbsensuppe zur Verfügung gestellt. Die Spender sind auch wichtig, um die 400 Geschenktüten zu füllen, die den Gästen mitgegeben werden. Darin finden sich wie immer Lebensmittel und Hygieneartikel, diesmal außerdem ein Erste-Hilfe-Set.

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Das Bühnenprogramm bestreiten Alleinunterhalter Andreas Konrad, das Saxophon-Duo Lukas Rempel und Johannes Fröh, Dudelsackspieler Philipp Rempel, der Chor der Koreanischen Evangelischen Kirchengemeinde „Hanbit“ und Joey Kelly.

Manch einer der Besucher hat vorher an der Heiligabend-Feier für Wohnungslose im Haus der Evangelischen Kirche teilgenommen. Dafür habe das Diakoniehaus Salierring 350 Einladungen an Bedürftige vergeben, sagte Monica Mercedes Wunsch, Leiterin der Einrichtung. Reichlich zu essen und zu trinken gab es auch hier; für die Bedienung an den Tischen und die Organisation im Hintergrund sorgten etwa ein Dutzend Mitarbeiter der Diakonie und 20 rund ehrenamtliche Helfer und Helferinnen. Hunderte mit Lebensmitteln und Hygieneartikeln gefüllte Weihnachtstüten standen bereit. Um sie zu bestücken, hatte der Rotary-Club Köln/Bonn Millennium in einem Verbrauchermarkt gesammelt. Die Big Band „Blos mer jet“ begleitete den Gesang der Gäste, und die Musikerinnen Monika Kampmann und Ingrid Ittel-Fernau traten auf.

Im Alten Wartesaal zu ersten Mal dabei ist Sabine Brochwitz; ihr Freund, der das Angebot der Mitternachtsmission schon kannte, hat sie mitgenommen. Am liebsten würde sie Weihnachten arbeiten und sich um eine alte Rollstuhlfahrerin kümmern, sagt die 53-Jährige, aber das sei nicht möglich. Als Hartz-IV-Empfängerin habe sie einen „1,30-Euro-Job“ in der sozialen Betreuung, und die Agentur für Arbeit erlaube es nicht, ihn am Wochenende und an Feiertagen auszuüben. Also feiert sie hier mit, offensichtlich mit Gefallen an der Atmosphäre. Zu den Stammgästen zählt Jörg aus Deutz; seinen Nachnamen mag der 50-Jährige nicht nennen. Was gefällt ihm an der Feier? „Ich komme jedes Jahr her, weil man hier kostenlos essen und trinken kann.“  

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