Kölner Mordfall Kurt BraunWer wusste alles von Gefährlichkeit des Angreifers?

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Reker Beerdigung Kurt B.

Henriette Reker bei der Beerdigung von Kurt Braun

  • Im Fall des getöteten Kammereimitarbeiters Kurt Braun stellt sich die Frage der Verantwortung. Auch eine unzureichende Zusammenarbeit gleich mehrerer Ämter und Behörden hat zu der Gewalttat beigetragen.
  • Die Staatsanwaltschaft ermittelt bereits im eigenen Haus. Die tödliche Messer-Attacke ist zum Politikum geworden: Die SPD äußert scharfe Kritik am Staat.
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Köln – Mindestens vier unterschiedlichen Ämtern und Behörden  war bekannt,  welche Gefahr von dem  psychisch kranken Mann aus Dünnwald auszugehen drohte  – und dennoch kam es zu der tödlichen Tat.  

Sowohl das  Amtsgericht als auch die Staatsanwaltschaft, das Sozialamt und der Landschaftsverband Rheinland (LVR) hatten sich teils seit Jahren in irgendeiner Weise  mit dem 60-Jährigen befasst, der Mitte Dezember den Kämmereimitarbeiter Kurt Braun erstochen haben soll. Der Fall offenbart, dass die staatlichen Institutionen nur unzureichend zusammengearbeitet  haben.

Getöteter Kurt Braun: Staatsanwaltschaft setzt nicht nach

Am 23. März soll der Mann in einer Kölner LVR-Klinik einen Pfleger geschlagen und mit einem Messer nach dessen Kollegin gestochen haben. Polizisten überwältigten ihn. Der Vorfall war in den Augen der Klinikleitung offenbar so gravierend, dass sie nur zwei Tage später schriftlich bei der Staatsanwaltschaft anregte, den 60-Jährigen begutachten und in einem psychiatrischen Krankenhaus unterbringen zu lassen.

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Doch die Staatsanwaltschaft reagierte zunächst nicht, fragte drei Monate später einen Gutachter an, ob er zur Verfügung stünde, erhielt aber keine Antwort und setzte auch nicht mehr nach.

SPD: Staat ist seiner Schutzfunktion nicht nachgekommen

Die SPD im Landtag behauptet jetzt, die Klinik habe ohne die Zustimmung der Staatsanwaltschaft keine rechtliche Grundlage gehabt, den 60-Jährigen weiter festzuhalten und musste ihn „trotz der massiven Bedenken der Ärzte“ am 18. April entlassen.

Der Staat sei seiner Schutzfunktion nicht nachgekommen, der Stadt-Mitarbeiter hätte nicht sterben müssen, klagt der SPD-Rechtsexperte Sven Wolf. Doch nach allem, was man weiß, ist diese Darstellung falsch. Am 18. April, knapp vier Wochen nach dem Angriff auf das eigene Personal, entließ die Klinik den Patienten  zwar tatsächlich nach Hause –  allerdings, weil ein Arzt  der Klinik ihn untersuchte und nunmehr für nicht mehr gefährlich hielt.

LVR verweist auf Datenschutz und Schweigepflicht

Wie kam der Mediziner zu dieser Einschätzung? Warum hakte die Klinik nicht bei der Staatsanwaltschaft nach, was denn nun mit der ursprünglich angeregten Unterbringung sei? Und wieso kam auch der gesetzliche Betreuer des 60-Jährigen, der den Mann aus der Klinik nach Hause fuhr, zu der  Einschätzung, der Patient habe zwar „inhaltlich wirr“ geredet, dennoch schlüssig argumentiert und habe insgesamt einen „klar orientierten“ Eindruck gemacht?

Der LVR verweist auf den Datenschutz und die ärztliche Schweigepflicht und beantwortet keine Fragen dazu. Auch das Amtsgericht, das den Betreuer bestellt hat, äußert sich nicht zu den offenen Fragen.

Angela Erwin: „Unanständig, wie die SPD versucht, den Tod politisch zu instrumentalisieren“

Die Staatsanwaltschaft prüft, ob ihr  Mitarbeiter dienstrechtliche Fehler gemacht hat. Die CDU-Abgeordnete Angela Erwin sagte dem „Kölner Stadt-Anzeiger“, alles müsse lückenlos aufgeklärt werden, es  sei „unanständig, wie die SPD agiert und versucht, den Tod eines Menschen politisch zu instrumentalisieren.“

Zur Vorgeschichte: Der mutmaßliche Täter steht dem Vernehmen nach bereits seit Jahren unter  Betreuung.  Eine solche vom Amtsgericht angeordnete Betreuung soll  hilfsbedürftigen Menschen Schutz und Fürsorge gewährleisten. Das Gericht soll den 60-Jährigen  dem Vernehmen nach vor mehr als einem Jahr aufgefordert haben,  sich von einem Arzt seiner Wahl untersuchen zu lassen. Dem sei der Mann nicht nachgekommen, hieß es.  

Dünnwalder ließ keinen Kontakt zu

Deshalb habe das Gericht einen eigenen Gutachter  bestellt. Der Dünnwalder habe jedoch keinen Kontakt zugelassen. Deshalb habe das Gericht das  Sozialamt als Betreuungsbehörde angewiesen, dem Sachverständigen  Zutritt zu der Wohnung des Betreuten  zu verschaffen.

Anfang März 2019, so war zu erfahren,  habe  eine  Mitarbeiterin des Sozialamtes gemeinsam mit dem Gerichtsgutachter den Mann aufsuchen wollen. Ein Mitarbeiter eines Schlüsseldienstes sei ebenso dabei gewesen wie zwei Polizisten. Die würden bei solchen Terminen  routinemäßig hinzugezogen. Der 60-Jährige griff die Frau  mit einem Schraubendreher an und  verletzte sie am Mund, bevor er von den Polizeibeamten überwältigt wurde. Nach dem Vorfall wurde er für sechs Wochen in die  LVR-Klinik eingewiesen.

Kurt Braun und eine ihn begleitende  Kollegin wissen von all dem nichts, als sie in Dünnwald am 13. Dezember  eine Geldforderung  vollstrecken  wollen. Es handelt sich um die Rechnung  des  Rettungsdienstes, der die verletzte  Sozialamts-Mitarbeiterin versorgt hatte.

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