Schwertkampf in MülheimDie Wikinger vom Stadtgarten

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Der Rosengarten im Mülheimer Stadtgarten wird zum Schlachtfeld.

Der Rosengarten im Mülheimer Stadtgarten wird zum Schlachtfeld.

Mülheim – Ein lautes Scheppern hallt durch den Mülheimer Stadtgarten. Immer wieder knallt es so, als ob jemand mit dem Hammer auf eine Holzbohle drischt. Ungläubige Spaziergänger entdecken im Rosengarten unmittelbar neben dem Hölderlin-Gymnasium ein Dutzend Leute, die mit Schwertern, Äxten und Stöcken aufeinander einschlagen. Bekleidet sind sie in gepolsterte Wämser, gepanzert mit Leder, Kettenhemd oder Lamellenpanzer. Mit großen Schilden wehren sie die Hiebe ihrer Gegner ab. Es sind die Mitglieder der Schwertkampfgruppe Kappaval, die fast jeden Samstag hier trainieren. „Was wir machen, ist für uns ein ganz normaler Sport, wie für andere Fußball“, sagt Jazzy Leopold, die unter ihrem Helm und ihrer Rüstung nur schwer als Frau zu erkennen ist. Kappaval, der Name der Gruppe, sei dem Altnordischen entlehnt, was soviel wie „Kämpferauswahl“ bedeute. Leopold: „Wir orientieren uns mit Ausrüstung und Bewaffnung an den Wikingern des Frühmittelalters.“ Diese historische Epoche habe sie immer schon fasziniert, darum sei sie dabei.

In Köln gebe es insgesamt drei Schwertkämpfergruppen: Eine in Longerich, eine am Vorgebirgspark und die Mülheimer. „Die Longericher orientieren sich an den Angelsachsen des elften Jahrhunderts, und die im Vorgebirgspark an den Kreuzrittern“, erklärt Jazzy Leopold, die im realen Leben als Lehrerin arbeitet.

Trainiert werden die etwa 15 Mitglieder der Mülheimer Gruppe von einem Krieger, der sich Wladi nennt und im bürgerlichen Leben Wladimir heißt. Er trägt einen Lederhelm und ein Kettenhemd. „Im Unterschied zu anderen Kampfsportarten gibt es bei der mittelalterlichen Schwertfechtkunst keine Einteilung in Alters- und Gewichtsklassen“, sagt er. Gerade weil es diese Einteilung nicht gibt, findet er den Schwertkampf so attraktiv. Im Prinzip dürfe jeder gegen jeden antreten.

Allerdings halte man sich an feste Regeln: „Bestimmte Körperzonen wie Kopf, Hals, Hände, Füße oder Unterleib sind tabu.“ Ansonsten orientieren sich die Krieger am sogenannten Zeit-der-Schwerter-Regelwerk für Schwerter und verwandte Waffen. Wladi: „Wir gestatten auch nicht, mit der Waffe zuzustechen.“

Langstilaxt: das Schweizer Messer unter den Waffen

Das Schwert ist nur eine der Waffen, die zum Einsatz kommen. „Eigentlich war im Frühmittelalter der Speer die Hauptwaffe und das Schwert nur Zweitwaffe des Adels“, sagt der Trainer. Daneben gebe es noch die Langstilaxt – für Wladi das Schweizer Messer unter den Waffen.

Gekämpft wird weniger im Duell als vielmehr in Gruppen. Jeweils drei bis fünf Kämpfer stehen sich gegenüber. Sie versuchen, die Gegner mit Hieben oder Schnittbewegungen zu treffen. Wladi: „Je nach Panzerung muss ein Kämpfer ausscheiden, wenn er drei bis fünf Treffer eingesteckt hat.“ Je besser die Rüstung, desto mehr Treffer seien nötig. Gewonnen hat die Mannschaft, deren Kämpfer auf dem Platz bleiben.

Regelmäßig finden Wettkämpfe statt – auch internationale Meisterschaften. Zu Schaukämpfen vor Publikum lassen sich die Schwertkämpfer auch einladen. Wladi: „Dann wird es theatralisch, nach dem Motto schöner sterben.“

Bei Kappaval kämpfen fünf Frauen mit. „Das ist in unserer Sportart außergewöhnlich“, sagt Jazzy Leopold. Wichtig sei nur eine gute Polsterung und intensives Training. Aber es habe auch seine Vorteile: „Die Gegner sind besonders vorsichtig, wenn wir ihm gegenüber stehen.“ Diese Vorsicht bietet den Frauen aber auch Vorteile. Leopold: „Natürlich nutze ich das aus, um Treffer zu landen.“ Außerdem seien die Frauenschwerter mit 900 Gramm leichter als die der Männer – die wiegen rund 1500 Gramm. Die Klingen sind selbstverständlich stumpf.

Viele Ausrüstungsgegenstände fertigen die Mitglieder der Gruppe selbst an. Schilde – außer dem Buckel – entstehen an Bastelabenden, ebenso Lederwesten oder Handschuhe. Leopold: „Wir färben auch unsere Kleidung nach mittelalterlichen Techniken.“ Lamellenpanzer werden selbst geflochten, ihre Kettenhemden lassen die Kämpfer allerdings anfertigen. Kappaval-Mitglied Leon besorgt sogar Rohwolle und spinnt selbst Fäden. „Bald fangen wir an, eigene Stoffe zu weben“, sagt er. Dann werden die schillernden Kriegerinnen und Krieger aus dem Mülheimer Stadtgarten noch mehr Aufsehen erregen.

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