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Bestellen und im Veedel abholenKölner Marktschwärmerei verkauft Produkte aus Umland

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Marktschwärmerei Mülheim9

Djafer Langner (mit grüner Schürze) ist Gastgeber der Marktschwärmerei in Mülheim.

  • Seit sechs Jahren gibt es die Marktschwärmerei in Köln. Sie bietet eine alternative Form des Einkaufens und Produkte direkt aus der Region.
  • Neben Backwaren, Gemüse, Milch, Joghurt und Eiern von lokalen Höfen und Betrieben finden sich in der mehr als 600 Produkte umfassenden Angebotspalette auch Seife, Spirituosen und Textilien.
  • Kunden können ihre Einkäufe in der App bestellen und wöchentlich abholen.

Mülheim – Sie schwärmen aus dem gesamten Stadtbezirk herbei, um sich mit frischen und lokalen Lebensmitteln einzudecken – trotz Coronavirus kommen mittwochs auch derzeit knapp 150 Kunden zur Berliner Straße in Mülheim. Bereits seit einem Jahr besteht in dem Stadtteil die Marktschwärmerei Schäl Sick, die eine alternative Form des Einkaufens und regelmäßige Grundversorgung direkt von Erzeugern aus der Region ermöglicht.

„Die Marktschwärmerei sichert lokale Lebensmittelversorgung von Kunden und die Existenz von Erzeugern der Region, denn die Bauern setzen ihre Arbeit auch während der Krise fort“, sagt Djafer Langner, der seit März 2019 mit seiner Frau Sonja den direkten Draht zwischen Abnehmern und Produzenten organisiert.

„Wir sind von der Idee begeistert, denn die Erzeuger stellen ihre Produkte mit Liebe her, das spürt man immer, wenn man sie trifft“, begründet der 40-Jährige das Engagement des Paares, das seit Jahren in dem rechtsrheinischen Stadtteil Kölns lebt. „Wir wollten das auch in unserem Veedel haben, denn für uns ist die Marktschwärmerei die schönste Form des Einkaufens“, sagt Sonja Langner. Neben Backwaren, Gemüse, Milch, Joghurt und Eiern von lokalen Höfen und Betrieben finden sich in der mehr als 600 Produkte umfassenden Angebotspalette auch Seife, Spirituosen und Textilien.

Kunden nehmen Konzept dankend an

Auch während der Corona-Epidemie beweise das Marktschwärmer-Modell seine Widerstandsfähigkeit und werde dankend von Verbrauchern angenommen, „das zeigen die stetig steigenden Bestellungen und Neuanmeldungen auf dem Portal“, führt Langner weiter aus. So böte sich für die Kunden die Möglichkeit, ihren Wocheneinkauf sicher von Zuhause aus zu planen und gleichzeitig leere Regale und lange Warteschlangen in Supermärkten zu vermeiden. Dabei unterstützen sie mit ihrem Einkauf die Existenz von lokalen landwirtschaftlichen Erzeugern.

Die Marktschwärmerei schafft eine direkte Verbindung zwischen Erzeugern und Verbrauchern einer Region und darf als Abhol- und Lieferdienst für Lebensmittel auch weiterhin geöffnet bleiben: „Die Kunden bestellen bequem im Onlineshop ihrer Schwärmerei und holen ihre frischen Einkäufe dann einmal wöchentlich an einem zentralen Ort in ihrer Nachbarschaft ab“, erläutert Langner das Prinzip. Das sei planbar, verlässlich und funktioniere auch, wenn der Kontakt mit anderen Menschen stark reduziert sein soll.

Modell seit sechs Jahen in Köln

Vor rund sechs Jahren ist das Marktschwärmer-Modell nach großem Erfolg in Berlin und anderen deutschen Städten auch in Köln angekommen und funktioniert seitdem in mehreren Bezirken Kölns an insgesamt fünf Standorten in der Stadt. Neben Mülheim läuft es in der Südstadt, in Ehrenfeld, Nippes und in Sülz sehr gut.

Den Langners zufolge steht die Verantwortung für die Gesundheit aller Beteiligten dabei im Vordergrund: Die Abholung der Lebensmittel geschehe selbstverständlich unter Einhaltung der gebotenen Sicherheitsauflagen in Übereinstimmung mit den Landesverordnungen. „Zudem bietet rund ein Drittel der Schwärmereien in Deutschland einen Lieferdienst an, um vor allem Bedürftigen und Gefährdeten eine noch kontaktlosere Möglichkeit zu bieten, an frische Lebensmittel zu gelangen“, sagt der Marktschwärmer-Chef aus Mülheim.

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Das Angebot nutzt Birgit Eßer aus Höhenhaus gern und regelmäßig seit Beginn der Marktschwärmerei in Mülheim. „Hier bekomme ich leckere Milch mit hohem Fettanteil, außerdem kenne ich keinen Supermarkt, der Käse vom Jersey-Rind anbietet“, lobt die 64-Jährige, die den Weg zur Berliner Straße für ihre Bestellung gern auf sich nimmt.

„Ich gehöre zwar zur Risikogruppe, aber ich habe ja zwei Stunden Zeit, um meine vorgepackte Kiste abzuholen, dabei muss ich niemanden treffen“, so Eßer. „Und ehrlich gesagt, momentan genieße ich es, wenigstens einmal am Mittwoch nach draußen zu kommen, auch, wenn die Produkte etwas teurer sind als im Supermarkt.“

Ein kurzes Gespräch mit dem Produzenten ihres Lieblingskäses, Andre Tholen vom Kollweider Hof in Breberen, etwa 40 Kilometer westlich von Bergheim, führt die Seniorin dennoch gern – aus zwei Metern Abstand. „Der Lebensmittelverkauf bei Marktschwärmereien macht bei uns etwa zehn Prozent des Umsatzes aus, aber durch die Vorbestellung ist das sehr gut planbare Arbeit – und der persönliche Kontakt zu den Kunden, die die Produkte zu schätzen wissen, ist viel wert und ein deutlicher Unterschied zu normalen Wochenmärkten“, sagt der Inhaber der familiengeführten Bio-Käserei.

Kurze Lieferketten

Alle Produkte stammen von bäuerlichen Erzeugern, Handwerkern und kleinen Manufakturen aus der Region. „Im Durchschnitt liegen zwischen Herstellungsort und Schwärmerei nicht mehr als 30 Kilometer Transportweg“, erläutert Djafer Langner. So entstehe eine kurze und robuste Lieferkette für die regionale Grundversorgung. Nur wenige Personen kämen mit den Lebensmitteln in Kontakt, bis sie den Kunden erreichen. Das Modell sei fair, transparent und sicher für Erzeuger und Verbraucher.

Adressen

Zwei der bislang fünf Marktschwärmer-Adressen in Köln:

Sülz: MB Café, Königswinterstraße 1, 50937 Köln-Sülz; Gastgeber: Barbara und Max Bandte; Verteilung: Dienstag, 17.30 Uhr bis 20:00 Uhr; E-Mail-Kontakt: marktschwärmer@mb-cafe.de

Schäl Sick: Restaurant „Omen“, Berliner Straße 20, 51063 Köln-Mülheim, Gastgeber: Djafer und Sonja Langner; Verteilung: Mittwoch, 17.30 Uhr bis 19.30 Uhr

„Die Menschen sind momentan weniger geneigt, ihre Lebensmittel in vollen Supermärkten zu kaufen, sondern sind dankbar für die Alternative, die wir ihnen bieten“, ergänzt Max Bandte, der die Schwärmerei in Sülz als Gastgeber organisiert. Die Mitglieder dort verhielten sich respektvoll in der Umsetzung aller Sicherheitsmaßnahmen. „Der aktuelle Anstieg bei den Bestellungen zeugt von Solidarität mit Erzeugern und Achtsamkeit – auf diese Gemeinschaft bin ich stolz“, so Bandte.

Marktschwärmerei als Vertriebsalternative

Aber nicht nur für Verbraucher ist das dezentrale und belastbare Marktschwärmer-Modell wichtig: Vielen Erzeugern sind Einnahmequellen für ihre Produkte, etwa Restaurants und Cafés, durch vorübergehende Schließungen weggebrochen. Die Marktschwärmerei biete so gerade kleinen Erzeugerbetrieben eine Vertriebsalternative durch die Direktvermarktung ihrer hochwertigen Lebensmittel an Verbraucher. „Die Erzeuger bestimmen die Preise im Onlineshop für ihre Produkte selbst – denn sie wissen am besten, was ein fairer Preis für ihre Arbeit ist“, sagt Langner.

Dank der Vorbestellung kann der Erzeuger exakt planen und vermeidet unnötige Transportwege und die Verschwendung von Ware. Und auch über den regulären Lieferdienst hinaus bieten die Mülheimer Marktschwärmer jetzt eine ganz spezielle Nachbarschaftshilfe für das Veedel: Ältere Menschen und jüngere, die zu Risikogruppen gehören, können sich melden. Sie bekommen die Ware vor die Haustüre gestellt. Denn, so der Ansatz gerade in Krisenzeiten, in der Nachbarschaft sollte man sich gegenseitig helfen und zusammenhalten.

Weitere Informationen über alle fünf Marktschwärmer- Angebote in Köln sowie die Möglichkeit, dort zu bestellen, gibt es auf der Website.

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