Bürgerhaus MützeAls in Köln-Mülheim noch Häuser besetzt wurden

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Die damaligen SSK-Aktivisten suchten ein Grundstücke mit Garten für ihre Kinder. Foto: SSM

Die damaligen SSK-Aktivisten suchten ein Grundstücke mit Garten für ihre Kinder. Foto: SSM

Köln-Mülheim – Die sozialen Bewegungen von 1968 wirken im Stadtteil bis heute nach. Ein halbes Jahrhundert nach den denkwürdigen Umbrüchen erzählten Protagonisten im Bürgerhaus Mütze über die Anfänge mehrerer sozialer Projekte in Mülheim – des Bürgerhauses selbst und der Sozialistischen Selbsthilfe Mülheim (SSM). Deren Gründer waren aktiv an den politischen Auseinandersetzungen des Jahres 1968 beteiligt.

Rainer Kippe mit einem Bild aus dem Jahr 1979. Foto: Schäfer

Rainer Kippe mit einem Bild aus dem Jahr 1979. Foto: Schäfer

Gisela Kochs gehörte 1974 zu den Initiatoren der „Mülheimer Selbsthilfe Teestube“, dem heutigen Trägerverein des Bürgerhauses. „Ich war eine von fünf Aktiven, die aus der der Gruppierung „politisches Nachtgebet“, hervorgingen, um soziale Arbeit im Veedel zu leisten“, erzählte Kochs. Sie besetzten Häuser, um Obdachlosen ein Dach über dem Kopf zu verschaffen. Später konzentrierte man sich auf Behinderte wie Rollstuhlfahrer. Kochs: „Für mich war wichtig, Hilfe mitten im Stadtteil anzubieten.“ 

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Die Initiative siedelte sich in der Tiefentalstraße in Mülheim an, wo sie mit Hilfe der evangelischen Kirche in einem garagenähnlichen Haus unterkamen – in direkter Nachbarschaft zu einem Wohnheim für Behinderte. „Hier lebten viele Rollstuhlfahrer, und einer davon war Josef Wandschura, der jetzt neben mir sitzt“, berichtete sie. Die Teestube konzentrierte sich in der Folge auf Behinderte und die barrierefreien Räume kamen dabei gerade recht. Als es in der Tiefentalstraße zu eng wurde, brauchte die Teestube neue Räume.

Das Bürgerhaus Mütze ging aus einem Treff in einer Tankstelle hervor.

Das Bürgerhaus Mütze ging aus einem Treff in einer Tankstelle hervor.

Nach langer Suche wurde schließlich eine leerstehende Tankstelle an der Berliner Straße besetzt, dessen Häuschen ebenfalls barrierefrei war. Kochs: „Nach langen Kämpfen mit der Stadt durften wir bleiben.“ Das heutige Gebäude des Bürgerhauses Mütze wurde 1990 fertiggestellt. Die Einrichtung befindet sich bis heute in Trägerschaft der Mülheimer Selbsthilfe Teestube.

Ebenfalls aus der Hausbesetzerszene hervorgegangen ist die Sozialistische Selbsthilfe Mülheim, SSM. Deren Mitbegründer Rainer Kippe erinnerte sich: „Wer 1968 dabei war weiß, dass damals neben guten Aktionen auch eine riesige Blase Gelaber war.“

Es habe Marxisten, Trotzkisten, Maoisten und mehr gegeben. Jeder hatte recht und gründete eine eigene Partei. Kippe: „Das war grauenhaft.“ Für ihn und einige Freunde habe daher die Frage nach den Menschen gestanden, denen wirklich geholfen werden musste. Zielgruppe wurden Obdachlose, Jugendliche aus Heimen und Insassen psychiatrischer Kliniken, denen man wieder ins „normale“ Leben helfen wollte. Als SSK gestartet und durch Hausbesetzungen wie vom Stollwerck in den Südstadt bekannt, konzentrierte sich die Initiative dann aus Mülheim. Kippe: „Wir stimmten uns mit der Mülheimer Selbsthilfe ab, um Konkurrenz zu verhindern.“ Nach und nach wurden vom Abriss bedrohte Häuser besetzt. Gleichzeitig suchten die Organisatoren wie Kippe selbst nach einer Unterkunft. Endlich sei ihnen 1979 eine ehemalige Schnapsbrennerei in der Düsseldorfer Straße aufgefallen, die leer stand. Das städtische Grundstück, an dem ursprünglich eine Spedition und der Kabelhersteller „Felten & Guilleaume“ interessiert waren, ging nach beharrlichem Ringen an die SSK.

Die Grundlage für die heutige SSM mit ihrem Wohn- Arbeitsprojekt an der Düsseldorfer Straße und der Halle am Faulbach war geschaffen.

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