Nach Starkregen 2021Bürgerinitiative will bessere Konzepte für Hochwasserschutz in Köln

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Das Wasser fließt am Wildschweingehege durch den Dünnwälder Wildpark.

Das Wasser fließt am Wildschweingehege durch den Dünnwälder Wildpark– die Beteiligten diskutieren über Dämme im Waldgebiet.

Seit dem Starkregen im Juli 2021 setzt sich eine Bürgerinitiative in Köln für Aufklärung der Ereignisse ein. Noch fehlen Berechnungen.

Die Bürgerinitiative Hochwasserschutz Dünnwald will ihre Nachbarschaft schützen. Ulf Tenholte, Jürgen Hein, Detlev Tschentschner und Thomas Möritz setzten sich einen Tag nach dem zerstörerischen Starkregen im Juli 2021 zusammen und arbeiteten die Abfolge der Ereignisse seitdem akribisch auf. In zahlreichen Kölner Stadtteilen waren die Schäden immens, so auch in Dünnwald.

Aufarbeitung nach der Flut: Spurensuche in Köln-Dünnwald

Welche Wege nahm das Wasser? Wann trat es wo über die Ufer? Welche Probleme zeigten sich in der Infrastruktur? Sie wollten diese Fragen beantworten, um effektiv über einen besseren Schutz für Dünnwald diskutieren zu können.

Das Mosaik aus Videos, Fotos und Augenzeugenberichten aus der Nachbarschaft setzten sie zu einem Bild zusammen. Monatelang arbeiteten sie auch gemeinsam mit den Stadtentwässerungsbetrieben (Steb). Sahen Akten durch, besprachen das Material, erstellten einen Ablaufplan. Das Bild vervollständigte sich.

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Von den Erkenntnissen der Bürgerinitiative profitierte auch die Steb. Gemeinsam veranstalteten sie auch eine Informationsveranstaltung, sprachen mit Betroffenen über Schutzmöglichkeiten und die Starkregen-Nacht.

Köln-Dünnwald: Einigkeit beim groben Ablauf der Starkregen-Nacht

Auf einen groben Ablauf der Ereignisse können sich die Steb und die Bürgerinitiative verständigen, ein abschließender Workshop steht noch aus. Der kleine Mutzbach, an dem sonst Kinder spielten und Hunde Gassi geführt wurden, trat am Abend des 14. Juli 2021 über die Ufer. Bilder zeigen, wie das Wasser aus dem Mutzbach immer höher steigt und die anliegende Straße überflutet.

Ein Anwohner schickte der Bürgerinitiative die Bilder. Auf einem Foto kann ein Auto gegen 20 Uhr gerade noch so fahren, das Wasser steht knapp unter dem Kühlergrill. Viele Haushalte hatten so schon am frühen Abend einen überschwemmten Keller.

Wassermengen im Dünnwalder Wald wurden zur Gefahr

Doch der Regen hörte nicht auf. Die Wassermengen wurden zur ernsthaften Gefahr. Wäre es bei der Überschwemmung des Mutzbachs oberhalb des Waldbades im Dünnwalder Wald geblieben, nasse Keller und kaputte Autos wären wohl die größten Schäden gewesen.

Aber außerhalb Dünnwalds, an der Diepeschrather Mühle, liegt ein Hochwasserrückhaltebecken auf dem Gladbacher Gebiet. Es fasst etwa 238.700 Kubikmeter, zu wenig für die Wassermassen vom 14. Juli. Ein Mitarbeiter der Steb war vor Ort. Er ließ den Zufluss zum Becken offen. Von 20 bis etwa 23:30 Uhr lief es über.

Hochwasser in Köln: Einige Häuser werden abgerissen

Die Dünnwalder Leuchterbruchsiedlung liegt wie am Ende eines Trichters in der ehemaligen Aue des Mutzbachs. Der Abfluss aus dem Becken traf auf das Wasser des Mutzbachs, die Welle kam in der Siedlung an. Verletzte oder Tote wie an der Ahr gab es glücklicherweise nicht.

Der Schaden liegt aber schätzungsweise im unteren zweistelligen Millionenbereich. Einige Häuser müssen ganz abgerissen werden. Aufgrund dieser Trichterlage und der höheren Wahrscheinlichkeit von ähnlichen Extremereignissen sieht die Bürgerinitiative insbesondere die Leuchterbruchsiedlung als stark gefährdeten Ort.

Die Steb und die Bürgerinitiative diskutieren seitdem, warum und wann das Becken hätte schließen sollen. Laut der Bürgerinitiative steht in der Betriebsanweisung klar, dass das Becken hätte schließen müssen. Martin Cassel, Sachgebietsleiter der Steb, sieht keinen Fehler. Weitere Schäden am Haus Haan und dem rechtsrheinischen Randkanal wären die wahrscheinliche Folge gewesen, hätte der Mitarbeiter das Becken geschlossen.

Experte nach Hochwasser in Köln: „Schaden kann nur minimiert werden“

Ob durch den geschlossenen Zulauf die Menschen sicherer gewesen wären, könne nicht versichert werden. „Bei einem solchen Ereignis kann der Schaden nicht verhindert, nur minimiert werden“, sagt Cassel. Die statistische Wahrscheinlichkeit für Abflüsse wie im Juli 2021 liegt weit jenseits eines hundertjährigen Ereignisses, wie eine Untersuchung aus Bergisch-Gladbach ergab.

„Dies liegt auch jenseits dessen, für was die Kommune Schutz und Vorsorge leisten kann und muss“, sagt Cassel. Die Bürgerinitiative fordert dennoch eine klare Regelung für den Beckenzufluss für mögliche ähnliche Ereignisse.

Köln-Dünnwald: Warten auf die entscheidenden Neuberechnungen

Die Steb, die Bürgerinitiative und weitere Akteure wie die Stadt Bergisch Gladbach warten gerade auf Ergebnisse der Berechnungen zur Starkregen-Nacht. Sie erwarten sie noch im ersten Quartal des neuen Jahres.

Durch einen digitalen Zwilling der Örtlichkeit könne dann konkret gezeigt werden, welche Wege das Wasser nahm – und der Schaden zukünftig minimiert werden kann.

Auf Grundlage der Daten soll dann über kommunenübergreifende Lösungen nachgedacht werden. Kommunen-Grenzen interessieren das Wasser nicht, die befragten Beteiligten planen deshalb einen runden Tisch mit allen Zuständigen, zu denen auch Wupper- und Strundeverband, sowie der Zweckverband rechtsrheinischer Randkanal gehören.

Austausch über mögliche Schutzmaßnahmen gegen Fluten läuft

Die Bürgerinitiative und die Steb sprachen bereits über mögliche Maßnahmen, um den Schaden zu minimieren. Konkrete Vorschläge der Dünnwalder sind beispielsweise Dämme im Waldgebiet zwischen Diepeschrather Mühle und Leuchterbruchsiedlung.

Sie diskutieren auch darüber, die Katterbachstraße anzuheben. Auch neue Abläufe am Regenrückhaltebecken und ein erweitertes Auffangvolumen werden von der Bürgerinitiative ins Spiel gebracht.

Einige der Vorschläge seien potenziell machbar, sagt Cassel. Die Anhebung der Katterbachstraße beispielsweiße. „Aber wir können nicht einfach losbauen“, sagt Cassel weiter. „Wir brauchen hydraulische Grundlagenberechnungen des rechtsrheinischen Randkanals und wir müssen die Wirtschaftlichkeit kalkulieren. Für viele Maßnahmen gibt es außerdem komplexe Zuständigkeiten.“

Köln: Bürgerantrag soll schnelle Maßnahmen erwirken

Um diesen komplexen Prozess zu beschleunigen, reichte die Bürgerinitiative einen Bürgerantrag beim Dezernat Acht für Klima und Umwelt ein. Ob so tatsächlich eine schnellere Lösung kommen wird, darf bezweifelt werden.

Immerhin erhielten viele Betroffene bereits eine finanzielle Entschädigung durch die Förderrichtlinie „Wiederaufbau Nordrhein-Westfalen“. Die Pauschale für einen Ein-Personen-Haushalt beträgt hier 13.000 Euro.

Steb: „Starkregen-Vorsorge ist eine Gemeinschaftsaufgabe“

Und die Mitglieder der Bürgerinitiative installierten selbst neue Schutzvorrichtungen in ihren Kellern. „Starkregen-Vorsorge ist eine Gemeinschaftsaufgabe“, sagt auch Cassel von den Steb. Auf deren Website können sich Bürgerinnen und Bürger über private Schutzmaßnahmen informieren.

An der umliegenden Infrastruktur hat sich bisher also nichts verändert. „Jede Maßnahme wäre ein wichtiger Schritt zu mehr Sicherheit“, sagt Ulf Tenholte von der Bürgerinitiative.

Dazu gehöre beispielsweise auch eine klarere Meldekette im Katastrophenfall, vom Krisenstab bis zum Feuerwehrwagen, der durch die Siedlung fährt. „Bis sich etwas verändert, versuchen wir uns zu schützen. Wir hoffen, dass sich die Politik und Verwaltung schnell einigen, sobald die Neuberechnungen da sind.“

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