Milieuschutz in Köln-MülheimBürgerverein will ärmere Mieter schützen

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Die Hacketäuerstraße mit ihrer Mischung aus Alt- und Neubauten ist typisch für das Quartier Mülheim Nord. 

Köln-Mülheim – Eine soziale Erhaltungssatzung - auch Milieuschutzatzung genannt – kann für Gebiete eingeführt werden, in denen ein großer Teil der Wohnbevölkerung zu den sozial Benachteiligten gehört. Um sicherzustellen, dass diese Einwohner langfristig nicht durch Besserverdienende verdrängt werden, indem Luxussanierungen oder Spekulationskäufe zu enormen Mieterhöhungen führen, kann eine Stadt solche Gegenmaßnahmen ergreifen. 

Bürgerverein schlägt Erhaltungssatzung vor

Für das Gebiet Mülheim Nord und Keupstraße wurde bei der jüngsten Sitzung der Bezirksvertretung Mülheim eine solche Schutzsatzung diskutiert. Vorgeschlagen wurde sie vom Verein Nachbarschaft Mülheim Nord per Bürgereingabe. „Durch Mieterhöhungen hat die Verdrängung für Alteingesessene-, Allein-Erziehende und Hartz IV beziehende Bürger bereits begonnen“, begründete Engelbert Becker, Vorstandsmitglied des Nachbarschaftsvereins, die Eingabe.

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Zwar ermögliche die im Stadtvergleich noch günstige Miete das Wohnen und den Erhalt der gewachsenen, gemischten Bevölkerungsstruktur im Wohngebiet. Doch weil das Gebiet insbesondere im Zuge der Bebauung des alten Mülheimer Güterbahnhofs in unmittelbarer Nachbarschaft an Attraktivität gewinne, wachse auch der Verdrängungsdruck. Becker: „Dies führte bereits zu verschiedenen Spekulationskäufen von Wohnungen und Häusern, sowie zu Block-Innenbebauung in bestehenden Quartieren und damit zur Verdrängung sozial schwacher Menschen.“

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Für die Keupstraße fordert der Verein Nachbarschaft Mülheim Nord eine Milieuschutzsatzung.

Viele arme Menschen in Köln-Mülheim

Becker verwies auf bereits vorhandene Daten zur sozialen Lage im Quartier. So drücke die hohe Zahl an Transferleistungen die soziale Benachteiligung in diesem Sozialraum aus: Knapp 35 Prozent der Bewohner und fast 50 Prozent der Kinder unter 15 Jahren bezögen Leistungen nach Sozialgesetzbuch II. Zudem seien 21 Prozent der Einwohner von Arbeitslosigkeit betroffen. Becker: „Auffällig ist auch die hohe Zahl der im Offenen Ganztag beitragsbefreiten Kinder von 85,9 Prozent. Das bedeutet also, bei 85,9 Prozent der Bewohner liegt das Familien- Jahreseinkommen unter 12.271 Euro.“

In einer ersten Reaktion empfahl die Stadtverwaltung den Bezirkspolitikern, das Ansinnen abzulehnen. Es gebe noch keinen Bedarf für eine solche Satzung. Vorliegende Zahlen seien noch nicht auf genau abgegrenzte Quartiere einzuschränken. Die Stadt kommt zu dem Schluss: „Auf Grundlage dieser Kriterien ergibt sich für das von den Petenten benannte Gebiet Mülheim Nord und Keupstraße derzeit kein belastbares Bild für die Anwendungsvoraussetzungen einer sozialen Erhaltungssatzung.“ 

Lebenslagenbericht abwarten

„Wir stimmen dem Anliegen der Beckers zu und schlagen vor, gegen die Verwaltungsvorlage zu stimmen“, sagte Winfried Seldschopf, Fraktionsvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen. Stattdessen solle die Stadt schnellstens mit der Ausarbeitung und Umsetzung einer Milieuschutzsatzung beginnen. Bezirksbürgermeister Norbert Fuchs verwies dagegen darauf, dass auch für die Stadt verbindliche Zahlen bald vorliegen würden: „Im Sommer soll der Kölner Lebenslagenbericht fertig sein und auf Grundlage der darin ermittelten Daten sollten wir noch einmal diskutieren.“ Er schlug vor zu beschließen, bis dahin zu warten und Beckers Bürgereingabe wieder zu behandeln, wenn der Bericht vorliege. Dem stimmte die Bezirksvertretung einhellig zu.

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