Privatschule des Türkisch-Deutschen Akademischen BundesHeftige Kritik am Ausbau der Dialog-Schulen in Köln-Buchheim

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Rechts der Altbau, links die Erweiterung: 700 Schüler werden eines Tages die Dialog-Schulen besuchen.

Rechts der Altbau, links die Erweiterung: 700 Schüler werden eines Tages die Dialog-Schulen besuchen.

Köln – Der Raum der Klasse 5 B könnte zu jeder x-beliebigen Schule gehören. Ohne Kreide und Tafel geht nichts, auf den Fensterbänken stehen Blumen, an den Wänden hängen ausgeschnittene Papier-Hände und Beispiele für Nomen und Verben. Das Gebäude: ein altes Arbeitsamt. Alles sehr ordentlich, aber nicht besonders fortschrittlich.

90 Prozent türkeistämmige Schüler

Als staatlich anerkannte Ersatzschule werden Gymnasium und Realschule zu 87 Prozent vom Land refinanziert. Der Rest wird durch das Schulgeld der Eltern gedeckt, mit dem auch besondere Angebote ermöglicht werden können. Dazu gehört die täglich einstündige Lernzeit, in der Fünft- bis Neuntklässler gesondert gefördert werden, wenn sie schulische Defizite haben. Beim „Lerncoaching“ vereinbart der Lehrer mit seinem Schüler persönliche Ziele und begleitet ihn entsprechend. Dazu kommen verschiedene schulinterne Projekte, überschaubare Klassengrößen und eine Nachmittagsbetreuung. Die Höhe des Schulgelds hänge vom Einkommen der Eltern ab. Es betrage laut Schule maximal 240 Euro pro Monat, für besonders erfolgreiche Schüler seien Stipendien möglich. Es gebe sogar etliche Eltern, die auf Hartz IV angewiesen seien. (cht)

Die schöne neue Welt der Dialog-Schulen an der Arnsberger Straße in Buchheim beginnt neben dem alten Arbeitsamt. Auf 10.000 zusätzlichen Quadratmetern werden sich das private Gymnasium und die dazugehörigen Realschule in Kürze ausbreiten, inklusive Zweifach-Sporthalle, Hörsaal, Mensa, Aula und Schulbibliothek. Es ist ein voluminöser Anbau mit fünf Stockwerken, der fast fertig ist. Die Klassenräume sind mit hochmodernen Smartboards und Fußbodenheizung ausgestattet. Gesamtkosten für die Erweiterung: 26 Millionen Euro.

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Eigentümer der Schule ist der Türkisch-Deutsche Akademische Bund (TDAB), Träger die „Bildung und Perspektiven gGmbH“, vier Eltern sind die Hauptgesellschafter. Geschäftsführer Genc Osman Esen wird nicht müde zu betonen, dass es sich um eine ganz normale Privatschule handelt. Doch das ist sie schon wegen ihrer Schülerschaft nicht: Rund 90 Prozent der aktuell 420 Mädchen und Jungen sind türkeistämmig. Allein dies hat der Schule heftige Kritik eingebracht.

Integration konterkariert

Die ehemalige SPD-Bundestagsabgeordnete Lale Akgün sprach von einer „ethnischen Privatschule“, die die Herausbildung einer muslimischen Elite und die gesellschaftliche Entmischung fördere. Das Ziel der Integration werde konterkariert.

„Hier werden Parallelgesellschaften aufgebaut“, schimpfte vor einiger Zeit einer ihrer Parteigenossen in der Mülheimer Bezirksvertretung. Mülheims Bezirksbürgermeister Norbert Fuchs, ebenfalls SPD und seit mehr als 25 Jahren im Amt, hält es für seine größte Niederlage, dass der Rat für die Schulerweiterung votierte – und damit die Mülheimer Bezirksvertreter überstimmte. „Wir brauchen kein zusätzliches Gymnasium im Stadtbezirk“, sagte Fuchs. Der Anbau sei städtebaulich eine Katastrophe, Integration sehe angesichts der Dominanz türkeistämmiger Schüler anders aus.

Auch die Nähe des TDAB zum türkischen Prediger Fetullah Gülen ruft Argwohn hervor. Wenig transparent sei Gülens islamische Bewegung, sagen Kritiker, außerdem stehe sie für eine sehr konservative Auslegung des Islam. Auf der anderen Seite fordert Gülen von seinen Anhängern Integration und Dialog und die Bereitschaft, sich zu bilden. Genc Osman Esen bestreitet nicht, ein Anhänger Gülens zu sein. Doch der Prediger vertrete ein „sehr modernes Islambild“ und suche den Kontakt zu anderen Religionen. „Er war der erste islamische Gelehrte, der den Papst besucht hat.“ Zudem seien für Gülen Islam und Demokratie durchaus vereinbar.

Esens türkischer Großvater gehörte zu den ersten Gastarbeitern in Deutschland. Die Familie arbeitete sich auf der sozialen Leiter allmählich empor. Der Opa musste in einem Steinbruch arbeiten, Esens Vater war bei der Deutschen Bahn, er selbst studierte Jura. Nun bietet seine Gesellschaft Kindern mit türkischen Wurzeln ähnliche Chancen.

Das Gymnasium existiert seit 2007, es entstand aus einem Nachhilfeangebot des TDAB, das so gut angenommen wurde, dass der Ruf nach einer Ganztagsschule laut wurde. Die Kosten für die Nachhilfe hätten sich stets in Grenzen gehalten, sagt Esen. Es sei immer darum gegangen, Kinder aus sozial benachteiligten Familien zu fördern. Dass vor allem türkeistämmige Schüler kamen, sei niemals beabsichtigt gewesen. Es liege wohl am deutsch-türkischen Hintergrund des TDAB.

Fach Türkisch ist Alleinstellungsmerkmal

Esen muss sich immer wieder rechtfertigen. Er will zeigen, „dass hier ganz normale Schule gemacht wird“, dass „Demokratie groß geschrieben wird“. Auf den Schulalltag habe Gülen keine Auswirkung, versichert der 36-Jährige. Auch finanziell gebe es keine Verbindungen. Gülen sei für einige TDAB-Mitglieder Inspirationsquelle. Nicht mehr und nicht weniger.

Das Unterrichtsangebot unterscheidet sich kaum von dem anderer Schulen. Nur das Fach Türkisch ist ein Alleinstellungsmerkmal. Selbst Islamkunde steht nicht auf dem Stundenplan, stattdessen „Praktische Philosophie“. „Das ist mir wichtig, weil man hier alle Religionen kennenlernt“, sagt Esen. Der muslimische Glauben scheint trotzdem in vielen Familien fest verankert zu sein: Viele der älteren Schülerinnen tragen Kopftuch.

„Unser Ziel ist es, die Kinder bewusst für Deutschland zu erziehen“, sagt der Geschäftsführer: „Die Kinder sollen in Deutschland einen positiven Beitrag leisten.“ Sie sollen studieren und arbeiten, um in der gesellschaftlichen Mitte anzukommen. Es gehe um Integration. Dass das deutsch-türkische Miteinander zumindest an der Arnsberger Straße nicht recht funktioniert, erklärt sich Esen mit der Angst vor dem Neuen. Für die Deutschen sei es eben ungewohnt, dass sich Türken für Bildungsarbeit einsetzten. Und deshalb seien sie so zurückhaltend. Esen wünscht sich eine größere Durchmischung an seiner Schule. Mehr Deutsche seien willkommen: „Ich möchte ein Abbild der Gesellschaft darstellen.“

Nach den Sommerferien soll der größte Teil des Anbaus in Betrieb sein. Insgesamt könnten dann 700 Schüler unterrichtet werden. Die Initiative Buchheim 21 hat mehrfach protestiert: Sie warnt vor Verkehrschaos in der kleinen Arnsberger Straße, wenn die Aula abends für Veranstaltungen genutzt wird. Die Kritiker der Initiative machten einen Bogen um die Schule, sagt Esen. Persönlich habe sich niemand bei ihm über die Pläne informiert. Das sei bedauerlich: Schließlich würde Esen auch auf diesem Feld gern zeigen, dass die Befürchtungen nicht zutreffen.

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