Ausgefallener Eurowings-FlugKölner Schülerin strandet in London – Hotel verweigert

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Heathrow Wartende 230622

Wartende Urlauberinnen und Urlauber am Flughafen Heathrow in London nach Ausfällen.

Köln – In diesen Tagen fallen zahlreiche Eurowings-Flüge aus  – laut Fluglinie wegen „technischen Problemen, Flugplanveränderungen, Krankheitsquoten und vielen anderen Faktoren“. Eine Sprecherin sprach von „industriellen Herausforderungen“. Am 20. Mai 2022 war der Grund für die Streichung eines Flugs der Lufthansa-Tochter von London-Heathrow nach Köln/Bonn leichter nachvollziehbar: Ein Sturm war vorhergesagt. Das Risiko, zu fliegen, erschien zu hoch.

Vertrauen in die Fluglinie verloren

Betroffen von dem kurzfristigen Ausfall des Fluges war auch die Kölner Schülerin Anna S. Während die volljährigen Passagiere mit einem Bus in ein Hotel gebracht wurden, verbrachte die 16-Jährige die nächsten Stunden ratlos am Flughafen – und verlor dabei ihr Vertrauen in die Airline.

„Als der Flug gestrichen wurde, habe ich zunächst versucht, einen späteren Flug am gleichen Abend zu buchen“, erinnert sich Anna S. „Als klar war, dass keine Flüge mehr gehen, sagte man mir an einem der Info-Schalter, ich könnte mit den anderen Passagieren meines Fluges mit dem Bus in ein nahegelegenes Hotel fahren.“

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Am Busterminal angekommen, „wurde mir dann allerdings gesagt, ich dürfe nicht mitfahren – weil ich nicht volljährig sei“. Sie habe daraufhin gefragt, ob es eine andere Möglichkeit gebe, zu der Unterkunft zu kommen.

Sie müsse am Flughafen bleiben, hieß es

„Die Antwort lautete von verschiedenen Stellen: Nein, das geht nicht.“ Sie müsse am Flughafen bleiben – alternativ könne man auch die Polizei holen. Minderjährige, so hieß es zur Begründung, dürften nicht ohne Erlaubnis der Erziehungsberechtigten im Hotel übernachten.

Tatsächlich verfügen Minderjährige, die wie Anna S. in Großbritannien zur Schule gehen, über einen so genannten „Guardian“ - eine Kontaktperson in Notfällen. Die Vertrauensleute von Anna S. waren freilich an dem Nachmittag, an dem der Flug ausfiel, nicht erreichbar.  

Die Eltern der Kölner Schülerin halten das Verhalten von Eurowings für skandalös. „Warum darf eine 16-Jährige beim Ausfall eines Fluges nicht mit in ein Hotel? Warum lässt man sie stattdessen lieber am Flughafen sitzen?“, fragt ihr Vater verständnislos. „Liegt das nicht in der Verantwortung einer Fluglinie?“

Zustimmung der Erziehungsberechtigten nötig

Eurowings verweist – mit vielen Tagen Verzögerung und der Bitte um Verständnis dafür, die für Großbritannien zuständige Kollegin sei zwischenzeitlich nicht verfügbar – auf die allgemeinen Beförderungsbedingungen. Demnach sei die Entscheidung zur Unterbringung von Minderjährigen in einem Hotel in Großbritannien „nur mit der ausdrücklichen Zustimmung der Erziehungsberechtigten“ möglich.

Eurowings verweist auf Verantwortung der Eltern

„Natürlich möchten wir als Airline, dass alle von einer Flugstreichung betroffenen Passagiere sicher und wohlbehalten untergebracht werden“, sagt ein Sprecher. „Im konkreten Fall aber spielt die Verantwortung der Eltern oder Sorgeberechtigten, die ihr Kind alleine reisen lassen, eine entscheidende Rolle. Eltern und Sorgeberechtigten muss deshalb bei einer Flugreise, die ihre minderjährige Tochter oder ihr minderjähriger Sohn allein antritt, immer bewusst sein, dass äußere Umstände wie Wetter, Luftraumsperrungen, Streiks etc., die nicht von der Airline zu beeinflussen sind, zu einer Flugstreichung führen können und dann als Konsequenz solche Entscheidungen wie die einer Zustimmung für eine Übernachtung erfordern.“

Mangelnder Service, keine Verantwortung

Die Zustimmung einzuholen, hätte im Falle von Anna S. eines einzigen Anrufs bei deren Eltern bedurft. Diese Möglichkeit kam den Mitarbeitenden in London genauso wenig in den Sinn wie der Gedanke, dass es nicht nur zum Service gehören sollte, einer 16-Jährigen, die allein an einem der größten Flughäfen der Welt steht, zu helfen – sondern dass dies eine (zwischenmenschliche) Selbstverständlichkeit sein sollte.

„Ich war an dem Tag schockiert, dass niemand an den Schaltern sich hilfsbereit gezeigt hat“, sagt Anna S. „Nach ein paar Stunden war ich mit den Nerven am Ende.“

In einem Londoner Hotel kam die Schülerin schließlich um Mitternacht doch noch an. Ihre Mutter hatte in der Zwischenzeit etliche Unterkünfte abtelefoniert – und schließlich eine gefunden, die eine Kopie des Ausweises der Tochter und das Einverständnis der Eltern akzeptierte.

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Eurowings verweist darauf, dass jedes Land andere Jugendschutzvorschriften habe „und häufig auch noch lokale Regelungen gelten“. Eine pauschale Auskunft, was Minderjährige und deren Eltern für den Fall von Flugausfällen berücksichtigen müssten, sei daher nicht möglich. „In konkreten Fällen werden diese Informationen bei unseren Stationen vor Ort oder den jeweiligen Behörden abgefragt. Eurowings hält für solche Ausnahmesituationen lokale Hotels unter Vertrag, um Gästen im Falle einer Flugstreichung eine sichere Übernachtung anbieten zu können.“

Genau dieses Angebot erhielt die Kölner Schülerin nicht. Stattdessen wurde sie barsch abgewiesen.

Bei Flugausfall nicht verantwortlich?

Fast alle Fluglinien bieten für Kinder einen besonderen Betreuungsservice an, der vorab gebucht werden kann. 16-Jährige dürfen indes alleine reisen. „Wir gehen als Fluggesellschaft davon aus, dass dies mit Einwilligung der Eltern erfolgt und die Beförderung keinerlei Einschränkungen unterliegt“, sagt der Eurowings-Sprecher. Wenn der Flug kurzfristig ausfällt, was derzeit nicht selten passiert, scheint sich die Fluglinie nicht immer verantwortlich für die minderjährigen Passagiere zu fühlen. 

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