Nach dem tödlichen Unfall auf der A3Experten prüfen alle Wandplatten

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Unfall_A3_Ueberblick

Blick auf die Stelle auf der Autobahn 3, wo am Samstag der schwere Unfall geschah. 

Köln/Gelsenkirchen – Mit Hochdruck arbeitet der Landesbetrieb Straßen NRW daran, die Ursache für das Unglück zu ermitteln, bei dem eine Autofahrerin (66) am vergangenen Freitag ums Leben kam, weil sich eine Vorsatzplatte aus der Lärmschutzwand der A 3 auf dem Kölner Autobahnring gelöst hat. Nach dem Ergebnis eines Vorgutachtens, das im Auftrag der Staatsanwaltschaft Köln erstellt wurde, handelt es sich um eine fehlerhafte Befestigung.

Derzeit werden sämtliche Halterungen der Wandplatten untersucht. Laut Vorgutachten für die Staatsanwaltschaft Köln sind bei der Konstruktion der Lärmschutzwand für die Vorsatzteile offenbar verschiedene Befestigungssysteme benutzt worden.

Warum sind verschiedene Befestigungsssyteme verwendet worden?

Das lässt sich abschließend noch nicht sagen. Es ist aber sehr wahrscheinlich, dass im Bereich der Unglücksstelle eine andere Baufirma gearbeitet hat als in anderen Abschnitten. Das wird derzeit geprüft.

Warum dauert das Verfahren so lange?

Die Bauwerksbeschreibungen für Lärmschutzwände sind beim Landesbetrieb Straßen NRW nicht digitalisiert. Deshalb müssen die Mitarbeiter die Unterlagen per Hand vergleichen. Das kostet Zeit. „Wir müssen in alle Bauwerksbeschreibungen schauen und sie bis in die Konstruktionszeichnungen miteinander vergleichen. Das dauert“, sagt ein Sprecher von Straßen NRW. Einen derart tragischen Fall wie in Köln habe es noch nie gegeben.

Es gibt also kein Zentralregister, welche Lärmschutzwand welchen Typs wo auf den Autobahnen und Bundesstraßen in NRW steht?

Nein. Das gibt es nicht.

Was könnte aus dem Ergebnis der Kontrollen folgen?

Es ist durchaus denkbar, das alle Vorsatz-Elemente in beiden Fahrtrichtungen abgebaut und mit neuen Befestigungssystemen ausgerüstet werden, um auch das geringste Risiko auszuschließen. Die Statik der Betonwand wäre dadurch nicht beeinträchtigt. Autofahrer müssten auf der A 3 aber über längere Zeit mit Baustellen leben.

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Lärmschutzwände gibt es ja nicht nur in NRW. Wie sieht das bundesweit aus?

Für die Überprüfungen der Wände sind die Autobahnmeistereien in den einzelnen Bundesländern zuständig. „Wir können uns nur auf Nordrhein-Westfalen konzentrieren“, so der Sprecher von Straßen NRW. Sie unterstehen noch bis Ende 2020 den Landesbetrieben und werden danach in die neue Autobahn GmbH des Bundes überführt. Deren neue Niederlassungen übernehmen dann auch im Rheinland das Kommando über den Neubau und die Wartung der Infrastruktur.

Neben den Untersuchungen von Straßen NRW ermitteln auch Kripo und Staatsanwaltschaft. Wie ist der Stand der Ermittlungen?

Die Ermittlungen haben zwar gerade erst begonnen, doch die Strafverfolgungsbehörden gehen dem Anfangsverdacht der fahrlässigen Tötung nach. Für ein vorsätzliches Handeln wie etwa einen Sabotageakt gebe es derzeit keine Anzeichen, sagt Oberstaatsanwalt Ulrich Bremer. „Gegenstand der Ermittlungen ist die Frage, ob der Tod der Verkehrsteilnehmerin auf ein strafrechtlich vorwerfbares Verhalten einer oder mehrerer Personen zurückzuführen ist“, sagt Bremer.

Im Polizeipräsidium wurde dafür eine Ermittlungsgruppe im Kriminalkommissariat 11 gegründet, wo Todesermittlungsverfahren geführt werden. Das Verfahren richtet sich aktuell gegen unbekannt. „Ermittlungen können nicht gegen Firmen geführt werden, sondern nur gegen natürliche Personen“, erklärt Bremer dazu.

Der Vorfall vom Freitag gilt als tragisches Unglück. Warum ermitteln in diesem Fall die Strafverfolgungsbehörden?

Dass sich die sechs Tonnen schwere Betonplatte genau in dem Moment von der Lärmschutzwand löste, als die 66 Jahre alte Kölnerin mit ihrem Kleinwagen dort vorbeifuhr, war sicherlich ein Unglück. Wenn dafür aber jemand etwa durch fehlerhafte Arbeit in der Vergangenheit die Schuld trägt, soll er sich dafür in einem Verfahren verantworten müssen. Die Staatsanwaltschaft nimmt in Todesfällen, bei denen es nach kriminalistischer Erfahrung einen Anfangsverdacht dafür gibt, obligatorisch die Ermittlungen auf.

Was genau wollen die Ermittler herausfinden?

Aufgeklärt werden soll, ob tatsächlich eine Straftat ursächlich war für den Tod der 66-Jährigen. „Wenn sich das bestätigt, kommen mehrere Ursachen in Frage. Deshalb wird zum Beispiel geprüft, ob das verbaute Material in Ordnung war und ob dieses sachgemäß angebracht, gewartet und geprüft wurde“, sagt Bremer. Ein von der Staatsanwaltschaft beauftragter Sachverständiger solle klären, aus welchen Gründen sich die Betonplatte aus der Lärmschutzwand gelöst hat.

Wird der Leichnam der Autofahrerin obduziert?

Ja. Die Staatsanwaltschaft hat die Obduktion der Verstorbenen angeordnet. Erst durch die rechtsmedizinische Untersuchung kann zweifelsfrei und gerichtsfest nachgewiesen werden, dass die Frau durch die Wucht des Aufpralls der Betonwand gestorben ist. Nichts deutet derzeit allerdings auf etwas anderes hin. Mit einem zumindest vorläufigen Obduktionsergebnis ist noch in dieser Woche zu rechnen.

Wie lange werden die polizeilichen und staatsanwaltlichen Ermittlungen noch dauern?

Das kann derzeit niemand abschätzen. Die Behörden stehen noch am Anfang ihrer Ermittlungen zu dem Unglück. Bis womöglich der oder die strafrechtlich Verantwortlichen ausfindig gemacht worden sind, werde es gewiss noch einige Zeit dauern, sagt Oberstaatsanwalt Bremer.

Wie lange dauert es, bis wieder alle Fahrspuren der Autobahn freigegeben werden können?

Auch dazu lässt sich noch nichts sagen. Die Fahrbahnen werden aber erst wieder freigegeben, wenn die Sicherheit gewährleistet ist. Bei den anderen Platten gebe es aber keine weiteren Anzeichen darauf, dass sie lose seien, versichert ein Sprecher vom Landesbetrieb Straßen NRW . 

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