NachrufSängerin Ines Taddio-Bach war die „Grande Dame des Veedels"

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Ines-Taddio-5-Porträt

  • In unserer Serie Nachrufe erinnern wir an Kölner, die in jüngerer Vergangenheit verstorben sind.
  • Bei den Geschichten geht es nicht darum, ob ein Mensch prominent war oder unbekannt, erfolgreich oder verarmt.
  • Es sollen Lebensläufe mit ihren Höhen und Tiefen beschrieben werden. Getreu dem Gedanken: Jeder Mensch hat etwas zu erzählen. Jedes Menschenleben ist einzigartig.

Köln – Als Ines Taddio in den 1950er Jahren mit einem Lehrerdiplom aus der norditalienischen Provinz nach Salzburg kam, um dort Deutsch zu lernen, ließ sie sich nicht träumen, dass aus ihr ein Schlagerstar werden würde. Auf dem Höhepunkt ihrer Karriere als Sängerin zog sie sich aus freien Stücken aus dem Showgeschäft zurück. Im vorigen Januar ist sie mit 92 Jahren in ihrer Wahlheimat Köln gestorben.

Enemonzo ist eine Gemeinde in der Provinz Udine, die in der Region Carnia liegt, und zählt heute rund 1.300 Einwohner. Dort wurde Ines Taddio-Bach, wie sie seit ihrer Heirat hieß, Ende 1928 geboren. Sie war die mittlere von drei Töchtern – die „schönsten Mädchen im Dorf“, wie ihr Sohn Carlo Bach sagt. Die Eltern führten ein Textilgeschäft und ein Lokal mit Poststelle. Alle Töchter ließen sie auf Lehramt studieren. Erste öffentliche Aufmerksamkeit erregte Ines Taddio, als sie 1945 zur „Miss Carnia“ gekürt wurde. Eingeladen, sich um den Titel der „Miss Friuli Venezia Giulia“ zu bewerben, errang sie den zweiten Platz und hätte nun am Wettbewerb zur „Miss Italia“ teilnehmen können. Doch ihr Vater war dagegen. Da sie schon eine gewisse Bekanntheit hatte, bekam sie eine kleine Rolle im Film „Penne nere“ (Schwarze Federn) mit Marcello Mastroianni. Danach wurde es wieder still um sie.

Karriere begann in Österreich 

In Salzburg studierte sie am Kolleg Sankt Sebastian. Ihre Deutschlehrerin, die als Ansagerin eines Musikprogramms beim Österreichischen Rundfunk arbeitete und Klavier spielte, wurde auf ihre schöne Stimme aufmerksam und ermunterte sie, es mit dem Singen zu versuchen. Im Studio von Radio Salzburg trafen sie sich zur Gesangsprobe. Davon machte ein Techniker eine Aufnahme, die ins Radioprogramm gelangte. Jo Balke, der Chef des Senders, war begeistert und bot der Sängerin einen Einjahresvertrag an. Der Grundstein ihrer Karriere war gelegt.

Alles zum Thema Eurovision Song Contest

Vom Vorhaben, ihren Lebensunterhalt als Lehrerin zu verdienen, war keine Rede mehr. Nach einem Intermezzo in der Heimat Italien, wo Ines Taddio beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk Rai unter Vertrag war, kehrte sie nach Österreich zurück. In Zeitungsartikeln, die sie in einem Album gesammelt hat, wird gern hervorgehoben, dass sie blond war. Der eine nennt sie „una bella e delicata bionda“ (eine schöne und zarte Blondine), der andere „una biondissima cantante“ (eine extrem blonde Sängerin). Dass sie mit ihrer Schönheit die Blicke auf sich zog, hatte eine Schattenseite: In Italien seien ihr die aufdringlichen Avancen der Männer zu viel geworden, sagt ihr Sohn. Auch deshalb sei sie wieder fortgegangen.

Ihre Karriere, in Österreich fortgesetzt, nahm an Fahrt auf, als der Hamburger Produzent Heinz Grietz, der schon Caterina Valente entdeckt hatte, durch die Sendung „Musik kennt keine Grenzen“ auf sie aufmerksam wurde und ihr einen Vertrag bei der „Polydor“ gab. 1959 kam dort ihre erste Platte heraus. Vorwiegend sang sie im damals typischen Schlagerstil auf Deutsch, etwa „Die feinen Leute von Paris“, „So wenig Zeit“, „Capitano d’Amore“ und „Frag nicht nach seinem Namen“. Für ein paar Platten schaltete sie auf andere Sprachen um, vor allem auf Italienisch.

Schlagersängerin war auch international erfolgreich

Manche Lieder waren ursprünglich eingebettet in Musikfilme, in denen sie mitwirkte, zum Beispiel „Carosello Italiano“ aus „Und du mein Schatz, bleibst hier“ oder „Die weiße Möwe“ aus dem Streifen „Unsere tollen Tanten“, in dem Udo Jürgens, Trude Herr, Vivi Bach und Bill Ramsey mitspielten. Weitere Rollen im Kino folgten, darunter im Gangsterfilm „Einer frisst den anderen“ mit Hollywood-Star Jane Mansfield. Im deutschen Fernsehen trat Ines Taddio zum ersten Mal als Gast der Sendung „In Hamburg geht man gern an Land“ auf. 

Doch heimisch wurde sie in Köln. „Ich liebe diese Stadt“, sagte sie später, als sie auch familiär an Köln gebunden war. „Ich fühle mich gut hier, fast wie zu Hause.“ Sie schätze die Mentalität der Kölner, deren „Offenheit“, und habe schnell gute Freunde gewonnen. Von der Gründung einer Familie war sie Anfang der 60er Jahre noch weit entfernt; das Fortkommen als Sängerin hatte Vorrang. 1961 trat sie für Deutschland beim internationalen Gesangswettbewerb in Pesaro mit dem Erfolgsschlager „Pigalle“ auf. Im selben Jahr nahm sie am Schweizer Vorentscheid für den Grand Prix Eurovision de la Chanson teil, landete mit ihrem Lied „Eine kleine Melodie“ jedoch nur im Mittelfeld. „Meine Mutter war eine der ersten Sängerinnen, die auch im Ostblock auftraten“, hebt Carlo Bach hervor.

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Zwei Monate dauerte 1964 die Tournee mit dem Jazzorchester Kurt Edelhagen; sie führte unter anderem durch die UdSSR, nach Moskau, Leningrad und Sotschi am Schwarzen Meer. „Moskaus Jugend riss es von den Sitzen“ ist ein Zeitungsartikel überschrieben, in dem als „besondere Überraschung“ vermerkt wird, dass Ines Taddio im Moskauer Sportpalast vor 14000 Zuhörern einen russischen Hit in der Landessprache sang. Über ein Gastspiel in Dresden ist in einem anderen Artikel zu lesen: „Schuhe, Schirme, Jacken wurden vor Begeisterung hochgewirbelt.“

Besonders viele Fans hatte Ines Taddio in Ungarn, durch das sie 1965 mit Vico Torrianni tourte. Vielen Stars begegnete sie im Laufe ihrer Karriere. 1959 stand sie beim Songfestival von Knokke in Belgien auf derselben Bühne wie Edith Piaf und Charles Aznavour. In Hamburg lernte sie die Beatles kennen, die im „Star Club“ in der Nähe des Hotels auftraten, in dem sie einquartiert war. „Ich durfte mit ihnen sogar auf einer Aufnahme im Background-Chor singen“, erzählte sie 2019 im Interview, um kurz darauf zu erwähnen: „Ich habe Frank Sinatra und Quincy Jones kennengelernt, und ich hatte die Ehre, „The Jackson Five“ mit dem kleinen Michael Jackson zu treffen, und war mit ihnen auf Tour.“

Karriere wegen Mutterschaft abgebrochen

Ines Taddio war Ende 30, als sie den zehn Jahre jüngeren Kölner Geschäftsmann Karl Bach kennenlernte. Im April 1966 heiratete das Paar, im Oktober 1967 kam der Sohn zur Welt. Damit war für Ines Taddio-Bach Schluss mit der Karriere. Jetzt stand das Familienleben unverrückbar an erster Stelle, vor allem die Aufgabe, sich um das Kind zu kümmern. „Meine Mutter war supertraditionell“, sagt Carlo Bach; den freiwilligen Abbruch ihrer Karriere habe sie nie bedauert. Karl Bach, mit dem sie in der Rubensstraße über dem Café Wahlen wohnte, betrieb zusammen mit seiner Mutter Josefine ein Keramik-Geschäft auf dem Blumengroßmarkt. „Jeden Sommer gingen wir in Italien Keramik kaufen“, erzählt Carlo Bach. In Köln nahm ihn seine Mutter, die Wert darauf legte, schick auszusehen, und daher nie Kleidung von der Stange kaufte, gelegentlich zum Schneider mit. Es kam vor, dass sie ihm aus demselben guten Stoff, den sie für einen ihrer Mäntel ausgewählt hatte, eine Hose nähen ließ. Eine Schwäche hatte sie für kräftige Farben. Amüsiert sagt ihr Sohn, der in Udine lebt und künstlerischer Direktor beim Triester Kaffeeproduzenten Illycaffè ist: „Deshalb liebe ich alles in Grau.“

„Jeder schwärmte von ihr“

1978 verlor Ines Taddio-Bach ihre große Liebe: Im Alter von 39 Jahren starb Karl Bach an Krebs. Weil in Köln alles an ihn erinnerte, ging sie nach fünf schweren Monaten mit ihrem Sohn nach Italien. Sie wohnten im Haus der Familie in Enemonzo. Fünf Jahre habe seine Mutter Schwarz getragen, sagt Carlo Bach. Als er um die 20 war, kehrte sie nach Köln zurück, um sich um ihre kranke Schwiegermutter zu kümmern. Nachdem diese 1999 gestorben war, blieb Ines Taddio-Bach in der Stadt, in der sie so gern lebte. Zum engen Freund wurde ihr Richard „Ritchy“ Habben, den sie auf der Feier zu seinem 40. Geburtstag kennengelernt hatte. Der Raum- und Gartengestalter, der sie lange betreut hat, beschreibt sie als „Diva“, die stets Lippenrot auftrug, vorzugsweise Kaschmir- oder Kamelhaarmäntel trug und eine Vorliebe für Gepardenfellmuster hatte.

„Sie war die Grande Dame im Viertel, jeder schwärmte von ihr“, sagt Ingeborg Hoppe-Schneidrzig, die ebenfalls mit ihr befreundet war. Zu Ines Taddios Freunden gehörte auch Margret „Ma“ Braungart, die 34 Jahre lang das legendäre Lokal „George Sand“ im Marsilstein führte, in dem vorwiegend Frauen verkehrten. „Ich verstehe nicht, wie eine Frau eine Frau lieben kann, aber da ist immer eine Superstimmung“, zitiert Carlo Bach seine Mutter, die zu den Stammgästen zählte.

Fotografie als neue Leidenschaft in späteren Kölner Jahren

In ihren späteren Kölner Jahren entdeckte Ines Taddio-Bach das Fotografieren für sich; ungezählt sind die Aufnahmen, die sie bei allen möglichen Gelegenheiten machte. 1995 gewann sie bei einem Fotowettbewerb des „Express“ den ersten Preis mit einer Aufnahme, die einen Punker mit Hund auf der Straße zeigt. Auch ihr Sohn fotografiert leidenschaftlich gern, und dessen Tochter Camilla hat in New York und London Fotografie studiert.

Im Alter nahm das Fernsehen viel Raum in Ines Taddio-Bachs Leben ein. Bis in die Nacht ließ sie in Verbundenheit mit der alten Heimat italienische Programme laufen. Ins Seniorenheim habe sie „nie gewollt“, sagt Richard Habben. Ihre letzten Wochen verbrachte sie im Krankenhaus, wo sie im Schlaf starb. Die Urne mit ihrer Asche wird im Familiengrab in Enemonzo beigesetzt.

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