Naturschutz in KölnAbsurde Platanen-Posse um kranken Baum

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Der Bahnhof Belvedere in Müngersdorf

Köln – Die Zeit soll ja Wunden heilen. Das mag sein, hat Mark Twain einmal gesagt, aber sie ist eine miserable Kosmetikerin. Und, füge ich hinzu, eine lausige Konservatorin. Wenn man Kunstwerke einfach nur der Zeit überlässt, werden sie davon jedenfalls nicht besser.

Wie mit dem Bahnhof Belvedere in Müngersdorf auf Zeit gespielt wird, das regt mich umso mehr auf, je länger dieses Theater zwischen Trauerspiel und Groteske dauert. Vor neun Jahren wurde – hauptsächlich von Bürgern aus dem Stadtteil – der Förderkreis Bahnhof Belvedere gegründet. Seither kümmern sich die ehrenamtlichen Helfer um den wahrscheinlich ältesten Bahnhof Deutschlands. Sie haben einiges erreicht. Das Dach ist neu gedeckt, die Fenster sind erneuert und etliches mehr.

Genutzt werden kann das Bauwerk von nationalem und europäischem Rang als EU-Kulturerbe aber nicht, weil die notwendigen Toiletten und eine behindertengerechte Erschließung fehlen. Die Pläne dafür sind längst fertig, und es ist den Bürgern auch gelungen, Fördergelder in Höhe von mehr als einer Million Euro zu akquirieren und sich Zusagen für eine weitere finanzielle Förderung der Sanierung zu sichern.

Die Wurzeln der Platane vor dem denkmalgeschützten Bahnhof Belvedere beschädigen das Fundament des Gebäudes.

Die Wurzeln der Platane vor dem denkmalgeschützten Bahnhof Belvedere beschädigen das Fundament des Gebäudes.

Doch es passiert – nichts. Gar nichts. Denn seit einigen Jahren wird end- und mehr oder weniger ergebnislos über eine dicht am Gebäude stehende Platane gestritten. Ihre Wurzeln gefährden das Fundament des Bahnhofs, herabfallende Äste das Dach und die Mauern. Gefällt werden darf der Baum aber nicht. Der gesamte Park um den Bahnhof steht sowohl unter Denkmal- wie auch unter Naturschutz. Deshalb ist der Platane nicht beizukommen, obwohl klar ist, dass sie den historischen Bahnhof stark gefährdet.

Das Amt für Denkmalschutz erklärt sich hier für nicht kompetent. Das steht wörtlich in einer Antwort von Kulturdezernentin Susanne Laugwitz-Aulbach an die SPD-Ratsfraktion. „Da der geschützte Landschaftsbereich und das Baudenkmal als gleichwertiges und gleichrangig zu erhaltendes Gut zu betrachten sind, kann das Interesse des Denkmalschutzes nicht über den Landschaftsschutz gestellt werden.“ Ein Dilemma? Ich würde eher sagen, ein reichlich absurdes Platanen-Patt.

Mehrere Gutachten

Über die Wurzelverläufe und den Zustand des Baums wurden inzwischen mehrere Gutachten eingeholt. Noch im vorigen Jahr bekam die Platane eine gute Gesundheit attestiert. Jetzt sieht man, dass sie von Massaria befallen ist, einer Pilzkrankheit, die vor allem bei stärkerer Trockenheit auftritt. Im vergangenen Winter hat der Baum armdicke Äste abgeworfen und dabei das neu eingedeckte Dach und die Entwässerungsrinne beschädigt. Eine erneute Begutachtung bestätigt die Alterskrankheit mit der Konsequenz, dass die Kontrollintervalle zu verkürzen sind. Die Folge sind erhebliche zusätzliche Kosten für die Stadt, der die Verkehrssicherung der Bäume obliegt. Bei der Untersuchung der Wurzel trat unter dem Gebäude ein Grundbruch auf. Eine Art Brückenkonstruktion im Fundament soll dieses nun über die Baumwurzel hinwegtragen. Erfahrungsgemäß funktioniert so etwas aber nicht.

An Gutachten, Untersuchungen und – nicht zu vergessen – Sitzungen hat der Baum sicher an die 100 000 Euro gekostet. Welch eine horrende Summe für einen krummen, kranken alten Baum! Mir fehlt dafür inzwischen auch noch das letzte bisschen Verständnis, und ich bin sicher, damit bin ich nicht allein. Umso erstaunlicher finde ich das Durchhaltevermögen des Fördervereins und das nicht erlahmende Engagement seiner fast 300 Mitglieder. Wie mir berichtet wird, verzeichnet der Verein trotz aller Hindernisse sogar Zuwachs.

Bevor sich aber bei allen, denen der Erhalt des Bahnhofs Belvedere am Herzen liegt, der Frust breitmacht, sage ich: Diese Platanen-Posse muss ein Ende haben! Der Baum muss fallen. Abwägungs- und Entscheidungsspielräume müssen so konsequent genutzt werden, wie das andernorts – etwa in Berlin oder Hamburg – auch möglich ist. Und dann fangt endlich, endlich an, den Bahnhof auszubauen! Es könnte sonst gut sein, dass die zugesagten Fördergelder wegfallen. Am Ende blieben womöglich ein ruiniertes Baudenkmal, ein maroder Baum und ein von der Verwaltung verschaukelter Bürgerverein zurück.

Noch ist Zeit, das zu verhindern. Aber, um zum Schluss noch ein Zitat von Marie von Ebner Eschenbach loszuwerden: Wenn die Zeit kommt, in der man könnte, ist die vorüber, in der man kann.

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