Gelungene Integration in LindenthalWie Familie Alsaid in Köln heimisch wurde

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Lindenthaler Freunde – sie arbeiten gemeinsam an der Integration: Elisabeth Hüsson (v.l.), Gerlinde Fullen (verdeckt), Tasmin Alsaid, Norbert Hüsson, Ghada Alsaid, Badr Alsaid, Shahab Alpeso, Hamoudi Alsaid.

Lindenthaler Freunde – sie arbeiten gemeinsam an der Integration: Elisabeth Hüsson (v.l.), Gerlinde Fullen (verdeckt), Tasmin Alsaid, Norbert Hüsson, Ghada Alsaid, Badr Alsaid, Shahab Alpeso, Hamoudi Alsaid.

Köln-Lindenthal – Dunkelheit, Nieselregen und das metallene Drehkreuz am Heimeingang, wo Ahmad Alsaid vor zwei Jahren eiskalt abgewiesen wurde. Norbert Hüsson erinnert sich genau, was geschah, als der junge Syrer seine Eltern im Wohnheim an der Herkulesstraße besuchen wollte. Die Flucht hatte den damals 20-jährigen Ahmad nach Berlin verschlagen, einen Bruder nach Oslo, seine Eltern und zwei seiner Geschwister nach Köln. Weil Ahmad sie so gerne sehen wollte, hatte ein Bekannter Hüsson gefragt, ob er ihn ein Wochenende lang in Köln beherbergen könnte.

„Ich habe Ahmad dann vom Bahnhof abgeholt und bin mit ihm zur Flüchtlingsunterkunft gefahren“, erzählt Hüsson. „Doch weil es schon spät war und keine Heimleitung mehr vor Ort, ließ die Wache uns einfach nicht hinein.“ Hüsson war fassungslos. Er ärgerte sich, dass der junge Mann den weiten Weg gefahren war und nicht zu ihnen gelassen wurde. Sein Zorn hatte auch etwas Gutes. Er schuf eine Verbindung. Für das Familientreffen am nächsten Tag stellten Norbert und Elisabeth Hüsson ihren Garten zur Verfügung.

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Zwei Jahre später sitzt Familie Alsaid wieder dort, mit Sohn Muhammad, Tochter Tasmin, einem Jesiden aus dem Irak namens Shahab Alpeso und seiner Helferin Gerlinde Fullen. Fullen ist wie Norbert und Elisabeth Hüsson Mitglied im Netzwerk Integration Lindenthal, das es sich zur Aufgabe gemacht hat, geflüchtete Menschen zu unterstützen.

Hilfe beim Ausfüllen von Formularen

Die Neuankömmlinge benötigen Hilfe in allen Lebenslagen. Sie müssen zu Behörden und Ärzten begleitet werden, Deutsch lernen, brauchen Hilfe beim Ausfüllen von Formularen und brauchen natürlich auch ein Freizeitprogramm, Menschen die mit ihnen Fußballspielen oder Handarbeiten oder einen Ausflug machen. Schließlich benötigen sie Hilfe bei der Suche nach einer Wohnung und einem Job.

Die Hüsssons haben alle diese Hürden mit den Alsaids gemeistert. Was mit Wut über die Zurückweisung an der Herkulesstraße begann, endete in Freundschaft. Gemeinsam bewältigten sie den „Papierkrieg“, wie die Hüssons die Stapel von Schreiben und Formularen nennen, die auf die syrischen Neuankömmlinge warteten.

Inzwischen haben sie für Familie Alsaid sogar eine dreieinhalb Zimmer große Wohnung in Neubrück gefunden und renoviert. Sohn Mohammad, genannt „Hamoudi“ – auf deutsch so etwas wie „Mohammadchen“ – freut sich: „Das ist meine erste Wohnung seit sechs Jahren.“ Die Vergangenheit ist in den Hintergrund getreten. Die Alsaids schauen jetzt in die Zukunft.

Tasnim ist eine gute Schülerin

Hamoudi hat bereits eine Ausbildung als Webentwickler angefangen. Die 16 Jahre alte Tasnim besucht die Gesamtschule in Bocklemünd. Sie ist eine gute Schülerin, besonders in Mathe und Naturwissenschaften. Später möchte sie vielleicht Kieferorthopädin werden.

„Das hat auch etwas mit Kunst zu tun“, begründet sie ihren Berufswunsch. Vater Badr kann trotz seiner Behinderung – aufgrund einer starken Diabetes musste ihm ein Fuß amputiert werden – demnächst vielleicht in den Riehler Werkstätten arbeiten und Mutter Ghada wird nun mittwochs in der Tafel der evangelischen Kirche in Neubrück helfen. Alle sprechen mittlerweile Deutsch, die Erwachsenen ein bisschen, Hamoudi gut. Tasnim perfekt.

Der irakische Schützling von Gerlinde Fullen, Shahab Alpeso, feilt noch an den nötigen Sprachkenntnissen, um seine Prüfung zu bestehen. Mit dem angestrebten Deutschzertifikat kann er sich für einen Ausbildungsplatz am Antonius-Krankenhaus in Bayenthal bewerben.

„Wir brauchen dringend mehr Helfer“

Shahab hat gute Chancen, die Prüfung zu bestehen – dank Fullens Hilfe. Die Germanistin und ehemalige Kulturdezernentin beim Regierungspräsidenten hat mit ihm gebüffelt und kennt die Schwächen der Sprachkurse für die Neuankömmlinge.

„In den Deutschkursen lernen die Teilnehmer nur die Grammatik, die Praxis und das Sprechen bleiben allerdings oft völlig auf der Strecke“, so ihre Erfahrungen. „Wir brauchen dringend mehr Helfer, die mit den Flüchtlingen häufig sprechen, am besten junge Menschen.“

Gerlinde Fullen hilft gerne im Netzwerk Integration Lindenthal, auch weil sie die arabische Kultur und ihre Schätze so sehr mag. Viele Länder hat sie schon bereist, die Zitadelle und den Basar von Aleppo bewundert. Seit dem Krieg ist damit Schluss. Tasnim – benannt nach einem der Flüsse im islamischen Paradies – kann sie aber trösten: „Wir müssen unbedingt einmal Sauerkirschen-Kebab kochen. Das ist eine typisch aleppische Spezialität.“

Warten auf das Wohnheim in Lindenthal

Der Stadtrat beschloss im Jahr 2014 , auf einem Grundstück an der Dürener Straße eine Unterkunft für Asylsuchende zu errichten. Daraufhin haben engagierte Bürger im März 2015 die Willkommensinitiative gegründet, um die Neuankömmlinge zu unterstützen. Das Wohnheim ist immer noch nicht gebaut. Es soll aber innerhalb diesen Jahres geschehen. Die Initiative hat ihre Aktivitäten hauptsächlich nach Marsdorf verlegt, wo knapp 170 alleinreisende Männer leben, vorwiegend aus Syrien, dem Irak, Afghanistan.

Das Netzwerk Integration Lindenthal sucht weitere ehrenamtliche Mitarbeiter. Interessen können sich per E-Mail melden an die Adresse:

pr-nil@googlegroups.com

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