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NeubauBürger verlangen mehr Gehör

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Hans-Josef Weihrauch engagiert sich im Verein „Wir Fühlinger“.

Hans-Josef Weihrauch engagiert sich im Verein „Wir Fühlinger“.

  • Stadt plant Flüchtlings-Unterkunft in Fühlingen – Streit um die vorgesehene Anzahl der Bewohner

Fühlingen – Genaues weiß eigentlich niemand im Dorf. Nur, dass irgendwann Flüchtlinge im Stadtteil leben sollen. „Wir haben von den Plänen lange nichts mehr gehört“, sagt Hans-Josef Weihrauch, Vorsitzender des Bürgervereins „Wir Fühlinger“. Fakt ist: Auf einem städtischen Grundstück am Ortsrand plant die Stadt eine Flüchtlingsunterkunft. Dabei handelt es sich um ein zweigeschossiges Haus in Systembauweise mit 64 abgeschlossenen Wohnungen sowie Aufenthaltsräumen. Laut Stadt sollen dort 120 Menschen einziehen, überwiegend Familien. Der Baubeginn ist für Juni oder Juli anvisiert, im Frühjahr 2019 soll die Unterkunft bewohnbar sein. Da sich das Areal in einem Landschafts- und Wasserschutzgebiet befindet, sei es zu Verzögerungen gekommen, teilte die Stadt jetzt mit. Eine Befreiung von den Auflagen erteilte der Naturschutzbeirat Ende Januar, er gilt zehn Jahre. Erst dann habe man einen Bauantrag stellen können. Voraussetzung dafür war, dass die Verwaltung zugesichert hat, dass es keine weitere Inanspruchnahme in einem Landschaftsschutzgebiet in Köln geben wird.

Die Stimmung im Dorf sei ruhig, sagt Weihrauch. „Aber wir fühlen uns immer noch ungerecht behandelt.“ Zumal der Bürgerverein einen Dämpfer hinnehmen musste. Im Januar hatten Mitglieder bei der Bezirksregierung eine Kommunalaufsichts-Beschwerde gegen die Stadt Köln eingereicht – die Bau-Entscheidung ist nach Meinung des Bürgervereins rechtswidrig. Die Stadt solle ihre Pläne überdenken. Doch die Bezirksregierung lehnte ab – sie sah keine rechtlichen Verstöße. „Wir Fühlinger“ ließ nicht locker und schrieb die Behörde am 9. Mai erneut an. „Nun harren wir der Dinge, die da kommen werden“, sagt Weihrauch.

Seit dem Ratsentscheid von Dezember 2016 ist der Bau im Dorf umstritten. Damals suchte die Stadt dringend nach Unterbringungsmöglichkeiten, der Strom an Geflüchteten war hoch. 240 Menschen sollten in das Gebäude an der Kreuzung Neusser Landstraße/Blumenbergsweg ziehen – zu viele, sagten die Fühlinger. Ein Zuzug von 240 Kindern, Frauen und Männern würde eine Verteilerquote von bis zu zwölf Prozent bedeuten, die höchste in Köln. Das Dorf zähle 2000 Einwohner, die Infrastruktur sei schlecht. Die einzige Kita im Ort sei überfüllt, es gibt keine Schule, keinen Supermarkt, keine Arztpraxis und nur eine Busverbindung. Man sei von der Entscheidung überrollt und nicht hinreichend informiert worden, das Verfahren sei intransparent, die Verteilung ungleich – viele Flüchtlinge im Kölner Norden, in Lindenthal hingegen nur wenige. „Wir können 80 bis 100 Menschen aufnehmen, das kriegen wir hin und engagieren uns. Aber 240 ist einfach zu viel“, so Weihrauch damals. Auch die Chorweiler Bezirksvertretung lehnte den Bau ab. Bei einem Stadtteilgespräch im vergangenen Februar, an dem Sozialdezernent Harald Rau und der Leiter des Wohnungsamtes Josef Ludwig teilnahmen, korrigierte Ludwig die Zahl der geplanten Flüchtlinge bereits auf 120 nach unten. Weihrauch ist skeptisch: „Es soll trotzdem eine Unterkunft für 240 Menschen gebaut werden. Warum?“ Wie die Stadt inzwischen erläuterte, ist dies eine Auflage der Unteren Naturschutzbehörde: Die Unterkunft darf in dem Schutzgebiet nur entstehen, wenn sie bloß zu 50 Prozent belegt wird. Die zunächst freien Plätze werden als Reserve für den Fall vorgehalten, dass die Flüchtlingszahlen wieder deutlich steigen sollten. Dann allerdings müsste vor einer Änderung der Belegungszahl zwingend die Zustimmung der Unteren Naturschutzbehörde eingeholt werden, so die Verwaltung.

Der Frust wegen des bisherigen Vorgehens der Stadt ist bei vielen Fühlingern dennoch so groß, dass sich bislang keine offizielle Gruppe des Bürgervereins gegründet hat, die sich um die Flüchtlinge kümmern wird. In Esch, Worringen und Blumenberg hatten sich bereits im Vorfeld freiwillige Helfer zusammen geschlossen, um die Menschen willkommen zu heißen und zu integrieren. „Daran denken wir derzeit nicht, wir fühlen uns allein gelassen“, sagt Weihrauch. „Die Fühlinger sind sauer darüber, wie mit dem Thema umgegangen wird. Wir wollen fair behandelt werden.“

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