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Neues BuchWie Joseph Goebbels' mörderische Entwicklung in Köln begann

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Joseph Goebbels während einer Rede

Köln – Die großen Verbrechen wird der junge Mann aus Rheydt zwar erst später begehen, aber einen problematischen Werdegang lässt Paul Joseph Goebbels bereits erkennen, als er am 2. Januar 1923 bei der Dresdner Bank in Köln anheuert. Über seine Freundin hatte der 25-jährige Germanist und erfolglose Literat seinen Job als Depotbuchhalter bekommen. Die Arbeit an der „Kölner Wall Street“ Unter Sachsenhausen ist ihm zuwider, die Bank bezeichnet er als „Tempel des Materialismus“.

Obwohl er keine beruflichen Alternativen hat, lässt sich Goebbels krankschreiben und fährt in den Urlaub, anstatt das Bett zu hüten. Dafür bekommt er prompt die Kündigung serviert, wird einer von 120.000 Kölner Arbeitslosen und wendet sich fortan der NSDAP und Adolf Hitler zu. Köln als Ausgangspunkt einer mörderischen Entwicklung also.

Anselm Weyer beschreibt spektakuläre Kölner Mordfälle

Wenngleich Goebbels die Hyperinflation von 1923 noch ausnutzt, um ein Darlehen besonders günstig abzubezahlen und dafür verklagt wird: Der spätere Reichspropagandaminister und skrupellose Gauleiter Berlins agiert in seiner kurzen Kölner Zeit (noch) harmlos im Vergleich zu den anderen Protagonisten, deren Taten Anselm Weyer in seinem neu erschienenen Buch „Die Insel der Seligen – True Crime Köln“ beschreibt. Der Journalist und Historiker erzählt auf packende Weise wahre Kriminalfälle in der brodelnden Zeit zwischen dem Ende des Ersten Weltkriegs und Mitte der 1920er Jahre nach. Es sind Jahre der politischen Unruhen, der englischen Besatzung und des Hungers, in denen auch in Köln immer wieder spektakuläre Mord- und skurrile Zwischenfälle aktenkundig werden.

Alles zum Thema Polizei Köln

Magda Brückner, Obsthändlerin in der Markthalle am Heumarkt, stranguliert aus Habgier ihre Geschäftspartnerin mit einem Lederriemen. Johann Mörs schneidet seiner Ex-Geliebten mit dem Rasiermesser die Kehle durch. Josefine Helene Erpelt wird bei einem Raubüberfall in ihrer Wohnung am Kaiser-Wilhelm-Ring ermordet und um Geld und Wertsachen im damaligen Wert von 20 Millionen Mark erleichtert. Der 27-jährige Künstler Max Ernst rebelliert gegen überkommene Kaisertreue, indem er mit Freunden eine monarchistische Vorstellung im Schauspielhaus sprengt.

Historische Kölner Orte mit Leben und Tod gefüllt

Historische Kölner Orte werden in den 23 Episoden detailreich mit Leben, Tod und polizeilichen Ermittlungen gefüllt. Material geben die zeitgenössischen Quellen, die Anselm Weyer ausgewertet hat, offenbar reichlich her.

Manchem Täter spielen die politischen Umwälzungen auch in die Karten. Oberbürgermeister Konrad Adenauer gibt im Herbst 1918 zwar noch die Order, die meuternden Matrosen aus Kiel, die sich auch für Köln ankündigen, festzusetzen. Doch daraus wird nichts: 200 Marine-Deserteure, die keinen Sinn mehr darin sehen, sich für einen verlorenen Krieg zu opfern, machen sich im Zug auf den Weg, um ihre Kameraden aus dem Stammgefängnis für Marinegefangene zu befreien.

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Im Klingelpütz befreien sie nebenbei auch den 23-jährigen Rudolf Hombach, der unter anderem wegen Mordes an einem Polizisten einsaß. Der nutzt die Gunst der Stunde, taucht unter und erst 1925 wieder auf. Hombach wird erneut festgenommen und kommt ins Zuchthaus. Die meisten anderen Kölner freuen sich kurze Zeit später über den „Tag der Freiheit“: Das britische Militär verlässt Anfang 1926 die Stadt. Das Zusammenleben von Kölnern und Besatzern war natürlich auch nicht immer unblutig verlaufen.

Anselm Weyer, „Die Insel der Seligen – True Crime Köln 1918 - 1926“ Greven Verlag, 176 Seiten, ISBN 978-3-7743-0949-4

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