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Rap-MusicalKölner Serie ist bald auf Netflix zu sehen

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Patrick und Esra Phul sind die Macher der neuen Serie„Hype“.

  • „Hype“ ist eine neue Rap-Musical-Serie, die ab dem 6. Mai in der ARD-Mediathek zu sehen ist.
  • Geschrieben und produziert wurde sie vom Kölner Ehepaar Patrick und Esra Phul.
  • Beide wollen authentische Geschichten aus Porz erzählen – und erklären im Interview, warum das bei ihnen so viel authentischer ist, als in anderen Serien.

Köln-Porz – „Wir leben in der Vorstadt, abgetrennt von der Großstadt“ – diese Sätze rappt Soufiane El Mesaudi in seiner Rolle als „Musa“ in der neuen Rap-Musical-Serie „Hype“. Die Vorstadt heißt Porz, die Großstadt heißt Köln – und die von den Porzern Esra und Patrick Phul entwickelte Serie will die Geschichten der Menschen aus dem Stadtteil selbstbestimmt und modern erzählen.

Entstanden sind fünf sehr sehenswerte Folgen, die in der ARD-Mediathek und auf Youtube zu sehen sind – und ab Samstag, 1. Juli, auch beim Streamingdienst Netflix.

Warum Porz sein eigenes Format verdient hat, was die Macher an anderen Rap-Serien stört und warum sie sich für das Musical-Genre entschieden haben, haben sie beim Interview mitten in Porz-Finkenberg erzählt.

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Porz als vergessener Stadtteil Kölns

„Porz ist der vergessene Stadtteil von Köln“, sagt Patrick Phul auf dem „Platz der Kulturen“, zwischen Friseursalon, Döner-Imbiss und Handy-Shop. Phul ist in Porz aufgewachsen. „Ich habe meine wichtigsten Jahre hier verbracht, meine Teenager-Zeit. In dem Alter fing es bei mir an, dass ich mich mit dem Ort identifiziert habe. Es war irgendwann wichtig, wo man herkommt und woher die Eltern kommen. Man hat dann schnell gemerkt, dass Porz anders ist als die anderen Stadtteile“, sagt er.

Im Vergleich zur linken Rheinseite würde hier viel weniger investiert, meint auch seine Frau Esra. Sie kommt aus Rösrath, fand als Jugendliche aber Anschluss in der Gegend und lernte ihren Mann Patrick kennen. „Hier in Porz habe ich mich endlich zugehörig gefühlt“, sagt sie.

„In diesen Hochhäusern steckt so viel Talent“

Während es für viele darum geht, es aus Porz „rauszuschaffen“, sind beide bewusst wieder hierhingezogen. „In diesen Hochhäusern steckt so viel Talent“, heißt es in einer Songzeile in „Hype“. Esra und Patrick Phul wollen es zeigen. Die Serie ist für beide der erste Schritt auf dem Weg dorthin.

In „Hype“ geht es um den Porzer Musa (El Mesaudi), der gerade ein bürgerliches Leben beginnen will. Nach zwei Jahren Zeitarbeit verspricht er sich eine Festanstellung, will seine Mutter und seine Schwester mit seinem Lohn unterstützen. Als es mit dem Job dann aber doch nicht klappt, will Musa seinen „Hype“, also seine Anerkennung und Aufmerksamkeit, durch Rap erlangen. Ihm gegenüber steht Naila (Nora Henes) – sie hat es als Influencerin eigentlich schon aus Porz rausgeschafft – bemerkt dann aber, dass ihr altes Ich in der Social-Media-Scheinwelt nicht willkommen ist.

Die Lebensrealität der Menschen aus dem Viertel zeigen

Esra und Patrick Phul kennen das Gefühl, sich anhören zu müssen, man käme aus dem „Ghetto“, sich für seinen Wohnort schämen zu sollen. „Es wird immer nur über Kriminalitätsstatistiken gesprochen, in einem Teil von Porz würde so viel schieflaufen. Dabei muss man sich doch mal fragen, woran das liegt! Keiner möchte gerne mit Drogen dealen, auch Musa in der Serie nicht. Aber bevor am Ende des Tages kein Essen auf dem Tisch steht, haben viele keine andere Wahl“, sagt Esra Phul.

Den Serienmachern ist bei „Hype“ daher besonders wichtig, dass die Geschichte so erzählt wird, wie sie der Lebensrealität vieler Porzer und Menschen anderer benachteiligter Stadtteile in Deutschland besonders nahe kommt.

Laiendarsteller aus Köln-Porz spielen mit

Dazu hat das Ehepaar fast ausschließlich mit Laiendarstellern zusammengearbeitet. „Soufiane El Mesaudi, der ‚Musa‘ spielt, kenne ich schon seit Jahren und habe auf Social Media verfolgt, dass er als ‚Safo‘ Musik macht. Ich habe hier selbst früher gerappt und habe immer im Blick, was die Leute aus der Gegend hier machen“, erklärt Patrick Phul. „Ich habe ihn dann einfach über Instagram angeschrieben und gefragt, ob er mitmachen will.“ Neben dem Drehbuch und der Regie hat das Ehepaar auch das komplette Casting übernommen, wollte die Menschen auf den Bildschirm bringen, die aus Porz kommen und zur Story passen.

„Das war natürlich auch ein Risiko, vor allem, weil wir die Dialoge nicht komplett ausgeschrieben haben und es Platz für Improvisation gab. Das hat aber dazu geführt, dass unsere Darstellerinnen und Darsteller wirklich authentisch gesprochen haben“, so Esra Phul.

Musik als zentraler Bestandteil der Serie

Das Unmittelbare, die echte, rohe Sprache und die neuen und unverbrauchten Gesichter tragen maßgeblich zum Gelingen von „Hype“ bei. Ebenso wie das Musical-Format. „So etwas hat man in Deutschland noch nicht gesehen“, so Patrick Phul. Das Ehepaar ist großer Fan von Musical-Produktionen. Nur die meist sehr poppige Musik sei nicht ganz ihr Geschmack. „Wir haben dann gedacht – wie geil wäre es eigentlich, wenn wir ein Musical machen, aber mit der Musik, die wir feiern? Also Rap?“

Während in andern Serien die Songs im Hintergrund in atmosphärischen Szenen laufen, steht die Musik und Tanz in „Hype“ im Mittelpunkt. Dialoge und Szenen leiten auf die Lieder über, die von den Darstellerinnen und Darstellern performt werden. Dass auch die Songs dabei mit ihrer Qualität überzeugen, liegt auch am Verantwortlichen für die Filmmusik: Samuele „Frio“ Frijo produziert aktuell für Deutschlands größte Hip-Hop-Künstlerinnen und Künstler, darunter Shirin David.

„Wurde Zeit, dass wir unsere Geschichte selbst erzählen“

Das Herzblut und die Leidenschaft, die das Ehepaar Phul in das Format gesteckt hat, sind in jeder Minute spürbar. „Es wurde Zeit, dass wir unsere Geschichte endlich mal selbst erzählen“, sagen beide. Was sie damit meinen: In vielen anderen sogenannten urbanen Formaten, in denen es um benachteiligte Viertel und Hip Hop geht, kommen weiße und privilegierte Produzenten und Regisseure in die sogenannten „Brennpunkte“, profitieren von der Story der Menschen dort, verdienen viel Geld damit - und sind dann wieder weg. Vor Ort profitiert nachhaltig kaum jemand. Zuletzt war beispielsweise die Serie „4 Blocks“ damit sehr erfolgreich.

Mit „Hype“ wollen die Phuls alles anders machen, haben die Serie organisch entwickelt. Mit ihrer Produktionsfirma „Picture Me Rollin‘“ haben sie noch große Pläne. „Wir fangen gerade erst an. Wenn man uns die nötigen Mittel gibt, wollen wir Formate machen, die international erfolgreich sein können. Dann können wir sogar Hollywood“, sagt Esra Phul.

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