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Neustart in der PandemieWie Köln den Tourismus nach Corona-Einbrüchen ankurbeln will

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Blick auf Köln

Köln – Die Passagiere von Kreuzfahrtschiffen flanieren durch die Altstadt, Reisegruppen aus China eilen durch den Dom und kaufen in den Luxusläden drumherum ein. Die Briten kommen zu den Weihnachtsmärkten, die Holländer zum Shoppen. Dazu füllen noch verlässlich die Messebesucher aus aller Welt die Hotels.

So sah bisher das recht rosige Bild des Tourismus in Köln aus. Noch im Februar 2020, also unmittelbar vor der Corona-Krise, verzeichnete die Stadt bei den Übernachtungen einen Rekordwert. Köln boomte. Viele neue Hotels waren in Planung.

Tourismus ist riesiger Wirtschaftsfaktor

Doch durch die Pandemie kam der Einbruch: keine internationalen Gäste, keine Messen, keine Großveranstaltungen. „Wir stehen bei Köln-Tourismus vor einer Neuausrichtung und das liegt nicht nur an der Krise“, sagt nun Geschäftsführer Jürgen Amann. Er selbst ist erst im Februar 2020 aus Dresden nach Köln gekommen, arbeitete also von Anfang an im Krisenmodus.

Und das war und ist ein hartes Stück Arbeit. Der Tourismus muss bald wieder laufen, denn er ist ein riesiger Wirtschaftsfaktor für die Stadt. Die Branche machte 2019 einen Umsatz von 5,6 Milliarden Euro. 35.000 Arbeitsplätze hängen mittelbar oder direkt vom Tourismus ab – er ist damit der größte Arbeitgeber in der Stadt. Corona brachte 2020 Umsatzausfälle von 2,7 Milliarden Euro.

Früher habe man als Tourismus-Amt eher reagiert, jetzt wolle man selbst agieren und steuern, so Amann. Früher habe man gefragt: „Was machen wir für die Leute, die hierher kommen? Jetzt fragen wir: Welche Zielgruppen wollen wir ansprechen? Wer soll Köln in fünf bis zehn Jahren besuchen?“ Amann will das aber ich nicht als Kritik an seinen Vorgängern verstanden wissen. „Das hat man überall so gemacht, das war state of the art.“

Die Herzlichkeit ist in Köln einzigartig

Statt dem „Wir lassen kommen“ stehe nun die Ansprache von Zielgruppen im Vordergrund. Mit der Rückkehr der internationalen Gäste rechnet Amann frühestens 2023. Nun wolle man sich – auch langfristig – auf Gäste aus Deutschland und den Nachbarländern konzentrieren. Und zwar mit dem Alleinstellungsmerkmal der Stadt. Das sei in zahlreichen Workshops herausgearbeitet worden. „Die offene Herzlichkeit macht Köln einzigartig“, sagt Amann.

Ein neues Werbemotiv zeigt Menschen etwas überbetont lässig in einem steril wirkenden Restaurant, auf weiteren geht es um Brauhäuser, Karneval und das Leben in den Veedeln. Dementsprechend heißt die Kampagne „In Kölle ze Hus“. Und auch die Lesben- und Schwulencommunity soll gezielt angesprochen werden. Jüngere Menschen und die kaufkräftigen Gäste zwischen 45 und 55 Jahren sind auf dem Radar.

Dazu hat Köln-Tourismus unter anderem Veedelclips gedreht. Da geht es etwa um Streetart im Belgischen Viertel, kleine Geschäfte auf der Maastrichter Straße und eine Büdchentour durch die Südstadt samt Wegbier. Die Clips sind gut gemacht, in dem Beitrag über Mülheim können sicher auch viele Einheimische noch Neues entdecken.

Ein „sehr mobiles, digital-affines und experimentierfreudiges“ Publikum soll mit dem vor kurzem enthüllten großen Wandbild in Berlin-Friedrichshain angesprochen werden. Ob das gelingt, bleibt abzuwarten. Sind doch auf dem Mural recht klischeehaft der Dom, der Hennes, der Hai und eine Regenbogen-Unterhose dargestellt. Letztere soll die Queer-Freundlichkeit der Stadt symbolisieren. So ganz hat man den Stil wohl noch nicht gefunden.

Werben um Städtetouristen 

Verstärkt um Städtetouristen geworben wird derzeit auch mit Bannern in großen deutschen Bahnhöfen wie Berlin, Frankfurt und Hamburg sowie in den Nachbarländern. Positiv bewertet Amann in diesem Zusammenhang die jüngsten Hotel-Neueröffnungen in Köln wie das Ruby am Ring oder das Motel One in der Deutzer Messe-City – schicke, auf eher junges und ausgehfreudiges Publikum ausgerichtete Häuser. Schmucklose Ketten-Hotels in Gewerbegebieten würden in Zukunft wohl eher Schwierigkeiten haben.

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Also: Mehr Veedel, weniger Altstadt? Weniger Dom, mehr Streetart? Mehr junge Leute, weniger kulturbeflissene Rentner? Mehr Restaurantszene, weniger Museen? Werden da nicht einige Institutionen in der Stadt beleidigt sein? Amann: „Alle Angebote sind wichtig, aber die Frage für uns ist: Was stellen wir ins Schaufenster, mit dem wir Interesse bei den Menschen wecken?“ Das sei wie in einem gut sortierten Geschäft.

An der Sortierung dieses Geschäfts werde nun weiterhin intensiv gearbeitet. Was die Zukunft angeht, macht sich Jürgen Amann keine Sorgen, auch wenn es noch ein bisschen Geduld brauche: Die Gäste würden wiederkommen. „Die Leute wollen raus, sie wollen reisen. Wir werden wieder Rekorde sehen.“ Ab 2024, so Amann, wird die Besucherzahl wieder so hoch sein wie zu guten Zeiten. Auch wenn sich das Publikum vielleicht etwas verändert.  

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