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Ausstellung in Köln-LongerichGepackte Koffer für die allerletzte Reise

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Longerich – Alle 103 Personen, die sich an der Ausstellung beteiligten, standen vor der gleichen Frage: Angenommen, ich würde mich auf meine allerletzte Reise ohne Wiederkehr begeben, und habe als Gepäck nur einen kleinen Koffer zur Verfügung – was nähme ich mit? Oder, allgemeiner formuliert: Was ist mir wirklich wichtig im Leben – so wichtig, dass ich es bis zum letzten Moment bei mir tragen möchte? Die Ergebnisse sind in der Kirche St. Bernhard zu besichtigen, und der Gang durch die Ausstellung ist berührend.

Es fällt auf: Obwohl die Teilnehmer ihren Koffer natürlich für sich allein gepackt haben, gibt es Parallelen. Oft kommen Fotos von nahe stehenden Menschen, Bücher und Zeitschriften, Plüschtiere, oder auch eine gute Flasche Wein und eine Schachtel Zigaretten mit auf die Reise – doch auch skurrile und höchstpersönliche Dinge, welche die Biografie und das Leben der Teilnehmer spiegeln: Schmuck, Tierfutter und Hunde-Leckerli-Knochen, Puppen oder auch ein symbolisches Herz. Oder symbolische Begriffe wie „Liebe“ und „Dankbarkeit“.

Ein Teilnehmer legte den Kofferboden mit einer Spiegelscheibe aus. Denn: „Erst im Tod erblickt man sich selbst.“ Einige entschieden sich bewusst auch dafür, den Koffer leer zu lassen. „Ich kam ohne Gepäck, und ich gehe ohne“, schreibt etwa ein Mann auf den erläuternden Zettel auf der Koffer-Innenseite. Mit einem Porträtfoto und einem Kurzsteckbrief, über jedem der Koffer angebracht, stellen sich die prominenten und nicht-prominenten Menschen aus Köln und der Region, die mitgemacht haben, den Betrachtern kurz vor. Darunter auch Kabarettist Jürgen Becker, der eine Pfeife mit Tabak eingepackt hatte oder „Körperwelten“-Initiator Gunther von Hagens.

Die ursprüngliche Idee zur Ausstellung hatte der 2012 verstorbene Fritz Roth aus dem Bergisch Gladbacher Bestattungs-Institut Pütz-Roth; voran gegangene Ausstellungen waren bereits an 58 Orten in Deutschland und in der Welt zu sehen; darunter 2017 sogar in Mexiko-Stadt, organisiert vom dortigen Goethe-Institut. Die bisherigen Ausstellung zählten zusammen rund zwei Millionen Besucher.

Nun gibt es eine Neuauflage in Longerich, als pastorales Projekt in Kooperation mit der Pfarrei St. Dionysius und ihren angeschlossenen Einrichtungen wie den Kitas, dem St.-Nepomuk-Hospiz, der Bücherei oder dem Jugendzentrum „Lino-Club“. „Als ich im Oktober 2017 als neuer Pastor eingeführt wurde und aus dem Bergischen Land hierhin zog, musste ich mich entscheiden, was mir wirklich wichtig ist“, erläuterte Timur Bagherzadeh bei der Ausstellungseröffnung in St. Bernhard vor 130 Besuchern, von Gemeindemusikerin Maria Bennemann am Klavier und Burkhard Corbach am Saxofon begleitet. „Man sagt ja nicht umsonst: Drei Mal umgezogen ist wie einmal abgebrannt.“ Mit Gruppen sei er vor einigen Jahren bei einer Koffer-Ausstellung in den Bestatter-Räumen in Bergisch Gladbach gewesen, die ihn berührt habe. „Es fordert uns heraus, darüber nachzudenken, was wir selbst auf unsere Reise mitnehmen wollen – egal, ob sie bald, oder noch lange nicht ansteht. Ich hoffe, dass es viele Anknüpfpunkte gibt, zu entscheiden, was uns wichtig ist.“

Schließlich richtete der Sohn des verstorbenen Initiators Fritz Roth – und heutige Mit-Geschäftsführer – David Roth sein Grußwort an die Besucher und zitierte dabei aus dem Geleitwort seines Vaters. „Innehalten fällt uns schwer, wir sind rastlos – und so packen wir unseren Lebenskoffer immer weiter voll, was das Gehen schwer macht.“ Er selbst sei stets gespannt gewesen, was die an die Teilnehmer verschickten schwarzen Koffer enthalten würden. „Die Resonanz war wunderbar und erstaunlich zugleich: Die zurückgesandten Koffer waren fantasievoll und ideenreich gepackt.“ Sein Fazit: „Die Frage, was nach dem Leben ist, können wir zwar nicht beantworten. Aber die Ausstellung bringt uns näher in der Entscheidung, was im Leben wirklich zählt.“ Die Ausstellung sei wichtig, ergänzte David Roth, weil der Tod heute nicht mehr ein so vertrauter Teil des Lebens sei. „Nur den eigenen Tod stirbt man – die anderen muss man leben.“

DAS RAHMENPROGRAMM

Die Ausstellung ist bis Freitag, 12. April, in der Kirche St. Bernhard, Hansenstraße 39, zu sehen. Geöffnet ist sie im Rahmen von Gottesdiensten, zusätzlich dienstags und donnerstags von 10 bis 12 Uhr sowie freitags von 16 bis 18 Uhr. Ein umfangreiches Paket an Begleitveranstaltungen rund um Abschied, Trauer und das Leben nach dem Tod begleitet die Ausstellung. „Vom Tod zum Leben“ heißt zum Beispiel der Themenabend rund um die Forschung zu Nahtod-Erfahrungen am heutigen Dienstag, 26. März, 19.30 Uhr, im Generationenhaus an St. Bernhard, Christoph-Probst-Straße 1. Dort referiert Michael Begerow-Fischer, Krankenhaus-Seelsorger im Helios-Uniklinikum Wuppertal, sowie Otto Zech, der eine solche Grenzerfahrung selbst gemacht hat, die das weitere Leben der Person oft grundlegend verändert. Sämtliche Veranstaltungs-Termine finden sich auf der Gemeinde-Website. (bes)

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