Abo

Der AlleskönnerKölner Fotokünstler Boris Becker ist ein Bulli-Fan

Lesezeit 5 Minuten
20200514-MAX-vwoldtimer15

 Boris Becker und sein VW-Bus T3

Köln-Nippes – Sein Atelier hat Boris Becker in Nippes, einen Steinwurf davon entfernt liegt seine Wohnung. Doch oft muss der bekannte Fotokünstler und Filmemacher raus aus seinem Heimat-Stadtteil. Güterwaggons auf alten Wüsten-Gleisen, Konzertflügel in längst verlassenen Festsälen oder Hochbunker aus dem Zweiten Weltkrieg findet man schließlich nicht auf dem Weg zum Supermarkt.

Es sind vor allem surreale, menschenleere Orte, denen der 59-Jährige auf der ganzen Welt nachspürt – wenn nicht gerade eine globale Pandemie wütet. Wenn er auf Fotoreise geht, steigt Boris Becker gerne in seinen weißen VW-Transporter vom Typ T3, wahlweise fungiert der letzte „Bulli“ mit Heckmotor auch als Campingmobil, Umzugshelfer und Kilometerfresser. An diesem Nachmittag muss der 34 Jahre alte Diesel-Laster jedoch nur ein paar Kilometer abspulen. Vor dem Kurzausflug durch den Kölner Norden befreit Boris Becker seinen Alleskönner von einer Park- und einer Lenkradkralle – Sicherheitsmaßnahmen, die der Bulli-Besitzer aus gutem Grund getroffen hat.

Deshalb habe ich ihn:

Als Fotograf brauche ich ein Auto, mit dem ich Material, Bilder und Ausrüstung transportieren kann. Den ersten T3 habe ich schon im Zivildienst 1981/1982 gefahren, als ich beim Roten Kreuz in Mülheim gearbeitet habe und dieser kantige Bulli gerade relativ neu auf dem Markt war. Nachdem ich zuerst einen riesigen DAF 400 hatte, bin ich 2009 bei einem blauen T3 von 1988 gelandet. Doch der wurde mir vor vier Jahren in Nippes gestohlen.

VW Transporter T3

Baujahr: 1986

Hubraum (ccm): 1600

Zylinder: 4PS: 50km/h (max.): 110

Verbrauch: 7 Liter

Gebaute Exemplare: 1,3 Mio.

Neupreis: nicht bekannt

In der Regel werden die gestohlenen VW-Busse zum Hafen von Antwerpen gebracht und von da nach Afrika verschifft. In Köln hat man es tatsächlich geschafft, mit Hilfe eines Radarfotos eine Bulli-Bande auszuheben. Dieses Foto wurde von jemandem gemacht, der mit einem gestohlenen T3 auf der Zoobrücke unterwegs war. Das weiß ich aus einem Gespräch mit einem Polizisten einer Kölner Sonderkommission, die gegründet wurde, weil im Kölner Raum immer mehr Bullis abhanden kamen. In Antwerpen und im Kölner Umland hat man zwar diverse VW-Busse sichergestellt, aber meiner war leider nicht dabei. Der emotionale Schaden war sehr groß: Mit dem blauen T3 sind wir viel rumgefahren in ganz Europa, meine Kinder sind darin quasi groß geworden. Wahrscheinlich habe ich mir aus nostalgischen Gründen danach meinen jetzigen T 3 gekauft.

Das kann er:

Seine Vorteile sind Zuverlässigkeit, Wartungsfreundlichkeit, eine gute Ersatzteilversorgung, hohe Sympathiewerte und gute Nutzbarkeit. Er ist mit seinem 50-PS-Dieselmotor auch sparsam und außerdem variabel einsetzbar als Arbeitstier, Campingwagen und Reiselimousine.

Besonders schätze ich aber an ihm, dass er so kompakt ist wie ein Pkw. Das ist eben eine eierlegende Wollmilchsau. Der T3 ist einfach ein geniales Auto. Wenn ich früh morgens etwas fotografieren muss, ist es praktisch, dass ich im Bulli übernachten kann, so bin ich unabhängiger.

Das kann er nicht:

Am Berg knickt er ein wie sonst was. Bergauf mit vier Leuten und Gepäck werde ich von allen Lastwagen überholt. Ich bin damit mal mit meiner Familie durch den Gotthardtunnel gefahren, da habe ich Blut und Wasser geschwitzt. Auch in Berlin und Leipzig war ich mit dem T3, an der Nordsee und an der Ostsee, habe Umzüge gestemmt und lange Urlaubsfahrten gemacht. Aber alles nur maximal mit Tempo 100. Dann ist der Diesel aber richtig laut, er dröhnt enorm. Die Windschlüpfrigkeit lässt auch zu wünschen übrig, man nennt ihn auch den fahrenden Ziegelstein. Letztendlich ist auch der Heckmotor unpraktisch, beim Beladen ist er im Weg.

Das habe ich für ihn getan:

Ich habe noch nie so ein zugespachteltes Auto gesehen. Der Bulli war ein absoluter Blender, ich hätte nie gedacht, dass man aus Spachtelmasse solche Formen schaffen kann. Ich hatte ihn auf Ebay blind gekauft, davon kann ich jedem Oldtimerliebhaber nur abraten. Ich bin also auf die Nase gefallen. Als erstes lief an der Tankstelle Diesel aus dem Tank, auf der Autobahn folgte dann die Erkenntnis, dass das Getriebe schlecht lief. Das alte Viergang-Getriebe habe ich durch ein Fünfgang-Getriebe ersetzt, für eine bessere Kraftverteilung dieser sagenhaften 50

PS. Auch die Bremsen sind neu. Ich habe ganz viel Rost entfernt und zum Schluss den Bulli selbst lackiert. Ein Auto soll für mich zwar technisch und optisch gut sein, aber ich will kein Museumsstück haben.

Das haben wir erlebt:

Ich fotografiere gern Landschaften, Industriebrachen oder andere verlassene Gelände. Mit dem Bus bin ich zum Beispiel zu einer Brücke in Italien gefahren, die sich bei Livorno über eine Schlucht spannt, die direkt zum Strand führt. Dabei hat sich ausgezahlt, dass der Bus ziemlich wendig und kompakt ist. Ich musste nämlich einen ziemlich engen Pfad runterfahren zum Fuß einer alten Eisenbahnbrücke, von der aus ich das Foto gemacht habe. Alles dort war ziemlich eng.

Das haben wir vor:

Ich möchte den Bulli als Mobil zum Wellenreiten ausbauen. Dazu brauche ich einen Dachträger. Als ich noch den blauen T3 hatte, habe ich mir einen Subaru SVX gekauft, dessen 230-PS-Motor ich eigentlich in den Transporter einbauen wollte. Dann ist mir der Bulli ja geklaut worden. Den Subaru habe ich aber immer noch, vielleicht wandert sein Motor irgendwann in den jetzigen Bulli.

Das könnte Sie auch interessieren:

Ich will einfach nicht mehr am Berg verhungern. Manchmal ist meine Ungeduld dafür einfach zu groß. Übrigens habe ich die Hoffnung, dass es meinen gestohlenen Bulli noch irgendwo gibt.

Im Internet habe ich ein Foto aus Nigeria gefunden, auf dem gefühlt 25 gelb lackierte T3-Busse als Taxis zu sehen sind.

KStA abonnieren