Kölner Buchhandlung„Du gestaltest dein Veedel, der Kassenbon ist dein Stimmzettel“

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Die Gründer des Buchladens Christian Jakobs und Dieter Aretz-Göpp mit der heutigen Geschäftsführerin Dorothee Junck.

Köln-Nippes – Das erste Buch, das nach Eröffnung über die Ladentheke der Buchhandlung Neusser Straße ging, waren „Die drei Fragezeichen“. Ein etwa zwölfjähriger Junge war der erste Kunde von Christian Jakobs und Dieter Aretz-Göpp. Das ist mittlerweile 40 Jahre her. Der Erfolg der Jugendbuchreihe ist seitdem unverändert.

Der Buchmarkt aber hat sich seit damals dramatisch gewandelt. Das wissen die früheren Betreiber Christian Jakobs und Dieter Aretz-Göpp genauso gut wie ihre Nachfolgerin Dorothee Junck: Konkurrenz durch Filialisten, der Online-Handel und Veränderungen der Einkaufsstraßen in den Vierteln fordern viele Buchhändler heraus.

Online-Bestellungen tun weh

„Niemand hat mehr die Notwendigkeit, ein Buch stationär zu kaufen. Also müssen wir einen Mehrwert schaffen“, sagt Junck. „Wir suchen das persönliche Gespräch mit den Kunden, kennen die Lesegewohnheiten, veranstalten regelmäßig Lesungen.“ Und wer es etwa nicht bis zum Buchladen schaffe, kann sein Buch an fünf Stellen im Stadtteil abholen. All das wird gemacht, um dem großen Online-Konkurrenten nicht noch mehr Leser zu überlassen – Amazon.

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Mittlerweile steigt Junck auch nicht mehr mit Titeln in hoher Stückzahl von mehreren Hundert Exemplaren ein; denn der US-Konzern hat zu dem Zeitpunkt schon längst seine personalisierten Informationen gestreut. „Uns tut es weh, wenn der Kunde seine Bestseller online bestellt. Denn eine gute philosophische Abteilung können wir nur deshalb unterhalten, weil wir auch die großen Titel führen“, erläutert die Kölnerin. „Du gestaltest dein Veedel, dein Kassenbon ist der Stimmzettel“, betont sie. Konkurrenz sei im Buchhandel nicht unbedingt belebend, denn es besteht die gesetzliche Buchpreisbindung.

„Es ist schön, Anerkennung, zu bekommen“

Jakobs und Aretz-Göpp sind jedenfalls froh, dass sie so manche Herausforderung nicht mehr annehmen müssen. Klar, Wettbewerb gab es immer: Ehemalige Mitarbeiter, die ihren eigenen Buchhandel eröffnet haben oder Filialen wie die von „Weltbild“: „Das war 2002 – und erstmal ein Schock für uns. Dann ist zunächst 15 bis 20 Prozent unseres Umsatzes weggebrochen“, erinnert sich Aretz-Göpp. Mittlerweile genießen die beiden 75-jährigen Rentner ihre freie Zeit. Sie leben in Nippes und sind im Austausch mit ihrer Nachfolgerin. „Es ist schön, Anerkennung, dafür zu bekommen, dass man ein Lebenswerk gut weiterführt“, sagt Junck.

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Ein Lebenswerk, für das die beiden Herren ihre festen Jobs haben sausen lassen. Sie lernten sich 1972 im Kaufhof an der Hohe Straße kennen. Jakobs war hier Abteilungsleiter und Aretz-Göpp Chefdekorateur. „Dann habe ich gemerkt, dass in so einem prosperierenden Stadtteil wie Nippes eine Buchhandlung fehlt“, so Jakobs. Also nahmen sie einen Kredit auf. „Unsere Frauen gingen zum Glück weiter arbeiten, denn wir haben uns erst kein Gehalt ausgezahlt. Nach drei Jahren konnten wir davon leben“, so Jakobs.

Weder Simmel noch Konsalik

Er erinnert sich noch, wie die Leute kurz vor Eröffnung vor den noch zugeklebten Fenstern gestanden und gesagt hätten: „Noch so ’ne linke Bochladen.“ Für die beiden war klar: In ihre Regale schafft es kein kriegsverherrlichendes Buch. „Wir wollten keinen Simmel, keinen Konsalik.“ Stattdessen lief klassische Musik im Hintergrund.

Ein kultureller Ort war die Buchhandlung auch schon damals. Unvergessen ist die Lesung mit dem ungarischen Autor Imre Kertész, der kurz darauf – im Jahr 2002 – mit dem Nobelpreis ausgezeichnet wurde. Was das Schönste daran sei, Buchhändler zu sein? „Vom Struwwelpeter bis Wittgenstein muss man gut informiert sein“, sagt Jakobs. „Das Lesen“ , findet Aretz-Göpp.

Ein Gespräch mit den Gründern findet am Samstag, 14. März, 11 bis 13 Uhr , im Buchladen Neusser Straße 197 statt.

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