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Kölner Büdchen schließtIn Longerich verschwindet ein Stück heile Welt

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Inge Wischnewski und ihr Sohn Michael in dem altmodischen Laden an der August-Haas-Straße (Foto oben). Viele Longericher kennen den nostalgischen Schriftzug an der Fassade (u.).

Inge Wischnewski und ihr Sohn Michael in dem altmodischen Laden an der August-Haas-Straße (Foto oben). Viele Longericher kennen den nostalgischen Schriftzug an der Fassade (u.).

Köln-Longerich – Was an der August-Haas-Straße 4 demnächst verloren geht, ist schwer zu spezifizieren. Auf jeden Fall ist es mehr als ein bloßer Kiosk oder Tabak- und Schreibwarenladen. Es ist auch eine Art Wohnzimmer des Veedels, ein Ort zum Verschnaufen, für einen Kaffee zwischendurch, um Nachbarn zu treffen oder die Inhaberin Inge Wischnewski auf einen Plausch zu besuchen. Und nebenbei deckt man sich mit den neuesten Neuigkeiten aus Köln, Deutschland und der Welt ein. Oder mit einem Rätselheft, mit einer Cola, einem Eis aus der Tiefkühltruhe, einer gemischten Tüte Haribo-Leckereien für 50 Cent.

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Ein einfach schöner, irgendwie entschleunigter Ort. „Es ist wirklich traurig, für ganz viele hier – und gerade für Senioren“, meint die Postbotin, die hier gerade einen Zwischenstopp auf ihrer morgendlichen Tour eingelegt hat. „Ich weiß nun selbst gar nicht mehr, wo ich jetzt zehn Minuten Pause machen kann.“ Immer wieder kommen Kunden aus dem Veedel hereingeschneit; die ersten von ihnen haben bereits kleine Präsente für die Inhaberin dabei. „Aber bis Ende Mai bin ich ja noch da“, beruhigt Inge Wischnewski eine ältere Nachbarin.

Bereits seit Ende der 1950er Jahre, als dieser Teil der Gartenstadt-Nord erbaut wurde, befand sich im Erdgeschoss des Hauses ein Tabakwarenladen. Der nostalgische, ein wenig an die „gute alte Zeit“ erinnernde „Zigarren Habrich“-Schriftzug hängt sogar bis heute über dem Eingang.

Nach 60 Jahren ist Schluss

Doch nach rund 60 Jahren ist bald Schluss: Inhaberin Inge Wischnewski geht nach dem letzten Betriebstag am 25. Mai in den Ruhestand. In den letzten Wochen läuft ein Ausverkauf mit Prozenten, „auf alles, außer Tabakwaren und Presse“, erläutert die Besitzerin, die selbst in Vogelsang lebt. Beim Besuch des „Kölner Stadt-Anzeiger“ ist auch der Sohn Michael Wischnewski zu Besuch in der alten Heimatstadt gekommen; er lebt mit seiner Partnerin in Trier. Früher hat er auch schon mal Getränke zu den Kunden ausgefahren; heute unterstützt er seine Mutter ein bisschen beim Räumungsverkauf.

Hier gibt es ein buntes Sammelsurium: Auch Dekorationsmaterialien, Bücher, Spielwaren und Schulbedarf sind vorrätig. „Ein Teil der Ladeneinrichtung stammt aus einem früheren Laden in Chemnitz, der als einer der ersten nach der Wiedervereinigung dort eröffnete“, erinnert sich der 49-Jährige lächelnd. In der Gartenstadt fand diese dann ein neues Zuhause.

Es war im Jahr 1992, als Inge Wischnewski und ihr Mann Horst den Laden von den Vorbesitzern kauften. Nach einer langen Zeit der Stagnation brachten sie ihn wieder auf Vordermann und hellten die damals etwas düster wirkende Inneneinrichtung deutlich auf, erinnert sie sich.

Kunden 27 Jahre lang begleitet

Nachdem im Vorjahr Horst Wischnewski starb, entschloss sich seine Frau, die fortan im Laden auf sich allein gestellt war, die Öffnungszeiten um ein Viertel zu reduzieren – seitdem ist von 6.30 bis 13 Uhr geöffnet. Ihre Entscheidung, sich in den Ruhestand zu begeben, fällt mit einer sowieso anstehenden Kernsanierung des Hauses zusammen. „Im Haus soll wohl, dem Vernehmen nach, ein Ladenlokal bleiben, ich weiß allerdings noch nicht, was hineinkommt.“

Viele Kunden, die man während der 27 Jahre kennengelernt hat, habe sie von Kindesbeinen auf begleitet. „Einige haben inzwischen selbst Familie.“ Wenngleich es schwer fällt, das Geschäft bald für immer zu schließen und sich von den Kunden zu verabschieden, freut sie sich auch schon auf ihren Ruhestand: Dann stehen der Garten, Fahrradfahren, das Besuchen ihrer Kinder, Freunde-Treffen und natürlich der eine oder andere Urlaub auf dem Plan.

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