Neue Wohnungen in bester Lage geplantAlte Kirche in Köln-Nippes wird abgerissen

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Bald Geschichte: Die Kirche St. Hildegard in der Au

Bald Geschichte: Die Kirche St. Hildegard in der Au

  • Im September geht die Geschichte der Kirche St. Hildegard in der Au in Nippes zu Ende: Sie wird für immer geschlossen.
  • Wenn die Pläne für die neue Bebauung fertig sind, wird sie sogar abgerissen.
  • Stattdessen sollen dort bald Wohnungen gebaut werden.

Nippes – Bei Regen tropft es von der Decke, die Heizungsanlage fällt im Winter aus, die Wände haben Risse. Die Kirche St. Hildegard in der Au in Nippes hat schon bessere Zeiten gesehen. Und trotzdem: Der hohe Raum mit den ungewöhnlich gebogenen Wänden strahlt immer noch eine ganz besondere Atmosphäre aus. Viele kleine Fenster in der Fassade erleuchten ihn. Sie sehen ein bisschen wie Schießscharten einer Burg aus. Vielleicht fühlt man sich hier deswegen so geborgen – auch ohne religiös zu sein.

„Ich kann mir nicht vorstellen, wenn der Tag kommt, dass sie abgerissen wird“, sagt Wilfried Koch. „Ich glaube, da bin ich nicht da“. Der 72-Jährige ist mit der Kirche eng verbunden, 38 Jahre hat er hier als Diakon gearbeitet. Und bis vor einem Jahr auch gleich neben der Kirche gewohnt, die ganz ruhig mitten im Grünen an der Florastraße liegt, obwohl nur ein paar hundert Meter weiter der Verkehr tost.

Für immer geschlossen

Im September geht die Geschichte von St. Hildegard in der Au zu Ende: Sie wird für immer geschlossen. Und wenn die Pläne für die neue Bebauung fertig sind, auch abgerissen. Denn seit die Kirche Anfang der 1960er gebaut wurde, ist kaum etwas saniert worden. Die Kosten dafür gingen heute in die Millionen. So viel Geld investieren in eine Kirche, in die kaum noch Menschen zum Gottesdienst kommen? Die Antwort ist klar, das weiß auch Wilfried Koch. Zumal es bis zur Kirche St. Bonifatius nicht weit ist, die auch zur Gemeinde gehört.

Dass das Gebäude, mit dem ihn so viel verbindet, als Schutthaufen enden wird – der Gedanke tut ihm trotzdem weh. Hier ist er zum Diakon geweiht worden, seine Töchter haben geheiratet, die Enkel sind getauft worden. „Ich bin sehr verwachsen mit dieser Kirche, kenne sie mit allen Ecken und Kanten“.

Während er von seiner Zeit als Diakon erzählt, kommen immer wieder Menschen in die Kirche. Sie zünden eine Kerze an, sprechen ein kurzes Gebet. Ein kurzer Moment der Ruhe, den auch er hier oft genossen hat. Vor allem abends hat ihn die Architektur bezaubert: „Wenn draußen der Mond scheint oder die Straßenlaternen leuchten und man sitzt hier im dunklen Raum – dann meint man, die Fenster bringen Licht von oben. Aber gleichzeitig ziehen sie einen mit hinauf.“

Spirituelle Dimension

Wer „St. Hildegard in der Au“ betritt, spürt intuitiv diese spirituelle Dimension des Baus. Die Fenster sind auf der gewölbten Wand so angeordnet, dass sie nach oben zum Altar streben, über dem nur noch ein einziges Fenster thront. „Das ist, als wenn jemand auf mich zukommt“, habe mal ein Kind im Schulgottesdienst zu ihm gesagt, erzählt Wilfried Koch. Ein Raum wie eine Umarmung.

„Diese Kirche hat mich von Anfang an fasziniert, ohne dass ich es zunächst hätte definieren oder beschreiben können, warum.“ Heute weiß er, dass das auch an dem ungewöhnlichen gebogenen Grundriss liegt. Der war dem Architekten offenbar auch besonders wichtig: Mehr als 500 Mal wiederholt sich die Form an der Decke.

Stefan Leuer zählt zu den bekannten Kirchenbauarchitekten des Rheinlandes und war Architekturprofessor an der Kölner Fachhochschule. Die Backsteinfassade mit den kleinen, quadratischen Fenstern gehörte zu seiner Handschrift – sie ist in ähnlicher Form auch in Kirchen in Krefeld und Bonn zu sehen. Unter Denkmalschutz wurde seine kleine Kölner Kirche jedoch nie gestellt.

Ganz besondere Atmosphäre

Dem Pfarrer Stefan Klinkenberg gefällt sie auch. „Je nachdem, von welcher Seite das Sonnenlicht reinfällt, hat sie immer wieder eine ganz andere Atmosphäre.“ Aber er muss sich auch mit den Baumängeln herumärgern und friert im Winter in der Sakristei, wenn wieder mal die Heizung kaputt ist. „Der Kirchturm ist schon seit zehn Jahren marode, der darf schon lange nicht mehr begangen werden. Wir sind froh, dass wir da noch läuten dürfen. Ich bin da noch nie drin gewesen.“

Als er vor acht Jahren in die Gemeinde kam, wurde ihm gleich gesagt, dass es die Kirche nicht mehr lange geben wird, erzählt er. Und so kümmert er sich jetzt um die Zukunft des Grundstücks: fünfeinhalb tausend Quadratmeter in bester Lage. Ein Filetstück, „heutzutage fast unbezahlbar“.

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Mit der Aachener Wohnungsbaugesellschaft ist die Kirche schon im Gespräch, ein Investoren- und Architektenwettbewerb steht noch aus. Dafür wird es zwei Bedingungen geben, sagt der Pfarrer: Es soll kein weiteres Hochpreis-Gelände werden, sondern sozialer Wohnungsbau entstehen. Außerdem soll noch eine kleine St. Hildegard-Kapelle auf dem Grundstück gebaut werden. Darin könnten auch Elemente aus dem Kirchengebäude integriert werden. „Wir werden alle künstlerisch wertvolle Dinge erhalten. Altar, Tabernakel, Taufstein, auch einige Fenster“, verspricht er. Was nicht in der neuen Kapelle untergebracht werden kann, soll auf die anderen Kirchen seiner Gemeinde verteilt werden. „Der Rest wird dann über das Erzbistum in andere Kirchengemeinden gegeben.“ Bei allem Schmerz über den Abriss ist es für den ehemaligen Diakon ist ein guter Gedanke, dass im Viertel immer etwas an die Kirche erinnern wird: „Das tröstet mich“.

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