So tickt die Nippeser BezirksbürgermeisterinKölner Ortskerne sollen lebendig bleiben

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Bei ihrer Wahl in der Bezirksvertretung Nippes: Bernd Schößler (SPD) gratuliert seiner Nachfolgerin Diana Siebert von den Grünen. 

Nippes – Frau Siebert, nachdem Sie im Mai für Bündnis 90/Grüne als Bezirksvertreterin nachgerückt waren, sind Sie nun zur neuen Bezirksbürgermeisterin gewählt worden. Welches Motiv gab den Ausschlag, nach 15 Jahren als Kölner Grünen-Geschäftsführerin wieder in die Bezirkspolitik zu gehen?

Mein Engagement für die Kommunalpolitik hatte nie abgenommen. Ich bin Historikerin mit Leib und Seele, aber habe auch, seit ich 15 Jahre alt bin, politisch mitgewirkt. In West-Berlin arbeitete ich damals im Jugendzentrum, mitten in einem von Drogen und Prostitution geprägten Umfeld. Ich hatte damals schon festgestellt, dass das mit der Welt nicht so einfach ist, wie man es gerne hätte. Seitdem bin ich politisiert.

Als Geschäftsführerin der Grünen konnte ich denjenigen zuarbeiten, die genauso unterwegs sind und denken wie ich. Es hatte mich gefreut, da viel machen zu können und unter anderem bei den Wahlkämpfen für Jürgen Roters und danach für Henriette Reker mitzuwirken, wobei ich stolz bin, dass beide zum Erfolg führten. In einer Bezirksvertretung habe ich schon zuvor mitgearbeitet, von 1994 bis 1999 in der Innenstadt. Als ich 2015 wieder die Gelegenheit bekam, als Historikerin zu arbeiten, wusste ich schon, dass der Wahlkampf für Reker eine meiner letzten Amtshandlungen ist.

Alles zum Thema Henriette Reker

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Was verbindet Sie persönlich mit dem Stadtteil Nippes? Meine Lebensgefährtin und ich sind 2012 nach Mauenheim gezogen, vorher wohnten wir fast 30 Jahre im Agnesviertel. Aus der Nibelungensiedlung will niemand mehr wegziehen, weil die Atmosphäre und Nachbarschaft so gut sind. Für den Stadtbezirk will ich mich engagieren. Zumal mit 63 Jahren klar ist, dass ich nicht mehr auf die europäische oder ähnliche Ebenen gehe.

Wie bewerten Sie Rolle und Einfluss der Bezirkspolitik? Das Grundproblem der Bezirke ist, dass sie wenig wahrgenommen werden, und viele Beschlüsse auf Bezirksebene werden vom Stadtrat kassiert. Aber andererseits bekommt man von Vereinen, Personen und Institutionen zurückgespielt, dass wir es schuld seien, wenn etwas nicht funktioniert. Eine besonders knifflige Aufgabe ist, dass 50 Prozent der Leute nicht wählen gehen und die politischen Abläufe nicht kennen. Dies versuchen zu ändern, dieser Aufgabe darf man sich nicht entziehen.

Zehn schnelle Fragen an Diana Siebert

Burger oder Halver Hahn? – Halver Hahn Gondel oder Bimmelbahn? – Gondel Beatles oder Bap? – Bap Reihenhaus oder Altbauwohnung? – Solardach Zoo oder Flora? – Flora Kölsch oder Wein? – Kölsch Fortuna oder FC? – Vorwärts Blücherpark Oper oder Loss mer singe? – Loss mer singe Sneaker oder Budapester? – Egal, Hauptsache kein Plastik Stunksitzung oder Prinzenproklamation? – Straßenkarneval

Wie wollen Sie das anstellen? Oft scheint die Bezirksvertretung wie eine Showbühne, um dem politischen Gegner eins auszuwischen. Aber die Leute wollen das gar nicht, denen ist im Endeffekt egal, ob ein guter Vorschlag von den Grünen oder der SPD gekommen ist. Beispielsweise der sinnvolle CDU-Antrag aus der nächsten Sitzung, für einen schöneren und besser ausgebauten Weg von Norden her zur Bezirkssportanlage Weidenpesch. Den werden wir unterstützen, weil er inhaltlich sinnvoll ist. Ich würde da gerne einen neuen Stil hereinbringen. 

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Die Neusser Straße soll für Radfahrer attraktiver werden. 

Was ist vorrangig? Wir müssen sinnvolle Beschlüsse nochmals forcieren, wie etwa der im März 2007 beschlossene Kreisverkehr Niehler Straße / Weidenpescher Straße / Niehler Kirchweg. An einer Ecke steht jetzt eine Elektro-Ladesäule, die einem Kreisel im Weg stände. Das ist gut gemeint, bedeutet im Fall einer Umgestaltung doppelte Arbeit. Was sehr schnell gemacht werden kann, ist Parkplätze zu streichen, die Fußgängern die Sicht nehmen oder anderweitig gefährlich sind. Eine weitere Sache ist der geplante Kreisverkehr Neusser Straße / Kempener Straße. Den wollen wir aus den Umgestaltungsplänen der Neusser Straße abtrennen, um ihn schneller realisieren zu können. Es wäre auch ein schönes Entrée von Nippes. Und eine Gefahrenstelle für Radler an der Ampel würde beseitigt. Und es schwebt uns ein Schnellbus auf der Inneren Kanalstraße vor. Es ist absurd, dass da keiner fährt; letztendlich wissen wir aber, dass wir schnell etwas beschließen können, es aber selten schnell umgesetzt wird.

Die Umgestaltung der Neusser Straße und die Gürtel-Verlängerung gehören dagegen zu den langfristigeren Themen. Wir freuen uns sehr, dass es jetzt am Niehler Gürtel losgeht. Die ersten Arbeiten für den Radweg sind gerade im Gange, wie man von hier aus dem Bezirksrathaus sieht. Es besteht Hoffnung, dass die Rad-Verkehrsführung in fünf Jahren fertig ist, und in sieben Jahren das begleitende Grün. Bei der Neusser Straße wollen wir die Bürgerschaft beteiligen. Wir haben uns eine starke Beruhigung der Straße vorgenommen, mit reduzierten Parkplätzen, teils kompensiert durch Quartiersgaragen. Wir hoffen, dass die Neusser Straße und ihre Läden davon profitieren. Insofern sehen wir unsere Maßnahmen auch als Stützung des Einzelhandels. Wir wollen, dass der Kaufhof bestehen bleibt. Er hat Signalwirkung für das Veedel und zeigt, dass auch weitere Läden mit attraktivem Angebot existieren können. Der Gegensatz von inhabergeführten Läden zu Filialisten ist nicht mehr so entscheidend – eher der Gegensatz von Läden zum Online-Handel.

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Der Kriegerplatz in Longerich soll verschönert werden. 

Die Handelssituation ist ja auch für die Veedel außerhalb von Nippes relevant. Auf jeden Fall: Man hat im Bezirk Nippes mit seinen sehr unterschiedlichen Stadtteilen, einerseits lebendige Nachbarschaften, auf die man aufpassen muss. In Weidenpesch sehen wir sehr stark, was ein Ladensterben bedeutet, wo man zu Fuß nicht mal mehr eine Schraube kaufen kann und nun auch der einzige türkische Supermarkt geschlossen ist. In Longerich hoffen wir analog zur Neusser Straße in Nippes, dass mit der gärtnerischen Aufwertung des Kriegerplatzes das Zentrum attraktiver wird. Uns schwebt vor, dass die Ortskerne lebendig bleiben. Bilderstöckchen braucht eine Perspektive, wie es bis 2030 und darüber hinaus weitergeht. Der Stadtteil darf nicht abgehängt werden. Momentan gibt es dort noch nicht mal eine richtige Einkaufsstraße, die um den Schiefersburger Weg herum denkbar wäre. Genauso ein Wochenmarkt. Und der heutige Teppichladen etwa wäre ein guter Supermarkt-Standort. In Alt-Niehl habe ich mich über die Neuansiedlung des integrativ arbeitenden Nahkauf-Marktes im früheren Kaiser's gefreut. Abseits des Handels gibt es noch das soziale Leben in den Veedeln. Die Kirchen haben nicht mehr die Bindungskraft wie vor Jahrzehnten. Aber es gibt natürlich noch weiteres: die Karnevals-, Sportvereine, Schulen und noch vieles mehr.

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