Nord-Süd-Fahrt für Autos gesperrt150.000 Besucher strömen zur „Straßenland“-Aktion

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Straßenland Grönert

Die Nord-Süd-Fahrt wird für Autos gesperrt.

Köln – 1984 ist Rita Höft mit dem Fahrrad durch den Tunnel der Nord-Süd-Fahrt gefahren, als sie  auf einem Stadtplan nach der schnellsten Strecke in die Innenstadt suchte. Dass das verboten  war, merkte sie erst, als sie von verständnislosen Autofahrern überholt wurde. Am Sonntag schlenderte Höft mit Freunden über die Straße,  im Tunnel sang ein Chor, E-Roller- und Radfahrer überholten sie, Hunderte Menschen fotografierten den symbolträchtigen Moment.

„Es ist ein wunderbares Gefühl, hier entspannt entlang zu laufen“, sagt Sabine Halasa-Meil. „Warum sperrt die Stadt die Straße nicht einfach jeden Sonntag für den Verkehr?“ „Wahrscheinlich“, mutmaßte Halasa-Meil, „werde ich nicht mehr erleben, dass die Nord-Süd-Fahrt ganz autofrei wird. Dafür fehlt dieser Stadt der Mut. Ich würde es mir aber sehr wünschen.“

150.000 Besucher an 150 Ständen

Eine Kölner Innenstadt ohne Autos liegt in weiter Ferne – über eine Fortsetzung der Veranstaltung „Straßenland“, für die die Nord-Süd-Fahrt zwischen Ursulastraße im Norden und Ulrepforte im Süden am Sonntag  für den Autoverkehr gesperrt wurde, denken die Veranstalter  schon jetzt nach: Die Idee, aus der meist genutzten und meist gehassten Verkehrsader der Stadt, Symbol für den Vorrang des Autos vor dem Menschen, eine Flaniermeile zu machen,  verfing gut.

Alles zum Thema Henriette Reker

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Laut Veranstalter kamen 150 000 Besucher – und erlebten an 150 Ständen, wie das Straßenland gestern aussah, was heute schon möglich ist, und wie es morgen erscheinen könnte. Die Vielfalt an Elektro-Rad-Anbietern, Lasten-E-Bikes, Rikschas, E-Rollern und -Scootern zeigte die Richtung an.  Auf Podien diskutierten Experten über Wasserstoff- und Elektroantrieb, Sharing-Modelle und autofreie Innenstädte.

Aktivisten demonstrieren gegen Ost-West-Tunnel

Neben dem historischen Luftfahrtarchiv  präsentierte sich das Sonnenwagen-Projekt der RWTH Aachen, das mit Solarstrom den australischen Kontinent überquerte. „Es gibt schon Start ups, die Autos mit Solarpanels entwickeln, um die Reichweite von Batterien zu erhöhen“, sagte Mitentwickler Johannes Meier. Die Kölner App „Radbonus“, ein digitales Belohnungsprogramm fürs Radfahren, hat es schon von der Start-up-Phase in den normalen Betrieb geschafft,  das Start up Apronex stellte seine digitalen Überwachungssysteme für Bienenstöcke vor – so wollen die Macher ihren Beitrag gegen das Bienensterben leisten.

Während die Besucher Schlange standen, um E-Roller, E-Kleintransporter, E-Autos und E-Fahrräder zu testen, demonstrierten im Tunnel Aktivisten des Bündnisses „Verkehrswende Köln“ gegen einen Ost-West-Tunnel und für einen massiven Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs. Auf dem Grünstreifen zwischen den Fahrbahnen aßen die Besucher wahlweise Currywurst und Pommes oder „Slow food“ wie Maiwirsing und veganes Brot.

Kritik an „Straßenland“ im Vorfeld

Oberbürgermeisterin Henriette Reker zeigte sich bei ihrer ersten öffentlichen Veranstaltung nach der Drohmail gegen sie entspannt und lobte die Idee für „Straßenland“, die Christoph Kuckelkorn und Klaus Eschmann am Rande der Biker-Veranstaltung Harley-Dome ausgeheckt hatten.

 „In Köln werden in 20 Jahren 70 000 Menschen mehr leben als heute“, sagte Reker. „Da müssen wir uns Gedanken machen, wie wir den Verkehr so organisieren, dass wir den Menschen und der Umwelt gerecht werden.“ Im Vorfeld hatte  es auch Kritik an „Straßenland“ gegeben. Zu viel Platz werde Hauptsponsor Toyota und anderen profitorientierten Unternehmen eingeräumt. 

„Erstmal ist es toll, dass wir die Nord-Süd-Fahrt heute alle nutzen können, um Ideen vorzustellen, wie wir die Stadt auch anders gestalten können“, sagte Judith Levold vom Urban-Gardening-Projekt Neuland, die ihren Gemeinschaftsgarten samt Hahn und Hühnern auf dem Offenbachplatz vorstellten. „Wir arbeiten ja alle in kommerziellen Berufen und leben in einer kommerziellen Welt.

Wenn wir hier gemeinsam Ideen vorstellen können, wie wir umweltschonender und friedlicher miteinander leben können, ist das doch gut.“

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