NRW plant EinzelhandelserlassGroße Discounter sollen mehr Kunden in die Citys locken

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Konsum Einkauf

Menschen beim Einkauf

Düsseldorf – Die schwarz-gelbe Landesregierung plant eine Neuausrichtung des Einzelhandelserlasses für NRW. „Unsere Innenstädte sind die Markplätze des 21. Jahrhunderts“, sagte NRW-Kommunalministerin Ina Scharrenbach dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Der neue Einzelhandelserlass sei „ein weiterer wichtiger Baustein, um die Stadtzentren Nordrhein-Westfalens fit für die Zukunft zu machen“, so die CDU-Politikerin. Mit ihm werde den Kommunen in NRW „ein wegweisender Leitfaden zur Entwicklung des Handels in den Städten und Gemeinden an die Hand gegeben.“

Ziel des neuen Erlasses sei es, die „verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung“ sicherzustellen, zugleich aber „eine verträgliche Entwicklung“ des Handels zu gewährleisten, hieß es im Kommunalministerium. Um dieses Vorhaben zu erreichen, werde den Gemeinden die Aufstellung einer Potenzialanalyse empfohlen. Dabei soll festgestellt werden, welche „zentrenrelevanten Sortimente“ (etwa Bücher, Spielwaren, Uhren und Schmuck) bereits vorhanden sind und wo noch Bedarf besteht.

Offensive gegen den Online-Kauf

Mit der Neuauflage des Einzelhandelserlasses will die schwarz-gelbe Landesregierung dem Sterben der Innenstädte entgegenwirken. Durch die Corona-Pandemie haben viele Verbraucher den Online-Kauf für sich entdeckt. Immer mehr Waren, die früher in den Kaufhäusern der Innenstädte gekauft wurden, werden mittlerweile von Paketdiensten ins Haus geliefert. Geringere Einnahmen bei den Einzelhändlern führen vielfach zu einer Einschränkung der Sortimente. „So entsteht ein Teufelskreis, den wir unbedingt durchbrechen müssen“, sagte Oliver Kehrl, Beauftragter für den Handel in der CDU-Landtagsfraktion, dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.

Verluste durch Zugangsbeschränkungen

Nicht nur das Online-Geschäft, auch die neuen Zugangsbeschränkungen der Corona-Schutzverordnung setzen den Einzelhandel unter Druck. „Die Einführung verschärfter Corona-Maßnahmen in Geschäften ist eine dramatische Zäsur im Weihnachtsgeschäft", beklagte der Geschäftsführer des Handelsverbandes Deutschland (HDE), Stefan Genth. Die Besucherzahlen im Innenstadthandel sanken zuletzt um durchschnittlich um 41 Prozent. Besonders Mode-Geschäfte kämpfen erneut ums Überleben – sie müssen ein Umsatzminus von 35 Prozent im Vergleich zum Vorkrisenniveau verkraften.

Kehrl für JVA

Oliver Kehrl (CDU).

Die CDU setzt darauf, durch die neuen Konzepte, die der Einzelhandelserlass ermöglichen soll, wieder mehr Kunden in die Städte zu locken. „Viele Läden ziehen auch das falsche Publikum an“, sagte Oliver Kehrl. „Jede Stadt sollte einen City-Manager beschäftigen, der über ein digitales Leerstandskataster verfügt. So weiß er stets, welche Flächen frei und kann zudem bei der Neuansiedlung die richtige Mischung im Blick behalten“, so der Handelsexperte aus Köln, der selbst Inhaber mehrerer Modegeschäfte ist.

Abkehr von der grünen Wiese

Die Landesregierung will mit der Neuausrichtung der Einzelhandelspolitik jetzt auch erstmals wieder die Ansiedlung großer Supermärkte, Discounter und Drogeriemärkte in den Städten ermöglichen. „Das sind echte Frequenzbringer, die pro Tag 6000 bis 7000 Kunden anlocken“, so Kehrl. Bislang seien Verkaufsflächen, die größer als 800 Quadratmeter sind, vor allem auf der grünen Wiese entstanden. Damit soll jetzt Schluss sein. Künftig soll die Auflagen für Kundenparkplätze flexibilisiert werden. Neue Mobilitätskonzepte müssten auch in der Wirtschaftsförderung berücksichtigt werden, hieß es.

Scharrenbach

NRW-Bauministerin Ina Scharrenbach (CDU)

In vielen Städten sind nicht nur die Innenstädte, sondern auch die Stadtteilzentren massiv von der Handelskrise betroffen. Das Sterben den Einzelhändler hat oft massive negative Folgen für das soziale Gefüge und die öffentliche Sicherheit. „Überdachte Eingangsbereiche leerstehender Filialen werden vielerorts zum Rückzugsort von Obdachlosen und Drogenhändlern“, berichtet Kehrl. „Wir dürfen nicht zulassen, dass die Einkaufmeilen sich in Angsträume verwandeln. Stattdessen muss alles getan werden, um die Innenstädte wieder lebendiger zu machen. Wir brauchen einen radikalen Umbruch.“

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Leerstehende Geschäfte könnten möglicherweise auch für Handwerker attraktiv sein, die sich dort mit einem Showroom präsentieren könnten, um Kunden anzusprechen. Mehr Gastronomie, Event-Flächen, Kitas, Senioreneinrichtungen oder Wellnessbereiche seien ebenfalls willkommen. Die Citys sollten „Stätten der Begegnung und der Emotionen werden“, heißt es in einem Konzeptpapier.

Der neue Einzelhandelserlass soll in den nächsten Wochen auf den Weg gebracht werden. Die CDU setzt darauf, dass die Ansiedlung neuer Läden dann schneller und unbürokratischer möglich ist. Ziel müsse eine Nutzungsänderung per Knopfdruck sein. „Auch für ältere Menschen steigt die Lebensqualität, wenn sie wieder in ihrem direkten Wohnumfeld einkaufen können“, sagte Kehrl.

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