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Nur sechs von 200 Ladesäulen fertigStromversorgung für E-Autos in Köln ist mangelhaft

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Die neue Ladestation an der Esenbeckstraße in Köln-Riehl.

Köln – Ein Werktagmorgen, 9 Uhr, Stadtteil Weiß. Der vollelektrisch betriebene Testwagen, ein VW e-Up, steht vor der Tür. Allein die häusliche Wallbox, das spezielle, computergesteuerte Ladegerät mit Starkstromanschluss, fehlt. Also bedarf es einer öffentlichen Ladestelle. Diese findet sich mit Hilfe der App „Tank-E“, die von der Rhein-Energie kostenlos angeboten wird und auf dem Smartphone zu installieren ist. Die nächste gelistete Ladestation befindet sich in 4,4 Kilometern Entfernung: Edmund-Rumpler-Straße 4. Cool. Vier Ladeplätze, alle frei. Aber Rumplerstraße? Kenne ich nicht. Praktischerweise kann man direkt in der App eine Navigation starten – nur um festzustellen, dass die 4,4 Kilometer wohl Luftlinie sind. Denn besagte Straße befindet sich in Porz, das Navi berechnet 18 Kilometer Anfahrt. Das ist mir zu weit.

Stellt man die App von Liste auf Karte um, sieht man, dass der linksrheinische Kölner Süden, zumindest was öffentliche Ladestationen betrifft, nicht existiert. Während es etwa im Richtung Bonn gelegenen Wesseling allein bereits 26 Ladestationen gibt, bietet Köln zwischen Bayenthal und Godorf, zwischen Sülz und Meschenich – nichts. Die nächsten Säulen befindet sich am Geißbockheim (14 Kilometer) oder in der Südstadt am Eierplätzchen (7,5 Kilometer).

In Köln sollen zeitnah 200 Ladesäulen stehen

Dort an der Mainzer Straße hatte die Stadt im August ihre erste Ladestation für Elektroautos im öffentlichen Raum eröffnet. Bis Mitte 2021 sollten 200 Ladesäulen mit je zwei Ladepunkten im Stadtgebiet stehen, mindestens 20 pro Bezirk. In einer zweiten Stufe sollen ebenso viele Stationen folgen. Das Projekt nennt sich „Ladeinfrastruktur im öffentlichen Straßenraum“. Ziel sei es, allen Bürgern – ganz im Sinne des Klima- und Umweltschutzes – den Umstieg auf emissionsfreie Mobilität zu erleichtern.

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Soweit die Theorie. Denn bisher verwirklicht sind im ersten halben Jahr gerade einmal sechs Säulen. Elf weitere befänden sich im Bau und stünden kurz vor der Inbetriebnahme, so die Rhein-Energie. „Es bleibt unser Ziel, die 200 Ladestationen im öffentlichen Straßenland wie geplant bis Ende Juni 2021 zu errichten“, sagt Stadtwerke-Sprecher Frank Bender. „Bei derart komplexen Bauvorhaben sind Verzögerungen aber nie ganz auszuschließen.“ So seien, Stand heute, 34 geplante Standorte aufgrund nicht planbarer baulicher Gegebenheiten vor Ort gar nicht umsetzbar. Als Beispiele werden neu ausgewiesene Fahrradstraßen oder neu genehmigte Außengastronomien genannt. Für besagte Standorte suche man unter Hochdruck nach Ersatz.

Die Ladeinfrastruktur für Elektroautos ist unzureichend. Köln hat in diesem Bereich erheblichen Nachholbedarf. Es stehen bislang lediglich 222 Ladesäulen zur Verfügung, während es in München 1185, in Hamburg 1096 und in Berlin 1052 sind. Selbst in der deutlich kleineren Landeshauptstadt Düsseldorf sind 228 Ladesäulen in Betrieb. Weil städtische Säulen fehlen, fahren wir zum rund 2,5 Kilometer entfernten Discounter Aldi in Sürth. Kunden können hier ihr E-Auto kostenlos aufladen. Drei verschiedene Stecker werden zur Verfügung gestellt, eine Dose für den dem Auto zugehörigen Stecker gibt es auch. Heute morgen haben wir Glück, der Ladeplatz ist frei. Das war zwischen den Festtagen nicht immer so. Zeitweise standen zwei oder drei Autos in der Warteschlange.

Kunden in Köln behandeln Ladesäulen nicht immer pfleglich

Das mag auch daran gelegen haben, dass am noch einmal zwei Kilometer weiter entfernten Lidl-Markt die Ladesäule tagelang defekt war. An diesem Morgen ist ein Techniker da, der die Säule repariert. Meist wäre unsachgemäßer Umgang mit den Kabeln die Ursache für Störungen. „Manche gehen da so rabiat dran wie an einen herkömmlichen Tankschlauch. Dabei ist das ganz einfach: Richtigen Stecker aussuchen, anklemmen, Auto abschließen, Ladevorgang an der Säule starten.“ Aber, fügt er hinzu, da mein Wagen bei 85 Prozent Ladeleistung sei, würde die Säule ohnehin nicht weiterladen: „Voll ist voll – die Batterie soll ja nicht überladen werden.“ Sagt’s, und verabschiedet sich Richtung Frechen.

Wir fahren zu Ikea in Godorf, aber weil dort der Betrieb eingeschränkt ist, ist die Zufahrt zur Ladestation gesperrt. Also weiter in die Innenstadt, denn die raren Ladestationen in der Südstadt sind alle belegt. Das Navi leitet uns in die Ludwigstraße, aber da befinden sich auf den ersten Blick keine Säulen – bis wir einen Blick ins Parkhaus werfen. Zwei Ladepunkte, einer frei, wie von der App versprochen, aber dafür müsste man einen Parkschein ziehen. Also weiter ins Agnesviertel zum Riehler Platz.

Hier lädt ein Nichtkölner seinen Wagen mit einem Normalstromkabel. Das dauert Stunden, dafür ist der zweite Ladepunkt frei. Noch ist der Strom an den städtischen Säulen kostenlos, allerdings werden ab dem kommenden Montag Gebühren erhoben.

Die Tour geht weiter zu einem der wenigen neuen Plätze. An der Esenbeckstraße in Riehl sind beide Plätze frei. Hier wäre – etwa zehn Minuten zu Fuß entfernt – die nächste Lademöglichkeit vom Arbeitsplatz im Neven DuMont Haus aus. Wir treffen zufällig auf einen echten Fachmann für Elektro. Der Mittfünfziger hat einen Renault Twizy für das Pendeln zur Arbeit, mietet sich für längere Strecken mit der Familie einen Zoe bei Cambio, und ist gerade mit dem E-Bike unterwegs. Er freut sich, dass hier ein neuer Ladeplatz gebaut wurde, denn „Ladesäulen gibt es viel zu wenige“. Er schwört auf Elektromobilität, Windenergie und frische Luft, flucht über Kölner Fahrradwege und ist dann mal wieder weg.

Rhein-Energie-Chef rechnet mit 25.000 E-Autos bis 2025

Etwa 1,1 Millionen Euro soll der Ausbau der Lade-Infrastruktur kosten, die Hälfte davon stammt aus Fördermitteln des Bundes. Man wolle „bedarfsorientierter“ mit dem Thema umgehen als andere Städte, so Rhein-Energie-Chef Dieter Steinkamp, der mit 25.000 Elektrofahrzeugen in Köln bis 2025 rechnet, inklusive der Plug-in-Hybride. Derzeit sind es etwa 3500. Aus seiner Sicht hat der öffentliche Raum nur eine begrenzte Bedeutung. Die meisten E-Auto-Nutzer seien Selbstversorger.

Auch würden Firmenflotten wie beispielsweise die von Ford in den Überlegungen der Stadtwerke eine große Rolle spielen: „Wir können alles aus einer Hand anbieten: Die Energieversorgung, die Software bis hin zur Wartung“, hatte Steinkamp schon im August erklärt. So will Ford 750 Ladesäulen auf seinen Werkgeländen in Niehl und Merkenich installieren. Parallel zum Marktstart des Kuga Plug-in-Hybrid stockt der Automobilhersteller die vorhandenen Elektro-Lademöglichkeiten kräftig auf. Bis Ende 2020 wurden wie geplant mehr als 330 Ladesäulen auf dem Werksgelände aufgestellt, um der unternehmenseigenen Flotte das Laden zu ermöglichen, sowie um das „administrative Lademanagement“ zu testen. „Wir liegen also genau im Zeitplan“, teilt Unternehmenssprecherin Ute Mundolf mit.

Ein neues Geschäftsfeld für die Stadtwerke, die etwa über konkrete Nutzerzahlen an den öffentlichen Säulen oder den Verkauf von Wallboxen aus Wettbewerbsgründen keine Auskunft geben wollen. Der Betrieb der Ladeinfrastruktur sei für Energieversorger momentan eher ein Zuschussgeschäft. Anreizsysteme der Regierung (Zuschüsse für E-Autos und Wallboxen) würden aber dazu beitragen, dass die Nachfrage steigt. 

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