Obdachlose in KölnHilfseinrichtungen schließen Türen für Osteuropäer

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An dem exzessiven Alkoholkonsum nehmen viele Kölner Anstoß.

An dem exzessiven Alkoholkonsum nehmen viele Kölner Anstoß.

Köln – Alkoholleichen mitten auf dem Bürgersteig, aggressive Bettelei, Urinieren in Hauseingängen, aber auch Elends-Camps an Bahngleisen und in öffentlichen Grünanlagen – die Beschwerden über Obdachlose aus den osteuropäischen EU-Ländern haben in den vergangenen Wochen massiv zugenommen.

Jetzt schlagen auch soziale Hilfseinrichtungen Alarm: „Wir müssen diesen Menschen endlich helfen – aus humanitären Gründen, aber auch, weil wir die Situation sonst nicht in den Griff bekommen“, sagt Andreas Hecht vom Sozialdienst Katholischer Männer (SKM).

Wegsehen und weitermachen wie bisher ist für den SKM keine Alternative. Auch die Hoffnung, dass die Armutsmigranten aus Polen, Rumänien oder Bulgarien schon wieder nach Hause gehen, wenn sie feststellen, dass sie hier nicht Fuß fassen können, hält er für völlig unrealistisch.

„In Rumänien reichen zwei volle Einkommen nicht, um das Existenzminimum einer Familie auch nur zur Hälfte zu sichern“, berichtet Hecht, der das Land aus eigener Anschauung kennt. „Selbst denjenigen, die keine Wohnung haben und von Prostitution oder Kleinkriminalität leben, geht es hier immer noch besser als in ihrer Heimat.“ So lange die Lebensverhältnisse in Europa so unterschiedlich sind, werde sich daran nichts ändern.

Viele Osteuropäer versuchen ihr Glück in Deutschland

Neu ist das Problem nicht. Seit der EU-Osterweiterung und der Öffnung des Arbeitsmarkts versuchen viele Osteuropäer ihr Glück in Deutschland – häufig ohne auch nur die rudimentärsten Sprachkenntnisse. Wer es nicht schafft, der fällt durch den Rost: Einen Anspruch auf soziale Leistungen, und sei es auch nur eine warme Mahlzeit, haben sie nicht.

Bislang haben Hilfseinrichtungen wie etwa die Kontakt- und Beratungsstelle für Wohnungslose des SKM dennoch versucht, auch diesen Menschen zu helfen: mit einem Mittagstisch, einer Möglichkeit zu duschen oder seine Post zu hinterlegen. Doch seit einigen Wochen haben sie kapituliert. Mit Ausnahme der Überlebensstation Gulliver am Hauptbahnhof haben alle Obdachlosen-Einrichtungen ihre Türen für Osteuropäer geschlossen – mit der Folge, dass das Elend auf den Straßen noch sichtbarer wird.

Notbremse gezogen

Die Träger haben damit die Notbremse gezogen. „Es sind einfach zu viele gewesen. Sie haben die hiesigen Wohnungslosen, für die wir ja eigentlich zuständig sind, zunehmend verdrängt“, sagt Ralf Promper, der die SKM-Einrichtungen am Hauptbahnhof sowie in Ehrenfeld leitet. In Ehrenfeld seien zuletzt bis zu 70 Prozent Osteuropäer gewesen, es habe ständig Konflikte um die besten Plätze zum Betteln und Schlafen oder um die Claims zum Flaschensammeln gegeben.

„Der typische Berber aus Köln hat bei diesen Verteilungskämpfen oft den Kürzeren gezogen und sich bei uns nicht mehr wohl gefühlt.“ Hinzu kommt das Kommunikationsproblem. Kaum ein Träger verfügt über Mitarbeiter mit der entsprechenden Sprach- und Kulturkompetenz, weil es dafür bislang weder Geld noch die rechtliche Grundlage gibt.

„Wir haben seit 2011 immer wieder davor gewarnt, dass hier eine Zeitbombe tickt. Getan hat sich seither nichts“, sagt Andreas Hecht. Nötig sei jetzt eine konzertierte Aktion von Bund, Ländern und Kommunen. Die Praxis des Wegsehens und Nichtstuns hält er für nicht länger hinnehmbar.

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