Jacques – wer?Diese Klischees und Legenden ranken sich um den berühmten Komponisten

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2019 feiert die Stadt Köln den 200. Geburtstag ihres Sohnes Jacques Offenbach.

Wild kreischende Damen in keck wirbelnden Röcken, der „French can-can“, und ein Meisterwerk über die Vergänglichkeit, ein künstlerisches Vermächtnis, „Hoffmanns Erzählungen“… – nette Geschichten. Doch über keinen der bekannteren Komponisten ist bis heute so viel dummes Zeug erzählt worden wie über Jacques Offenbach.

Dieser hat niemals solche frivolen Damen in seinen Werken auftreten lassen. Offenbach ist auch nicht der Komponist von hunderten Operetten, der am Ende eines liederlichen Lebens endlich etwas Seriöses schreibt, „Hoffmanns Erzählungen“. Diese Legende hält sich unausrottbar, aber sie ist ein sentimentaler Unfug. Hinter den quirligen, rührseligen Klischees verbirgt sich irgendwo dieser Jacques Offenbach, den es 2019, im Jahr seines 200. Geburtstages, wiederzuentdecken gilt.

Offenbachs Aufstieg in Paris

Geboren wird Jacob Offenbach am 20. Juni 1819 in Köln als Sohn des jüdischen Kantors. Mit gerade einmal 14 Jahren bringt der Vater seinen musikalisch talentierten Sohn nach Paris, der „Hauptstadt des 19. Jahrhunderts“, wo man den Juden gegenüber unvoreingenommener ist als in Köln. Was nimmt Jacob mit? Sein angeborenes Genie, aber auch wesentliche Prägungen, Erfahrungen mit Volkstheater und Karneval, das Nebeneinander vom Vorsingen in der Synagoge und vom Aufspielen im Gasthaus. In Paris wird aus dem jüdischen Kantorensohn Jacob schnell der quirlige Theatermusiker Jacques.

Weltweit erfolgreich

Anlässlich der Weltausstellung 1855 gründet er sein eigenes Theater, die Bouffes-Parisiens, wo er alsbald große Erfolge feiert und spätestens 1858 mit „Orpheus in der Unterwelt“ die Operette „erfindet“. Dort wird sich auch Offenbach an das Kölner Nebeneinander von Ernstem und Komischem erinnert haben – verbirgt sich doch hinter der Parodie immer auch eine Kritik der herrschenden Verhältnisse. Nun jagt ein Welterfolg den anderen. Offenbachs Werke werden überall gespielt: in Paris, Wien und Berlin, aber auch in London, Madrid, St. Petersburg, Kairo, New York und vielen weiteren Städten.

Musikalische Satire

Markenzeichen des Offenbachschen Musiktheaters ist es, jedweden Autoritäten zu misstrauen, politischen wie auch religiösen oder ästhetischen. Deshalb gehören Spiel, Spott und Satire so wesentlich dazu: Überall lauert ein doppelter Boden. Offenbach ergreift Partei – nicht für die Mächtigen, sondern für die Schwachen, nicht für Großen, sondern für die Kleinen. Besondere Sympathien hat er vor allem für die Frauen. Das mag seltsam klingen, ist er doch immer wieder mit dem Vorwurf des Frivolen konfrontiert worden. Aber seine Frauen sind nicht nur schön, sie sind vor allem immer sehr emanzipiert, sehr schlagfertig, sehr lebenstüchtig. Und sie sind es auch meist, die hinter die Kulissen des so quirligen und dabei doch so finster abgründigen Paris des Zweiten Kaiserreichs blicken.

Es ist genau dieser Abgrund, wo Mensch und Moral versagen, der sich bei Offenbach immer wieder in sprudelnder Heiterkeit, in Singen, Tanzen, Lachen auflöst. „Das Publikum soll lachen. Aber nicht über harmlose Nebensachen, sondern darüber, dass gefährliche Hauptsachen sich bezwingen lassen.“

Turbulente Zeiten

Mit dem Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 und mit dem blutigen Aufstand der Pariser Commune 1871 ändert sich für Offenbach alles. Von verschiedensten Seiten angegriffen – mal als „Deutscher“, mal als „Franzose“, und irgendwie immer auch als „Jude“ – muss Offenbach sich neu erfinden. Nichtsdestoweniger ist die Legende von dem vereinsamten, erfolglosen, gar hungernden Offenbach ein gewaltiger Unfug. Er feiert nach wie vor Erfolge – aber seine Werke beherrschen eben nicht mehr so unangefochten die europäischen Bühnen wie noch wenige Jahre zuvor.

Größter Triumph post mortem

In diesem Kontext entstehen ab 1877 schließlich „Hoffmanns Erzählungen“: Offenbachs heitere Muse wird nunmehr „hoffmannesk“ ins Gespenstische getaucht. Als der Komponist schließlich nach langer Krankheit am 5. Oktober 1880 in Paris stirbt, sind „Hoffmanns Erzählungen“ zwar weitestgehend zu Ende komponiert, aber noch nicht uraufgeführt. Sein auf dieser Art nachgelassenes Werk wird zu einem der größten Opernerfolge überhaupt, den er leider nicht mehr miterlebt.

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