Ohne Kleriker und „fromme Soße“Neue katholische Gemeinde in Köln gegründet

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Wo in der Kirche Sankt Michael vorher der Altar stand, stehen nun unter dem Kreuz Leinwand, Bühne und Beamer.

  • Kirche hat derzeit einen schweren Stand. Der Diskurs im Erzbistum ist geprägt vom Konflikt um das unter Verschluss gehaltene Missbrauchsgutachten, Vertrauensverlust und Austritten.
  • Dabei haben sich viele längst auf die Suche gemacht nach Formen und Wegen, wie Kirche auch im 21. Jahrhundert noch für die Menschen relevant sein kann.
  • Wir stellen einige in unserer Serie „Kirche mit Zukunft“ vor.

Köln – Stell dir vor, die Kirche macht auf – und jeder geht hin: Das, was sie sich hier mitten im quicklebendigen, bunten Belgischen Viertel vorgenommen haben, klingt kühn: In einer Zeit, in der der Umgang des Erzbistums mit dem Gutachten zum Missbrauchsskandal, der Frust der Gläubigen und massenhafte Kirchenaustritte die Schlagzeilen bestimmen, will man hier den Trend umkehren und hat im Dezember eine neue katholische Gemeinde mit dem Namen „Kirche für Köln“ gegründet.

„Jung, unangepasst und neugierig“ soll sie sein. „Wir wollen weg von der priesterzentrierten Kirche, weg von der frommen Soße“, sagt Lisa Bretano. Die Pastoralreferentin ist gemeinsam mit Uli Merz für das neue Projekt verantwortlich.

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Das Team von "Kirche für Köln" um Lisa Brentano und Uli Merz (im Vordergrund). Außerdem gehören dazu Tobias Wolf, Thomas Frings, Viktor Fischer-Emmerich, Christine Emmerich und Maria von Blumencron.

Bewusst eine Frau und ein Mann, bewusst als Laienteam. Anziehen wollen sie Menschen, die mit Kirche eigentlich nichts mehr zu tun haben. Ebenso wie solche, die von der Klerikerkirche angenervt sind. Suchende, die nach Relevanz für ihre Leben streben, sich aber in den traditionellen Formen von Weihwasser bis Kniebeuge nicht mehr wiederfinden.

Eine riesige leere Kirche

Dabei will man ganz bewusst die Chance nutzen, die dieser besondere Ort bietet: „Der Brüsseler Platz ist – wenn nicht gerade Corona ist – proppevoll. Jedes Wochenende. Und diese riesige Kirche Sankt Michael – die drittgrößte Kölner Kirche – ist immer leer. Die dortige Gemeinde gibt es nun nicht mehr. Dem Schwund zum Opfer gefallen. Ideale Voraussetzungen, denn: „Wirklich Platz für Neues kommt nur, wenn es nicht mit dem Alten kämpfen muss“, sagt Thomas Frings, der einzige Geistliche im sechsköpfigen Orga-Team. Und so haben sie die Kirchenbänke rausgeräumt. Wo vorher der Altar stand, stehen nun unter dem Kreuz Leinwand, Bühne und Beamer. Dazu eine ausgefeilte Sound- und Lichtanlage.

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Auch die Krypta wurde ausgeräumt und mit einem Teppich ausgestattet - für ruhigere Formate wie Meditationen oder Yoga. In der Kirche bieten Ohrensessel in den Nischen Raum für Gespräche. Einladen soll auch die runde Bar im Eingangsbereich, in die das Weihwasserbecken eingebaut ist, zu guten Gesprächen bei einem kühlen Getränk. „Die Leute sollen wirklich vom Platz aus hier rein kommen. Sich hinsetzen und das Angebot und den Raum auf sich wirken lassen“, erklärt Brentano. Ein Bier oder einen Kaffee trinken. Alle Menschen sind unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung, ihrer Lebensform,ihrer Herkunft und ihres sozialen Status willkommen – dieser Leitsatz stehe wie eine Präambel über allem.

Christliches Yoga

Natürlich gibt es nicht nur christliches Yoga, Meditation, Konzerte und Feierabendbier, sondern auch Gottesdienste. Jeden Sonntag um 11 Uhr. Bewusst ohne Eucharistie: Viel zu hoch aufgehängt, viel zu viel an Voraussetzungen klassischer katholischer Sozialisation geknüpft. „Wir fangen nicht mit der Messe an, sondern mit den Menschen“, bringt es Frings auf den Punkt. Neben christlicher Popmusik – immer mit Liveband – und dem Evangelium gibt es eine Predigt. „In zeitgemäßer Sprache und trotzdem anspruchsvoll. Mit dem Anspruch, den Bibeltext in die heutige Zeit zu übersetzen“, so Brentano. Einmal im Monat ist Eucharistie, dann wird ein Tisch zum Altar.

Eigentlich wollten sie im Advent so richtig los legen. Dann kam der Lockdown und viele Formate müssen erst mal digital stattfinden. Aber den wöchentlichen Gottesdienst, den gibt es immerhin schon live. „Das Schiff will loslegen, aber die Leine darf nicht losgemacht werden. Aber wir lassen den Motor trotzdem schon mal laufen“, fasst Frings zusammen. Alle freuen sich, wenn sich nach dem Lockdown der Platz wieder füllt und die Leute merken: In der ehemals so leeren Kirche ist was. Und vielleicht einfach mal reingehen.

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