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Ordnungsamt in KölnJährlich 20.000 Corona-Anrufe für 15 Mitarbeiter

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Ordnungsamt Köln Leitstelle

Björn Gatz am Telefon in der Leitzentrale. Die Mitarbeiter werden regelmäßig getestet und setzen nur am Arbeitsplatz die Masken ab.

Köln – Der Müll im Garten nerve ihn, klagt ein Anrufer aus dem Rechtsrheinischen. Immer wieder lasse der Nachbar über ihr Zigarettenkippen oder Abfall von seinem Balkon fallen. Was man denn da tun könne. Anrufe wie diesen kennt Leitstellen-Disponent Björn Gatz. Häufig, sagt er, glaubten die Menschen in der Stadt, dass das Ordnungsamt eine Art „Ausputzer“ sei. In diesem Fall sagt Gatz dem Anrufer, dass das Amt nicht zuständig ist. Privater Raum ist Sache von Mietern und Vermieter. Die Frau bedankt sich freundlich und wünscht einen schönen Tag. In der Warteschleife hängt schon der nächste Anrufer, wie Gatz an der roten Lampe sieht. Ein Auto wurde abgeschleppt, der Halter möchte wissen, wohin. Hier kann Gatz helfen. Ein Abschleppdienst in Ossendorf. Gatz gibt die Rufnummer durch. Auch dieses Telefonat läuft freundlich. Aber das ist nicht immer so.

Ein Vormittag in der Leitstelle des Ordnungsamts in Deutz. Gleich neben der Lanxess-Arena rechts geht es ins Stadthaus, zur Verwaltungszentrale der Stadt. Die Leitstelle hat nichts mit  jenen bei Polizei, Feuerwehr oder KVB gemeinsam, wo digitale Echtzeit-Stadtpläne an der Wand hängen. Hier sind es gedruckte Pläne der Stadtbezirke, ein Radio läuft leise. Von neun Arbeitsplätzen sind vier besetzt. Die Mitarbeiter – allesamt getestet – sitzen vor ihren jeweils vier Monitoren zwar ohne Maske, aber mit großen Abständen zueinander. Die Ampel des Luftfilters steht auf grün. Einige Fenster sind auf, der Ventilator ist noch aus, die heißen Tage kommen noch früh genug. Und damit noch mehr Arbeit für das Ordnungsamt. „Wenn es wärmer ist, rufen mehr Menschen an, um Corona-Verstöße zu melden, besonders abends und am Wochenende“, sagt Gatz.

20.000 Corona-Anrufe im vergangenen Jahr

15 Mitarbeiter – überwiegend Angestellte – sind in der Leitstelle beschäftigt und teilen sich die Schichten auf. Seit Corona ist die Zahl der Anrufe und der Einsätze des Ordnungsamts stark gestiegen – und dessen Bedeutung als zentrales Instrument der Stadt zur Pandemiebekämpfung. Mehr als 20.000 Anrufe gab es im vergangenen Jahr wegen Corona-Verstößen, in diesem Jahr sind es schon etwas mehr als 10.000. Was sich nicht geändert hat, ist die personelle Besetzung. Weder Leitstelle noch Außendienst wurden aufgestockt. Ein Berg von mehr als 25.000 Überstunden lastet auf der Organisation. Zu den üblichen Einsätzen wegen Parkverstößen etwa in Feuerwehreinfahrten, wegen wilden Mülls und Ruhestörung kommen Räumungen von überfüllten Plätzen, Auflösen von illegalen Partys, Maskenkontrollen, häufig in Nachtschichten und am Wochenende. „Wir arbeiten, wenn andere feiern“, fasst Dienstgruppenleiter Christian Schlünz zusammen. Trotzdem sei er „mit Freude dabei“.

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Ein früher Freitagabend in der Südstadt Ende April. Vor einem Gebäude der TH versammeln sich ein paar Dutzend Menschen mit Kölsch-Kränzen und stoßen aufs Wochenende an. Eine Anwohnerin ruft bei der 221-32000 an. Die Bandansage in der Warteschleife mach sie darauf aufmerksam, dass „wegen des derzeit hohen Anruferaufkommens alle Mitarbeiter im Gespräch sind“ und bittet, „zu einem späteren Zeitpunkt nochmal anzurufen, oder sich noch etwas zu gedulden“. „Es geht kein Anruf verloren. Die Telefonanlage dokumentiert alle“, betont die Stadt. Nach einer Viertelstunde legt die Anruferin auf. „Wir müssten eigentlich dreimal so viele Leute sein“, sagte eine Mitarbeiterin des Ordnungsamts kürzlich. Planungen, Beschlüsse und Konzepte für „einen Aufwuchs des Ordnungsamts“ lägen vor, sagte Ordnungsdezernentin und Krisenstabsleiterin Andrea Blome am Freitag. „Die Personalfrage ist aber immer da“, ergänzte sie. Das Ordnungsamt sucht seit Jahren händeringend qualifiziertes Personal.

In dringenden Fällen: 110 wählen

Abends verstärken noch bis zu drei Mitarbeiter des Ordnungsdienstes die Leitstelle, weil dann mehr Menschen anrufen. Aber längst nicht alle kommen durch. In gravierenden, eiligen Fällen könne auch die 110 gewählt werden, sagt ein Polizeisprecher, betont aber: „Auch der Polizeinotruf erteilt keine Auskünfte und Rechtsberatung.“ Solche Anrufe würden schnell beendet.

Ähnlich ist das beim Ordnungsamt: „Wir sind keine Notrufnummer wie die 110 oder 112 und auch kein Bürgertelefon für allgemeine Auskünfte wie die 115. Wir sind eine Nummer für akute Ordnungswidrigkeiten, bei denen wir jetzt eingreifen können“, sagt Leitstellenleiter Patrick Wagner. Ein erheblicher Teil der Anrufer kontaktiere aber die Einsatzleitzentrale und erbete sich Informationen etwa über Knöllchen oder Sonderhalteverbotszonen für Umzüge. Auch meldeten sich immer wieder Anwohner, die sich über Lärm beschweren, der Stunden oder Tage zurückliege. Neulich habe jemand am Wochenende um 23 Uhr, zur Stoßzeit der Corona-Lage, ein Schrottfahrzeug gemeldet. „Darum müssen wir uns natürlich auch kümmern, aber solche Sachen halten zu dieser Uhrzeit auf.“ Zwar nennt sich die Rufnummer der Leitstelle noch immer „Service-Hotline“, doch weil das für Missverständnisse sorgt, soll ein neuer Name gefunden werden.

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Björn Gatz ist heute seit 7 Uhr in der Leitung, in ein paar Stunden löst ihn die Spätschicht ab. Bis 1 Uhr ist die Nummer geschaltet, in Wochenendnächten bis 2 Uhr. Wer anruft, muss seinen Namen nennen, mit Anonymität kommt niemand durch. Manchmal, sagt Gatz, bekomme er auch den Corona-Frust ab, die Wut auf die Kontrollbehörden, die Ungeduld. Die meisten Menschen seien freundlich, aber die Grundhaltung sei schon etwas dünnhäutig. Wenn Anrufer zu unwirsch würden, lege er auch manchmal auf. „Beleidigen lassen muss ich mich nicht.“

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