Abo

Ostermann, Berbuer, QuerbeatKölnerin präsentiert kölsche Lieder, die man kennen muss

Lesezeit 3 Minuten
Autorin Monika Salchert am Ostermann-Brunnen in der Altstadt

Autorin Monika Salchert am Ostermann-Brunnen in der Altstadt

Köln – Kölsche Lieder gehören zum Fastelovend, aber sie sind auch mehr als Karneval. Schließlich wird in Köln das ganze Jahr über viel und gerne gesungen. Und wer mitsingen kann, ist mittendrin, anstatt nur dabei. Jedes Jahr gibt es eine Vielzahl an neuen Liedern. Mehr als 460 Neuerscheinungen wollen sich die Organisatoren der Initiative Loss mer singe in den nächsten Tagen anhören, um daraus die 20er Liste für die Kneipen-Tour zusammen zu stellen. Bei manchen Titeln ist jedoch das Haltbarkeitsdatum schon vor dem Aschermittwoch überschritten. Aber alljährlich verschaffen sich einige der Neuheiten auch dauerhaft einen Platz im kölschen Liedgut und werden irgendwann zu Evergreens, die man kennen sollte.

Autorin Monika Salchert geht einen Schritt weiter. „77 kölsche Lieder, die man kennen muss“, heißt ihr Buch, das gerade im Lübbe-Verlag (367 Seiten, 15 Euro) veröffentlicht wurde. Hierzu liefert die WDR-Moderatorin und Mitarbeiterin des „Kölner Stadt-Anzeiger“ nicht nur die Texte von ausgewählten kölschen Liedern aus dem 20. und 21. Jahrhundert, sondern auch gleich die dazu passenden Histörchen und Hintergrundgeschichten.

Lieder sagen viel über Stadt und Kölner aus

Denn Lieder sagen viel über den Alltag in der Stadt und das Lebensgefühl der Kölner aus sowie über die Zeit, in der sie geschrieben wurden. Das reicht vom ersten Karnevalshit Willi Ostermanns von 1906 („Däm Schmitz sing Frau eß durchgebrannt“) als ältestem im Buch beschriebenen Lied über Salcherts Lieblingstitel „Jecke Saache metzemaache“ („Da ist alles drin, was den Fastelovend ausmacht“) bis zu den jüngsten Titeln aus der Session 2017: „Dä Plan“ von Querbeat und „Su lang die Leechter noch brenne“ von Miljö.

Zu Zeiten Kaiser Wilhelms, als Ostermann die Frau Schmitz durchbrennen ließ, galt eine Ehescheidung als Skandal. Dass eine Frau ihren Mann verließ, erst recht. „So was rüttelte an den Grundfesten der Gesellschaft“, hat Salchert herausgefunden. „Der Mann hatte das Sagen. Ohne dessen Zustimmung durfte eine verheiratete Frau keinen Beruf ausüben, nicht über ihr Geld verfügen und nicht ihren Wohnort frei wählen. Sie hatte lediglich die Schlüsselgewalt über die Speisekammer und die Lufthoheit über dem Herd.“

Eine goldene Brücke für den verlassenen Mann

Die Frau Schmitz fiel mit ihrer Aktion also völlig aus dem Rahmen, doch auch dem verlassenen Mann baute Ostermann eine goldene Brücke: „Dä Schmitz, dä laach sich halv kapott“. Der Mann trauert nicht, er löst seinen Haushalt auf und wohnt künftig möbliert.

Das könnte Sie auch interessieren:

Zu anderen Liedern weiß die Autorin ähnliche interessante und amüsante Geschichten zu erzählen. So dienten zwei Kompositionen von Karl Berbuer nach dem Zweiten Weltkrieg mehrfach als Ersatz für eine noch nicht vorhanden Nationalhymne. Das als Anspielung auf die drei westlichen Besetzungszonen gedachte „Wir sind die Eingeborenen von Trizonesien“ erklang beim Sechstage-Rennen, und beim Fußball-Länderspiel zwischen Deutschland und Belgien (4:1) am 23. Dezember 1956 im Müngersdorfer Stadion.

Und „Heidewitzka, Her Kapitän“ intonierte die US-Kapelle als Bundeskanzler Konrad Adenauer 1950 beim Staatsbesuch in Chicago empfangen wurde. Die amerikanischen Gastgeber fanden das passend, Adenauer nicht. Der „Alte“ soll regelrecht beleidigt gewesen sein.

KStA abonnieren