Abo

Party-Exzesse in KölnAnwohner und Wirte fordern Alkoholverbot im Zülpicher Viertel

Lesezeit 4 Minuten
Zülpicher Rosenmontag

Feiernde am Abend des Rosenmontags auf der Zülpicher Straße

Köln – Nach den Party-Eskalationen an Karneval und den darauffolgenden Wochenenden auf der Zülpicher Straße in Köln fordern Wirte und Anwohner ein nächtliches Alkoholverbot im Kwartier Latäng. Ein Verkaufsverbot für Kioske und Supermärkte an Wochenenden etwa von 22 Uhr an und ein Konsumverbot auf Straßen und Plätzen zur selben Zeit wären ein Baustein für eine mögliche Befriedung des Viertels, war die einhellige Meinung bei einer Podiumsdiskussion am Montagabend in der Herz-Jesu-Kirche.

„Die Büdchen sind heutzutage keine Tante-Emma-Läden mehr, sondern haben nur die Funktion, das Viertel die ganze Nacht hindurch mit Alkohol zu versorgen. Das muss dringend gestoppt werden“, sagte Gastwirt Markus Vogt, Vorsitzender des Vereins Gastro Kwartier Latäng, begleitet von großem Beifall.

Zülpicher Viertel in Köln voll von „Hinterlassenschaften"

Etwa 200 Anwohner, Gastronome und andere kamen zu der Veranstaltung und machten ihrem Ärger über die Zustände in dem Ausgehviertel Luft. Ausnahmslos jedes Wochenende werde in die Hauseingänge „uriniert, gekotet und gekotzt“, schilderte ein Anwohner. Jeden Morgen am Wochenende und montags müsse er durch ein Scherbenmeer sein Haus verlassen und die Hinterlassenschaften der vergangenen Nacht beseitigen.

Alles zum Thema Zülpicher Straße in Köln

„Wir leben in einer Dystopie, die politisch nicht gesehen wird“, sagte er. Besonders schlimm sei es an Karneval gewesen, das in dem Viertel nicht mehr gewesen sei als ein „Besäufnis Unter-17-Jähriger, die sich wie die Säue“ benommen hätten.

„Am Wochenende verkommt das Viertel zu einer riesigen Mülltonne“

Dass es im Kwartier Latäng, einst das Ausgeh-Viertel für Studenten und solche, die sich ihnen zugehörig fühlten, vor allem am Wochenende laut und hektisch wird, ist seit Jahren bekannt. Immer mehr aber wandelte sich zuletzt das Publikum hin zu noch jüngerem Publikum, das in Teilen noch nicht volljährig ist. Sowohl nach dem Sessionsauftakt am 11.11., als nach den Karnevalstagen selbst beschrieben Anwohner, Wirte und Polizei teilweise exzessives Verhalten der Jugendlichen, das auch auf den Alkohol zurückzuführen sein könnte.

Dieser wurde zuletzt immer häufiger nicht mehr in Bars und Kneipen, sondern in Kiosken oder Supermärkten gekauft und dann auf der Straße getrunken, begleitet von lauter Musik aus tragbaren Boxen. Vor allem mit fortschreitender Nacht wurden sowohl der Lärm und der Abfall, als auch das Wildpinkeln und Erbrechen zum Problem. „Am Wochenende verkommt das Viertel zu einer riesigen Mülltonne“, sagt ein Anwohner.

Im Januar, also schon vor Karneval, war deshalb eine Diskussion über ein mögliches Alkoholverbot entbrannt. Stadtdirektorin Andrea Blome hatte gemeinsam mit ihrem Amtsvorgänger und heutigen Oberbürgermeister in Düsseldorf, Stephan Keller, einen schriftlichen Appell an die Landesregierung gesendet, einen juristischen Rahmen für das Verbot zu schaffen. Nach aktuell gültiger NRW-Verfassung dürfte ein Alkoholverbot gerichtlich nämlich kaum Bestand haben. Dafür bedürfte es einer gesetzlichen Regelung, die das Land initiieren müsste.

Nachdem es aber im Stadtrat von allen großen Fraktionen Gegenwind für den Vorstoß gab, ruderte Blome zurück und begrub vorerst die Idee. Nun sind andere Lösungen gefragt. In Frage kommen etwa stärkere Kontrollen durch das Ordnungsamt und – zumindest für den Karneval – eine Verlegung der Feier-Fläche an der Unimensa. Auch eine Kostenbeteiligung oder Toilettenpflicht für Kioskbetreiber steht in Rede.

„Freiluftbesäufnis im Zülpicher Viertel“

In der Herz-Jesu-Kirche wollte man sich am Montagabend aber damit nicht zufrieden geben. Die „ständige Verfügbarkeit von Alkohol tags wie nachts“ sei durchaus das Hauptproblem und befördere ein „reines Freiluftbesäufnis“, argumentierte Bezirksamtsleiter Ulrich Höver. An Karneval, aber auch in Wochenendnächten sei das Zülpicher Viertel folglich eine Freiluftkneipe und Freilufttoilette mit den entsprechenden Ausartungen.

So teilten sich drei Gruppen die Zuständigkeiten, sagte er leicht provokativ: Die einen – Kioske, Supermärkte und vielleicht einige Brauereien, die das Geld verdienten. Die Anwohner, die „Kot und Kotze“ beseitigen müssten, und die dritte Gruppe – Polizei und Ordnungskräfte -, die sich noch „bepöbeln und bespucken“ lassen müssten.

Das könnte Sie auch interessieren:

Die Zustände, die hier geschildert wurden, betreffen die Wochenenden und die Karnevalstage gleichermaßen. An den nächsten beiden Sessionsauftakten am 11.11. fällt auch noch beides zusammen. Festkomitee-Präsident Christoph Kuckelkorn saß im Publikum und sagte, „was hier passiert, ist erschreckend“. Mit dem Kulturgut Karneval habe all das nichts zu tun. Es brauche jetzt „Tragbare Konzepte und keine Lippenbekenntnisse“. Vor einem 11.11. am Wochenende jedenfalls habe er heute „richtiggehend Angst“.

KStA abonnieren