Perfektes HeimspielAnnenMayKantereit stellen in Köln ihr Album „Schlagschatten” vor

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Köln ist eine Musikstadt: Hier ist auch die Band Annenmaykantereit groß geworden.

Köln ist eine Musikstadt: Hier ist auch die Band Annenmaykantereit groß geworden.

Köln – Auf dem Weg nach oben passieren manchmal Dinge, die sich schwer nach unten anfühlen. Ein Hit in den Sauftempeln von Mallorca zum Beispiel. Seitdem ihr Lied „Pocahontas“ auf der Insel so erfolgreich sei, könnten sie dort nicht mehr unbehelligt Bier trinken, erzählt Annenmaykantereit-Sänger Henning May am Montagabend im Gloria.

Auf dem Weg nach oben liegen aber auch Drogen, und zwar überall, wie es in „Schon krass“ heißt, einem Lied auf dem neuen zweiten Album „Schlagschatten“. Der 27-Jährige singt darin über Zeiten, in denen er viel zu viel Haschisch rauchte, weil er mit dem plötzlichen Ruhm nicht klarkam.

Das zweite Album ist das schwerste, so heißt es. Weil sich damit entscheidet, ob man ein Ein-Album-Wunder bleibt – oder eben nicht. Allerdings hätte bei den vier Mitgliedern der Drei-Nachnamen-Band niemand ernsthaft gewettet, dass sie mit der Fortsetzung ihres Senkrechtstart-Debüts „Alles Nix Konkretes“ scheitern würden. Denn die Ex-Schülercombo aus Köln hat sich vor allem als unfassbar gute Live-Band berühmt gespielt.

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An diesem Montag im Gloria sind Annenmaykantereit umgeben von denen, die sie schon lange kannten, bevor sie große Konzertsäle mehrere Abende hintereinander ausverkauften. Freunde, Familie und Ex-Mitschüler ihres alten Schiller-Gymnasiums in Sülz. Die Gästeliste ist mehrere Seiten lang. Hat hier überhaupt jemand Eintritt bezahlt? „Zwei lange Jahre ist es her, dass wir in Köln gespielt haben, verdammte Scheiße“, ruft Henning May in den Saal.

Songs übers Kiffen und Älterwerden

In der Zwischenzeit haben sie Songs fürs zweite Album geschrieben, übers Älterwerden, Verliebtsein, Kiffen oder eine Flugbegleiterin namens Jenny, die um die Welt jettet. Einige Texte auf dem Album hören sich reichlich banal an. Live im Gloria aber ergeben sie auf einmal totalen Sinn. Vielleicht ist es auch einfach nur egal, was May auf der Bühne singt, weil seine unerhört mächtige, raue Stimme die eigentliche Sensation, aber auch sein Hüftschwung ziemlich nett ist und überhaupt die Art, wie er die Musik in Bewegung übersetzt. Und weil man der ganzen Band so schön anhört, dass sie ihr Zusammenspiel in jahrelangen Straßenmusik-Proben perfektioniert hat.

Der Sound? Perfekt. Die Dramaturgie? Perfekt. Und auch ihre Kunst der Enthaltung: Als sie im Gloria zum ersten Mal mehrstimmig singen, fragt sich jeder, warum sie es nicht in jedem Lied tun. Es wäre so einfach, damit zu überwältigen. Aber wäre es dann auch noch so gut? Und ziemlich gut sind dann auch doch einige der Songs auf dem neuen Album geraten.

„Jetzt hat die erste Reihe Pech gehabt”

In „Sieben Jahre“ singt May über zwei gestorbene Freunde – bis am Ende der Saal ins Requiem einfällt: „Sowas kriegst du aus dem Herzen nicht mehr raus“. In „Weiße Wand“ umkreist May sein Privileg, als junger weißer Mann in einem der reichsten Länder der Welt zu leben. Ein ganz neues Lied, „Ozean“, spielt das Quartett in der ersten Zugabe hinten im Saal, umringt von Fans. „Jetzt hat die erste Reihe Pech gehabt“, ruft May. Danach muss er noch ans Klavier, um den ersten großen Hit „Barfuß am Klavier“ anzustimmen. Und dann, ganz am Ende, tanzt das ganze Gloria ein letztes Mal – schon allein, weil es zu schön ist, den Liedtitel „Ich geh heute nicht mehr tanzen“ Lügen zu strafen.

Weitere Konzerte von AnnenMayKantereit in Köln

Am 25, 26. und 27. März spielen Annenmaykantereit im Palladium. Alle drei Konzerte sind ausverkauft. Für das Konzert am 14. September am Fühlinger See gibt es noch Karten für 47 Euro

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