Podcast zu GastarbeiternKölner Schüler lassen Zeitzeugen sprechen

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Paulus Benz und Robert Kuth (r.) werden für ihren Podcast ausgezeichnet.

Paulus Benz und Robert Kuth (r.) werden für ihren Podcast ausgezeichnet.

Köln – Über das Thema Gastarbeiter wussten Paulus Benz und Robert Kuth so gut wie nichts. Es ist nicht das typische Thema, mit dem sich 13-Jährige beschäftigen – schon gar nicht freiwillig und während der Freizeit. Genau das aber taten die beiden – und wurden Experten für das Thema Gastarbeiter.

Für ihr Engagement werden die beiden Schüler, die die siebte Klasse der Liebfrauenschule besuchen, nun mit dem Landespreis des Geschichtswettbewerbs des Bundespräsidenten ausgezeichnet werden. Begonnen hatte zwar alles in der Schule: Ein Schulhalbjahr lang konnten die Schüler eine Unterrichtsstunde pro Woche an einem eigenen Projekt für den Wettbewerb arbeiten. „Wir interessieren uns beide sehr für Geschichte, deshalb wollten wir unbedingt mitmachen“, sagt Paulus.

Unter dem Wettbewerbs-Motto „Krise, Umbruch, Aufbruch“, das möglichst einen lokalen Bezug haben sollte, kam ihnen die Idee, sich dem Thema Gastarbeiter zu widmen. „In Köln gab es viele Gastarbeiter bei Ford“, sagt Robert. Wichtig war den beiden Schülern, Zeitzeugen zu Wort kommen zu lassen.

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Die Verleihung und weitere Preisträger aus Köln

Die Landespreisverleihung findet am Montag um 12 Uhr im Haus der Geschichte in Bonn statt. Insgesamt werden 69 Preise für den Landessieg (je 250 Euro) und 69 Förderpreise (je 100 Euro) an Schüler aus NRW verliehen.

Der Geschichtswettbewerb des Bundespräsidenten existiert seit 1973 und findet alle zwei Jahre statt. Er geht auf eine Initiative des damaligen Bundespräsidenten Gustav Heinemann und des Stifters Kurt A. Körber zurück und ist der größte historische Forschungswettbewerb für junge Menschen in Deutschland.

Weitere Preisträger aus Köln:

Mit einem Förderpreis wird Agathe Maria Görgens (6. Klasse, Friedrich-Wilhelm-Gymnasium) für ihren Beitrag „Mein französischer Ururgroßvater im Ersten Weltkrieg“ ausgezeichnet. Auch Ipek Cakir, die die 10. Klasse des Heinrich-Mann-Gymnasiums besucht, erhält für ihren Beitrag „57 Jahre Almanya“ einen Förderpreis. (kst)

„Und so kamen wir auf die Idee, einen Podcast zu dem Thema zu machen“, sagt Robert. Entstanden ist eine rund 25 Minuten lange Audio-Forschungsarbeit, für die die beiden Jungs nun mit dem Landespreis des Wettbewerbs ausgezeichnet werden.

Ihr preisgekrönter Podcast trägt den Titel „Wir riefen Arbeitskräfte und es kamen Menschen“, ein Zitat des Schriftstellers Max Frisch. Darin gehen die Schüler unter anderem der Frage nach, wie es den Gastarbeitern in Köln erging, die ab Mitte der 50er Jahre aus Ländern wie Italien, Griechenland oder der Türkei angeworben worden waren, um zeitweise hier zu arbeiten. Wie wurden sie aufgenommen und wie wurden sie behandelt, als sich herausstellte, dass viele von ihnen nicht in ihre Heimatländer zurückkehren würden?

Diese und weitere Fragen stellten sie ehemaligen Gastarbeitern und deren Kindern. In Interviews schildern die ihre oft beschwerliche Anreise, die schlechten Wohnbedingungen in teils menschenunwürdigen Sammelunterkünften – und wie die Hoffnung auf ein besseres Leben in Deutschland enttäuscht wurde. Sie berichten von Integrationsproblemen, Sprachbarrieren und Vorurteilen ihnen gegenüber. Die Tochter von türkischen Gastarbeitern erzählt, wie schwer es 1983 für sie war, aufgrund ihres ausländischen Namens eine Wohnung zu mieten. Einheimische Zeitzeugen erinnern daran, dass die Gastarbeiter oft die schwersten Arbeiten in den Fabriken erledigen mussten. „Es waren die, für die sich die Deutschen sich zu schade waren“, berichtet eine 74-Jährige, die damals in einer Spinnstofffabrik arbeitete.

Für ihre Interviews und das anschließende Zusammenschneiden opferten Robert und Paulus viele Stunden ihrer Freizeit – abends und am Wochenende. „Wir hätten nicht gedacht, dass darin so viel Arbeit steckt“, sagt Robert. „Als wir den fertigen Podcast zum ersten Mal gehört haben, waren wir schon ein bisschen stolz auf das Ergebnis“, fügt Paulus hinzu. Trotzdem hätten sie „im Leben nicht damit gerechnet, dass wir einen Preis gewinnen. Wir wussten, dass da super viele mitmachen“.

5600 Schüler auf historischer Spurensuche

Bundesweit hatten sich 5600 Schüler auf historische Spurensuche begeben und knapp 2000 Beiträge eingereicht. Allein aus NRW stammen 542 Beiträge. Die Jugendlichen haben sich auf vielfältige Weise mit dem Einfluss und Wirken von Krisen und Umbrüchen auf das Zusammenleben der Menschen beschäftigt. Unter anderem mit der Revolution von 1848, der Kinderlandverschickung im Zweiten Weltkrieg oder der Ankunft von geflüchteten Vietnamesen in den 70er und 80er Jahren.

Fast 40 Prozent der Kölner sind Migranten

Ende 2017 lebten in Köln 209 520 Ausländer und  205 269 Migranten mit einem deutschen Pass.  Mit dem Begriff  „Migranten“  werden Eingebürgerte, Aussiedler und in Deutschland geborene Kinder von aus dem Ausland zugewanderten Eltern  zusammengefasst.

Rechnet man alle  mit einem sogenannten „Migrationshintergrund“ zusammen, kommt man auf eine Zahl von 414 789 Kölner. Das entspricht einem Bevölkerungsanteil von 38,2 Prozent. Bei den Unter-18-Jährigen lag der Anteil bereits bei 53,8 Prozent. Die Enkelgeneration der Gastarbeiter der ersten Stunde wird bei diesen Berechnungen  nicht mehr mitgezählt. Wenn ihre Eltern in Deutschland geboren sind und die deutsche Staatsbürgerschaft haben, tauchen sie in der Statistik nicht mehr als Migranten auf. 

Paulus und Robert hoffen nun darauf, aus den Landespreissiegern auch noch für den Bundespreis ausgewählt zu werden. „Dann würden wir zur Preisverleihung nach Berlin fahren und den Bundespräsidenten treffen“, sagt Robert. „Das wäre der Wahnsinn!“

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