Politische Künstler bevorzugt

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Galeristin Janine Koppelmann führt die Galerie seit elf Jahren gemeinsam mit ihrer Mutter Ingrid.

Galeristin Janine Koppelmann führt die Galerie seit elf Jahren gemeinsam mit ihrer Mutter Ingrid.

Nippes – Alle vier Minuten explodiert eine Atombombe in der Galerie Koppelmann/Kunstwerk Nippes. Selbstverständlich nur auf einem Video, das gleichermaßen an die Entwicklung der Atombombe im sogenannten Manhattan-Projekt in den Forschungslabors von Los Alamos, dem ersten Atomtest der USA, den Abwurf der Atombomben durch US-Amerikaner in Hiroshima und Nagasaki im August 1945 und die aktuelle Bedrohung durch Nuklearwaffen verweisen soll. „Yes, we have done it“ heißt die multimediale Installation, die der Künstler Manfred Bockelmann eigens für die kleine Hinterhofgalerie in Nippes geschaffen hat. Außer der Videoprojektion hängen 13 Arbeitskittel von Atomphysikern in einer Reihe an Haken an der Wand. Nur ein Kittel, der von Professor Klaus Fuchs, ist heruntergefallen, weil Fuchs seinerzeit als Spion die Pläne zum Bau der Atombombe an die UdSSR verriet.

Den Anstoß zu seinem Kunstwerk erhielt Bockelmann während einer USA-Reise, als er das Museum von Los Alamos in New Mexico besuchte, wo er den weißen Labormantel des Physikers Robert J. Oppenheimer hängen sah, der als „Vater der Atombombe“ gilt. Die Ausstellung ist beklemmend. Bockelmann nennt „die durch die USA geplante Aufkündigung des im Jahr 1987 geschlossenen INF Vertrages (Intermediate-Range Nuclear Forces Treaty) zur Begrenzung des nuklearen Wettrüstens und die daraufhin durch Russland angekündigte Aussetzung des Vertrages“ als Anlass für seine Arbeit.

Allerdings ist seine Präsentation in der Galerie Koppelmann zu diesem Zeitpunkt keineswegs ein Zufall. Bereits vor genau vierzig Jahren hatte der 1943 in Klagenfurt geborene Künstler – dessen Bruder Udo mit dem Nachnamen Jürgens berühmt wurde – dessen Werk auch auf der Biennale in Venedig zu sehen war, die allererste Ausstellung in der damals in Leverkusen neu eröffneten Galerie gestaltet.

Kurze Zeit später zog die Galerie an an den Friesenplatz um, wo sie in der Blütezeit der Kölner Kunstszene mit Ausstellungen von Künstlern wie Peter Gilles, Gottfried Hellnwein, Jean Miotte, Botond, Günter Uecker oder Herbert Falken ganz unterschiedliche Akzente setzte.

Mit Neugier und Leidenschaft setzte Galeristin Ingrid Koppelmann weniger auf ein formal strenges Programm als auf Künstler, die mit eigenwilliger Aufrichtigkeit existenzielle Erfahrungen thematisierten. „Außerdem hat die Galerie Koppelmann immer schon Kunst zu politischen Themen gezeigt. Und das machen wir bis heute, auch wenn es gegen den Trend im Kunstbetrieb ist“, sagt Janine Koppelmann, die die Galerie inzwischen gemeinsam mit ihrer Mutter Ingrid führt.

Mit dieser Partnerschaft ist zum Familiennamen der Zusatz „Kunstwerk Nippes“ hinzugekommen, weil die Galerie seit einiger Zeit schon in der Nippeser Baudristraße angesiedelt ist. „Es gibt nicht mehr so viele engagierte Sammler, die mit Leidenschaft und klaren Interessengebieten Kunstwerke zusammentragen. Als meine Mutter Ende der 1970er-Jahre die Galerie eröffnete, haben sich die Menschen viel stärker mit Kunst auseinandergesetzt als heute. Inzwischen wird Kunst weniger aufgrund von Ideen und Inhalten als aus dekorativen Gründen oder zur Geldanlage gekauft.“

Aus ihren Worten klingt heraus, dass ihr diese Entwicklung ganz und gar nicht gefällt. Schließlich hat sie den Kunstbetrieb von Kindheit auf kennengelernt. „Wenn ich als Kind in der Galerie meiner Mutter war oder wenn die Künstler bei uns zu Hause am Küchentisch saßen, hatte ich immer das Gefühl, wie ernst sie ihre Tätigkeit nehmen“, sagt sie. Heute bestimmen dagegen Kalkül und professionelle Routine das Selbstverständnis der meisten jungen Künstler.

Janine und Ingrid Koppelmann geben sich größte Mühe, inmitten des Bedeutungsverlusts, den die bildende Kunst in Deutschland und besonders in Köln in den letzten zwei Jahrzehnten erfahren hat, den alten Geist lebendig zu halten. Zuletzt setzten sie Akzente mit Ausstellungen zur Würde des Menschen mit Bildern der Kölner Fotografin Karin Richert, zum Schlachtfeld der Geschichte mit Werken ungarischer und deutscher Künstler, zur Erinnerung an den legendären „Summer of love“ von John Chicago und einem 24-tägigen Aktionslabor mit dem Perfomance-Netzwerk Paersche, bei dem jeden Tag ein anderer Künstler das Geschehen in der Galerie bestimmte.

Die laufende Ausstellung von Manfred Bockelmann ist noch bis Februar nächsten Jahres zu besichtigen.

Galerie Koppelmann/Kunstwerk Nippes, Baudristraße 5, geöffnet Do, Fr 15-19 Uhr, Sa 11-15 Uhr, bis 1. Februar 2020

Janine Koppelmann, Galeristin

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