Polizeichef Jacob über Nachfolge„Warum muss es denn unbedingt ein Mann sein?“

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Uwe Jacob

Uwe Jacob war seit 2017 Polizeipräsident in Köln

  • Der Kölner Polizeipäsident Uwe Jacob hat am 31. Januar seinen letzten Arbeitstag vor dem Ruhestand.
  • Im großen Abschiedsinterview spricht er darüber, warum er sich eine Frau als Nachfolgerin vorstellen kann, warum man die Kölner Ringe nicht komplett befrieden kann und wie wichtig ihm Humor im Amt ist.

Köln – Herr Jacob, wir möchten gerne mit drei Halbsätzen beginnen, die Sie bitte vollenden. Der erste: In zehn Jahren sollen sich die Kölnerinnen und Kölner an mich erinnern als der Polizeipräsident, der… Uwe Jacob: …alles für die Stadt und vor allem für die Menschen in Köln und Leverkusen gegeben hat.

Meiner Nachfolgerin oder meinem Nachfolger hinterlasse ich auf meinem Schreibtisch …

… eine Karte mit einem netten Gruß und vielen guten Wünschen für ein gutes Händchen und viel Humor.

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Wenn Netflix eine fiktionale Serie über die Kölner Polizei drehen will, möchte ich gerne gespielt werden von…

… Dieter Nuhr. Ersatzweise Atze Schröder. (lacht)

Dass Sie Dieter Nuhr mögen, ist kein Geheimnis. Sie haben ihn mal mit dem Satz „Wenn man keine Ahnung hat, einfach mal die Fresse halten“ zitiert und damit die Kritik des Mülheimer Bezirksbürgermeisters Norbert Fuchs an einer geplanten Polizeireform gekontert. Das eskalierte bis in den Landtag. War der Satz ein Fehler?

Meine Berater hatten mir vorher dringend empfohlen, den Satz nicht zu bringen. Aber manchmal muss eben ein guter Spruch raus. Und der ist ja nicht öffentlich, sondern in einer internen Personalversammlung gefallen. Dass das am Ende den Minister erreicht hat, ist ein Verdienst der Medien. Am Ende stand nur noch „Fresse halten“ in den Schlagzeilen und nicht mehr der gesamte Zusammenhang. Und mit Herrn Fuchs habe ich mich ausgesprochen.

Zur Person

Uwe Jacob ist in Duisburg geboren und lebt in Moers. Die vergangenen viereinhalb Jahre ist er täglich von dort nach Köln gependelt. Er hat drei erwachsene Töchter, seine Frau brachte einen Sohn mit in die Ehe. Inzwischen ist Uwe Jacob Großvater.

Im Juli 2017 wurde Jacob Polizeipräsident in Köln, am 31. Januar 2022 ist sein letzter Arbeitstag, danach geht er in den Ruhestand. Vor seiner Zeit in Köln war der 65-jährige gelernte Polizist in verschiedenen Funktionen in NRW tätig, unter anderem bei der Bezirksregierung Düsseldorf, im Innenministerium und im Landeskriminalamt, dessen Leiter er zwischen 2013 und 2017 war. (ts)

Sind Sie danach vorsichtiger geworden mit dem, was Sie sagen?

Ich bin bekannt dafür, dass ich die Dinge klar benenne. Ich bin aber auch kein Politiker, sondern der Leiter einer Behörde, der das Gewaltmonopol obliegt. Da kann man bei vielen Dingen nicht drum herum reden. Als Polizist bin ich so sozialisiert, dass ich direkt eingreife, wenn irgendwo ein Problem ist. Und dazu gehört für mich eine klare Sprache. Als Polizeipräsident kann man nicht Everybody’s Darling sein, weder nach außen, noch innerhalb der Behörde. Dazu muss ich zu viele schwierige Entscheidungen treffen, jeden Tag.

Auf welche Ihrer Entscheidungen sind Sie stolz?

Auf unsere Bauprojekte, bei denen Summen im dreistelligen Millionenbereich bewegt werden. Die Wachen in Weiden und die beiden in Leverkusen werden neu gebaut. Viel größer wird aber der Anbau des Präsidiums in Kalk, den ich auf den Weg gebracht habe. Da sind wir voll im Plan. Die europaweite Ausschreibung ist beendet, Ende 2022 bekommt einer den Zuschlag und 2026 zieht meine Nachfolgerin mit ihrem Büro in den Neubau und ist dann noch ein paar Meter näher am Dom als ich es war.

Jacob Schreibtisch

Uwe Jacob beim Beantworten von E-Mails in seinem Büro

Nachfolgerin? Das müssen Sie erklären. Soweit wir wissen, schweigt sich der Innenminister zu Ihrer Nachfolge noch aus.

Ich gendere da gerne. In unserer Männergesellschaft sprechen alle immer nur vom Nachfolger. Aber warum muss es denn unbedingt ein Mann sein? Schauen Sie unten in unsere Ahnengalerie. Wenn Sie die komplett durchgehen und alle Kölner Polizeipräsidentinnen durchzählen, kommen Sie ungefähr auf Null. Aber es könnte doch mal sein. Auch beim LKA habe ich immer von „meiner Nachfolgerin“ gesprochen, alleine deshalb, weil dann alle zusammenzuckten. Meine Nachfolgerin hieß dann Frank Hoever.

Und wie heißt Ihre Nachfolgerin hier?

Ich habe keine Ahnung. Das ist die alleinige Entscheidung der Landesregierung. Ich bin selbst gespannt.

Warum ist Humor so wichtig in Ihrem Amt?

Ich muss Tag für Tag schlimme Sachverhalte zur Kenntnis nehmen. Da braucht man einen Ausgleich. Warum soll ich denn traurig durchs Leben gehen, wenn ich genauso gut fröhlich durchs Leben gehen kann? Damit kann man Menschen auch mitreißen. Humor macht ungezwungener und offener. Ich kann sehr schlecht mit Duckmäusern umgehen, mit Menschen, die ständig versuchen, mir nach dem Mund zu reden. Die bringen mich nicht weiter.

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Gibt es einen Einsatz in den vergangenen viereinhalb Jahren, der Sie besonders bewegt hat?

2019 hat jemand vor dem Hauptbahnhof „Allahu Akbar“ gerufen und eine Gruppe junger Afghanen, die hier Zuckerfest gefeiert hatten, ist daraufhin in den Bahnhof gerannt…

… die Polizei ging zunächst von einem möglicherweise geplanten Terroranschlag aus, was sich glücklicherweise als Irrtum herausgestellt hat…

Ja. Aber das wusste ja am Anfang noch keiner. Als erster Beamter war ein Motorradpolizist vor Ort. Der hatte die Männer mit gezogener Schusswaffe im Hauptbahnhof auf den Boden gesprochen. Tags darauf erzählte er mir, er habe in dieser Situation einfach nur funktioniert. Erst abends, als er seine kleine Tochter ins Bett brachte, hat er sich gefragt: Was habe ich da eigentlich gemacht? Was hätte ich getan, wenn der eine Handgranate dabei gehabt hätte? Da sind ihm die Tränen gekommen. Dieses unglaubliche Engagement der Kolleginnen und Kollegen jeden Tag, das finde ich beeindruckend. Auch, wenn wir damals von Teilen der Öffentlichkeit für unser konsequentes Einschreiten scharf kritisiert wurden und uns sogar Rassismus vorgeworfen wurde.

Es gab allerdings auch Fälle in Köln, in denen Polizisten Ihrer Behörde tatsächlich mit mindestens fragwürdiger oder rechtsextremer Gesinnung aufgefallen sind. Alles nur Einzelfälle?

Wir haben 6000 Mitarbeiter und hatten in den vergangenen vier Jahren ungefähr 20 niederschwellige Fälle. Da ging es oft um Begrifflichkeiten. Diese Fälle dürfen überhaupt nicht sein, das passt nicht zum Polizeiberuf. Dennoch bin ich fest überzeugt: Wir haben die demokratischste Polizei, die wir jemals hatten auf deutschen Boden. Trotzdem gibt es immer wieder Einzelfälle, wo man sich fragt: Wie konnte das passieren?

Die 20 Fälle sind ja womöglich nur die Spitze des Eisbergs. Vieles kriegen Sie und die Führungskräfte doch vermutlich gar nicht mit.

Das ist nicht die Spitze des Eisbergs, auf keinen Fall. Dafür kommunizieren wir hier viel zu offen. Wir haben auch alle 400 Führungskräfte noch einmal zu den Themen Rassismus und Korpsgeist geschult und gestärkt. Ich kann natürlich nicht ausschließen, dass heute Abend auf irgendeiner Wache eine Beamtin oder ein Beamter einen dummen oder extremistischen Spruch loslässt. Aber ich bin fest davon überzeugt, dass das kein strukturelles Problem ist.

Jacob Dienstwagen

Während der vielen Dienstfahrten erledigt Uwe Jacob Telefonate, Schriftkram  und tippt sms

Ein anderes Problem werden Sie zumindest im Amt nicht mehr lösen können: die zunehmende Gewaltbereitschaft an den Partyhotspots Ringe, Altstadt, Zülpicher Straße. Wie soll es da weitergehen?

Wir fahren da regelmäßig Streife, haben Videobeobachtung installiert. Ich glaube aber, man wird eine Großstadt, wo so viele Menschen leben und zum Feiern herkommen, wo viel Alkohol getrunken wird und dadurch Aggressivität entsteht, nicht zu einem Kloster machen können. Das geht nicht. Wir können als Polizei helfen, die Spitzen abzuschlagen, die Auswüchse zu beseitigen. Aber wir werden es nicht komplett befrieden können. Da sollte man sich nichts vormachen.

Ein Rekord ist Ihnen gewiss: Sie gehen wohl als Polizeipräsident mit der besten Kriminalstatistik aller Zeiten in die Kölner Geschichte ein. Welchen Anteil hat Corona daran und welchen polizeiliche Brillanz?

Wir hatten 2017 rund 150.000 Straftaten in Köln und Leverkusen und 2021 rund 120.000 – minus 20 Prozent. Die Zahl der Verkehrsunfälle sank um 21 Prozent. Ich sage im Brustton der Überzeugung, dass da eine ganze Menge polizeilicher Tätigkeit und Konzeption drin steckt, denn die Zahlen gingen ja vor Corona schon runter. Dass sie während der Lockdowns extrem eingebrochen sind, können wir uns natürlich nicht auf die Fahnen schreiben. Aber klar ist: Köln und Leverkusen sind erheblich sicherer geworden.

Am heutigen Montag ist Ihr letzter Arbeitstag. Was machen Sie morgen?

Ausschlafen, in Ruhe frühstücken und den „Kölner Stadt-Anzeiger“ lesen. Und wenn es da dicke Headlines im Zusammenhang mit der Polizei gibt, dann kann ich mir genau vorstellen, was hier in der Behörde gerade abgeht.

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