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Kölner Polizei in Alarmbereitschaft„E-Scooter-Fahrer halten sich an keinerlei Regeln“

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Symbolbild E-Scooter auf Ring

Symbolbild

  • Die Unfälle mit E-Scootern in Köln häufen sich – inklusive schwerer Verletzungen. Einen Kieferbruch und massive Gesichtsverletzungen verzeichnet die Polizei unter anderem.
  • Polizeisprecher Wolfgang Baldes erzählt davon, was die Beamten auf der Straße mit E-Scooter-Fahrern erleben. Eins von vielen Problemen: Trunkenheitsfahrten.
  • Eindringlich warnt Baldes auch vor dem unbekümmerten Kauf von E-Scootern in Elektromärkten.

Herr Baldes, wie gefährlich sind E-Scooter für Köln?

Es sind nicht die Scooter, sondern in erster Linie die Nutzer, die für gefährliche Situationen verantwortlich sind, weil sie sich oft an keinerlei Regeln halten. Sie fahren über Gehwege und durch Fußgängerzonen. Sie umkurven Fußgänger in Zonen, in denen sie gar nicht fahren dürfen. Sie stellen die Scooter wild ab, wo sie nicht parken dürfen. Das Hauptproblem ist aber der Alkohol. Und wir haben festgestellt, dass Mitarbeiter der Verleihfirmen beim Einsammeln der E-Scooter in zweiter Reihe parken, auf Radwegen oder im Halteverbot und die Scooter oft ungesichert in ihren Fahrzeugen transportieren. Das sind Dinge, die so nicht gehen. Deshalb braucht es klare Regelungen. Die Verleihfirmen haben auch schon erste Schritte angekündigt.

Am vergangenen Wochenende stoppte die Kölner Polizei 16 alkoholisierte E-Roller-Fahrer. Vier Fahrer zogen sich bei Unfällen teils schwere Verletzungen zu. Wie sehr erschrecken Sie diese Zahlen?

Seit die Scooter für den Straßenverkehr zugelassen sind, haben wir alle Hände voll damit zu tun. Die Unfälle hören nicht auf: Seit dem Wochenende kam es in Köln wieder zu vier Unfällen mit E-Scootern, zwei davon waren schwer. Dazu kommen Unfallfluchten und Alkoholfahrten. Ab den Abendstunden ist ein hoher Anteil dieser E-Scooter-Fahrer nach Berichten unserer Kolleginnen und Kollegen anscheinend deutlich alkoholisiert, insbesondere in der Innenstadt. Bei mehr als 1000 Polizeieinsätzen pro Tag in Köln können wir aber nur Stichproben machen.

Andererseits sind Unfälle und Trunkenheitsfahrten doch kein spezielles Problem von E-Scootern – oder etwa doch?

Nein, 2018 sind alleine zehn Radfahrer im Kölner Verkehr tödlich verunglückt, 319 erlitten schwere Verletzungen – ein Zehn-Jahres-Hoch. Das ist erschreckend und insofern sind Unfälle und schwere Verletzungen kein alleiniges Problem der E-Scooter-Fahrer. Nach Berichten aus den Krankenhäusern gehen wir aber von einem großen Dunkelfeld aus, da die Polizei vermutlich selten zu Alleinunfällen und Stürzen gerufen wird. Bei Fahrten unter Alkoholeinfluss fallen Radfahrer schlichtweg seltener auf. Ein alkoholisierter Radfahrer fährt in der Regel wohl auf einem Radweg oder auf einer Straße – und eben nicht wild und in Schlangenlinien mitten durch Fußgängergruppen hindurch.

Fällt der E-Scooter-Fahrer einfach nur mehr auf oder steckt hinter den hohen Zahlen mehr?

Scooter-Fahrer, die sich nicht an Regeln halten, begehen schnell mehrere Verstöße auf einmal, wenn sie beispielsweise zu zweit auf dem E-Scooter stehen und keinen Radweg, sondern einen Gehweg benutzen. Und das sind bisher nur die Probleme mit Leihscootern, die ordnungsgemäß versichert sind und eine Betriebserlaubnis haben.

Nun werden immer mehr Scooter zum Kauf in Elektromärkten angeboten. Und die Leute denken: Jetzt kaufe ich so einen Roller und fahre einfach los. Weit gefehlt. Wer den E-Scooter auspackt und ohne Versicherung durch Köln fährt, begeht bereits eine Straftat. Ist der E-Scooter nicht für den deutschen Straßenverkehr zugelassen, droht weiteres Ungemach. Und wenn der E-Scooter schneller als 20 Stundenkilometer fährt, braucht man einen Führerschein.

Sie erzählten von einem besonderen Slogan einer Elektrofachkette, der für E-Scooter wirbt…

…mit dem Slogan „Mit Vollgas ins Vergnügen“. Wir stellen momentan fest, dass allzu Unbedarfte momentan eher mit Vollgas ins Krankenhaus oder in Probleme fahren, die mit einem Ordnungswidrigkeits- oder Strafverfahren enden.

Die E-Scooter stehen inzwischen an jeder Straßenecke – und machen so den Eindruck, immer und überall verfügbar zu sein, problemlos und unkompliziert, vermeintlich nahezu regelfrei. Entsprechend unachtsam scheinen Benutzer sie zu verwenden. Ist ihnen das denn zu verübeln?

Es ist nicht die Aufgabe der Polizei, das zu bewerten. Unsere Aufgabe ist es, zu erreichen, dass die Leute nicht mehr alkoholisiert auf diese Teile steigen, vorsichtig und mit Rücksicht auf andere Menschen fahren und sich an die Regeln halten. Ein Auszug aus den Unfallberichten der vergangenen zwei Wochen: Gebrochene Sprunggelenke, ein Kieferbruch, massive Gesichtsverletzungen. Der Handlungsbedarf ist offensichtlich.

Die E-Scooter scheinen nichtsdestotrotz das Gefühl der großen Freiheit zu vermitteln. Es gibt weder eine Helmpflicht noch benötigt der Verwender in den meisten Fällen einen Mofa-Führerschein.

Deshalb haben wir mit Vertretern der Stadt und der E-Scooter-Verleiher in der vergangenen Woche eine Dringlichkeitssitzung anberaumt. Es gibt nun verschiedene Ansatzpunkte: Wir können etwas tun, aber auch die Verleiher. Sie bieten nun erste Fahrsicherheitstrainings an, die Einsammler der Scooter sollen sensibilisiert werden, außerdem sollen die Apps der Anbieter in den Abendstunden inzwischen vor Fahrten unter Alkoholeinfluss warnen. Ein Erfolg bleibt abzuwarten.

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Die Fahrsicherheitstrainings werden nur einen relativ kleinen Personenkreis erreichen; bei den Dringlichkeitssitzungen hat man Schwierigkeiten, die Verwender der Roller überhaupt ins Boot zu bekommen. Reichen diese Maßnahmen also aus?

Wer Unfug machen will, meldet sich bei keinem Fahrsicherheitstraining an. Deshalb glauben wir, dass es ganz konkrete Schritte braucht, mit denen Alkoholfahrten verhindert werden können. Und dabei erwarten wir die volle Unterstützung der Anbieter.

Sehen Sie auch sich selbst als Polizei noch stärker in der Pflicht, die Fahrer besser zu sensibilisieren, wie gefährlich E-Scooter sein können – und dass die gleichen Promillegrenzen gelten wie für Autofahrer?

Wir haben uns in den letzten Wochen den Mund schon fusselig geredet. Wir haben die Unfälle in die Medien getragen. Wir haben über soziale Medien vor den Gefahren gewarnt. Wir haben von Anfang an deutlich gemacht, dass der Scooter genauso ein Kraftfahrzeug ist wie ein Auto. Ich glaube, dass wir in der Informationsbreite kaum mehr tun können. Aber wir planen für die kommenden Wochen – gerade an den Wochenenden – mehrere Schwerpunktkontrollen.

Hat die Politik die Roller zu früh für den Straßenverkehr zugelassen?

Das würde ich nicht sagen. Es geht jetzt nicht um die Frage nach einer Schuld, als vielmehr darum, ein Bewusstsein bei den Nutzern zu schaffen, denn Köln hat bereits eine hohe Verkehrsdichte. Der Radverkehr hat zugenommen und nun kommen die E-Scooter als ein neues Verkehrsmittel dazu, das nach unseren Feststellungen aber häufig als Spielzeug für Erwachsene genutzt wird. Um das in den Griff zu bekommen, werden alle jetzt einen Teil beitragen: Die Verleiher, die Stadt und wir als Polizei.

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