Abbrucharbeiten haben begonnenIn Köln-Lind sollen bis zu 1200 Wohnungen entstehen

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Das ehemalige Lager Lind mit seinen Speichern, Magazinen und einer großen Bäckerei weicht dem Wohnungsbau.

Das ehemalige Lager Lind mit seinen Speichern, Magazinen und einer großen Bäckerei weicht dem Wohnungsbau.

Köln-Lind – Mächtige Silos, in denen einst Getreide für die Truppenverpflegung lagerten, die ehemalige Bäckerei, die alten Pferdeställe noch aus Kaisers Zeiten – all diese Gebäude am Linder Mauspfad sind jetzt abgerissen; dort soll in großem Stil neue Wohnbebauung entstehen.

Die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (Bima) als Grundstückseigentümer plant am Ortsausgang von Lind den Bau von 800 bis 1200 Wohnungen. Auf der Immobilienmesse Expo Real in München haben Oberbürgermeisterin Henriette Reker und Bima-Vorstandsmitglied Paul Johannes Fietz im Oktober vorigen Jahres einen Wohnungsbaupakt unterschrieben, der einen Beitrag zur Entlastung des Wohnungsmarktes zum Ziel hat.

88.000 Quadratmeter großes Gelände in Köln-Lind

Die Bundesanstalt stellt dafür Flächen bereit. In Lind auf dem ehemals von der Bundeswehr genutzten Gelände sind das allein 88.000 Quadratmeter. Die Stadt soll dem Pakt zufolge das Baurecht schaffen, die Realisierung des Wohnungsbaus an dieser Stelle will die Bima selbst übernehmen. Die Wohnungen, über deren genaue Zahl erst im Verlauf der Planung entschieden werden soll, können dann Bundesbediensteten und anderen Mietern angeboten werden.

Alles zum Thema Henriette Reker

Der Abbruch markiert den Beginn eines Planungsverfahrens, das nach dem Willen von Reker und Fietz möglichst zügig durchgezogen werden soll. Es gilt dabei auch Infrastrukturfragen zu klären. Lind ist in Sachen Schule und Einkaufsmöglichkeiten klar unterversorgt. Die Bima will das Vorhaben demnächst an Ort und Stelle präsentieren.

Artenschutzmaßnahmen erarbeitet

Ehe jetzt die Bagger kamen, hat es auf dem seit vielen Jahren ungenutzten Lager bereits erhebliche Vorarbeiten gegeben. Unter anderem war der Bundesforstbetrieb Rhein-Weser in Zusammenarbeit mit der Unteren Landschaftsbehörde involviert. Im Rahmen eines Landespflegerischen Begleitplans wurden nach Auskunft von Bundesforst-Leiter Achim Urmes diverse vorgezogene Artenschutzmaßnahmen erarbeitet.

Zahlreiche auf dem Gelände lebende Tierarten wurden ermittelt und für sie in erheblichem Umfang Ausweich-Schlafplätze oder Nisthilfen angelegt. Zwergfledermäuse, die in vielen der alten Gebäude ihre Schlafplätze hatten, bekamen auf hohen Pfählen installierte „Hotels“.

Die Pfahlbauten können, wenn dort erst Wohnbebauung für Menschen realisiert ist, an ruhigere Plätze auf dem weitläufigen Gelände versetzt werden. Mit solchen Ersatzbauten soll auch versucht werden, den Mauerseglern diesen Ort weiter zum Brüten anzubieten. Die Tiere, die erst spät im Frühjahr aus ihren Winterquartieren ins Rheinland kommen, sind allerdings bei der Wahl ihrer Brutplätze sehr eigenwillig.

Silo wird zum Fledermausschutz mit Vliesnetz abgedeckt

Zum Fledermausschutz wurde ein gesamtes Silo in Vorbereitung des Abbruchs mit Vliesnetz abgedeckt. Wie Urmes berichtet, hatten die Tiere dort bei Tag Schlafplätze in den bröckeligen Fugen der Backsteinmauern. Bei Nacht, als die Tiere ausgeflogen waren, wurde an aufwändig errichteten Gerüsten ein Vlies um das Gebäude gespannt, um eine Rückkehr der Tiere zu verhindern. Das war nötig, damit bei den Abbrucharbeiten nicht versehentlich Tiere getötet würden, was dem gesetzlichen Tötungsverbot zuwiderliefe.

Für Singvögel wie Rotschwänzchen und für mehrere hier heimische Eulenarten wie Waldkauz und Schleiereule wurden alternative Nisthilfen in großer Zahl gebaut. Urmes berichtet: „Eine ehemalige Werkstatt nahe dem Tor wurde komplett zu einem Artenschutzhaus umgebaut, wo vor allem Fledermäuse ihr Tagquartier nehmen können“. Das sogenannte Lager Lind war in den 1930er Jahren als Heereshauptverpflegungslager eingerichtet worden. Dafür wurden zum Teil Gebäude der früheren Linder Dynamitfabrik genutzt, massive Speicher wurden auch neu errichtet. Gewaltige Mengen an Nahrungsmitteln waren nötig, um die Verpflegung der Soldaten sicherzustellen.

Heimatforscher Benno Krix hat in einem Beitrag für das Jahrbuch des rechtsrheinischen Heimatvereins den Umfang der Bauarbeiten in den 30er-Jahren beleuchtet und berichtet unter anderem von einer eigenen Bäckerei. In vier gewaltigen Öfen seien dort täglich 5000 Brote gebacken worden.

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Es gab zudem Silos für Stroh – was beispielsweise zum Stopfen der Strohsäcke gebraucht wurde, auf denen die Soldaten schliefen.Persönliche Erinnerungen an die jetzt abgebrochenen Gebäude im Lager Lind hat Hans Homis, der 1936 geboren ist und bei Kriegsende mit anderen kleinen Jungs auf dem verlassenen Wehrmachtsgelände nach Sachen suchte, die die Kriegsverlierer hinterlassen hatten. „Die Bäckerei und die Kornvorräte waren schon geplündert“, erinnert er sich. Kistenweise Stollen zum Pferdebeschlagen hätten die Linder Pänz entdeckt, Sportgeräte, Fahrräder ohne Beleuchtung und Bereifung und ein ganzes Magazin voller Zahnpulver und Taschenbücher.

Wie Homis sich erinnert, sollten die Silos nach Kriegsende eigentlich gesprengt werden. Dagegen hätten die Frauen in Lind aber erfolgreich argumentiert – wozu jetzt noch mehr zerstören? 75 Jahre haben die Silos und weitere Häuser dann noch gestanden, Denkmalschutz gab es für keines der Gebäude.

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