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Ein steinerner Zeuge des Europa-Gedankens

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Ensen-Westhoven –  Ein steinernes Denkmal aus dem 19. Jahrhundert ist am Ensen-Westhovener Rheinufer in Höhe des heutigen Stromkilometers 679,4 jetzt für jedermann sichtbar. Den einzigen im rechtsrheinischen Köln erhaltenen Myriameterstein haben Jörg Pfennig und Wolfgang Pütz von der Bürgervereinigung Ensen-Westhoven 2019 aufgespürt und ihren Fund bei der Denkmalbehörde und beim Römisch-Germanischen Museum gemeldet, die großes Interesse zeigten. Nun haben Mitarbeiter des Grünflächenamtes das Brombeerdickicht zwischen dem Leinpfad und dem hoch auf der Böschung eingemauerten Stein entfernt.

Die Bürgervereinigung will die Umgebung der historischen Strommarkierung künftig pflegen, am Leinpfad soll ein Schild mit Text und historischer Bebilderung aufgestellt werden, das auf die Vermessung des Rheins zwischen der Mittleren Brücke zu Basel (heute Rheinkilometer 166,6) und der Rheinmündung in den Niederlanden hinweist. Die „Central-Commission für die Rhein-Schifffahrt“, die nach einem Beschluss des Wiener Kongresses von 1814/15 gegründet worden und in Mainz ansässig war, führte Vertreter der Rheinanliegerstaaten Baden, Bayern, Frankreich, Hessen, Nassau, Niederlande und Preußen zusammen .

Sie ordneten 1864 erstmals eine Gesamtvermessung des Rheins an, nachdem der Strom seit 1817 begradigt worden war. An beiden Flussufern kennzeichneten Vermarkungssteine 10 000-Meter-Abstände. Daher rührt der Name Myriameterstein (vom griechischen Wort Myrias für Zehntausend).

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Bemerkenswert ist schon die Vermessung des Rheinstromes in Meter. Erst kurz zuvor war das metrische Maßsystem in Deutschland eingeführt worden. Der königliche Erlass der „Maß- und Gewichtsordnung für den Norddeutschen Bund“ beendete 1868 ein verwirrendes Gemisch an zuvor benutzten Maßen, darunter Fuß, Elle und unterschiedlich lange Meilen.

Wie die etlichen Hundert damals installierten Steine links und rechts des Rheines, misst der Porzer Myriameterstein etwa einen halben Meter im Quadrat, ist samt Sockel etwa 1,20 Meter hoch und wird von einer flachen Pyramide gekrönt. Ursprünglich war er schwarz auf weiß bemalt, wie Farbreste auf dem behauenen Exemplar aus Ibbenbürener Sandstein noch erkennen lassen.

Nach Westen hin steht die Nummer des Steins mit der römischen Ziffer „LI“ eingemeißelt (für 51, also 51 Mal die Myriade von 10 000 Metern). Darunter ist die Höhe über dem seinerzeit maßgeblichen Amsterdamer Pegel (Amsterdams Peil) zu lesen, nämlich 47,197 Meter. Auf der Rückseite des Steins sind die Entfernungen bis nach Basel (510 Kilometer) und Rotterdam (314,450) eingehauen.

Auf der Unterstrom-Seite findet sich die Entfernung bis zur niederländischen Landesgrenze, 184,404 Kilometer, auf der Oberstrom-Seite die Entfernung bis zur preußisch-hessischen Landesgrenze bei Bingen, 147,708 Kilometer. „Nachträglich zugefügt wurde zur Rheinseite hin ein Metallknopf “, sagt Jörg Pfennig. So hoch stand das legendäre Hochwasser von 1882 (10,52 Meter nach Kölner Pegel).

Die Myriametersteine sind eindrucksvolle Erinnerungen an die Zeit, als die Rheinanliegerstaaten erstmals etwas Gemeinsames geplant und verwirklicht haben – steinerne Zeugen des Europa-Gedankens. Allerdings währte ihre Gültigkeit nur kurz. Schon von 1883 an wurden sie schrittweise durch Landeskilometrierungen ersetzt. Inzwischen sind nur noch etwa 70 erhaltene Myriametersteine bekannt. „Der einzige linksrheinische in Köln steht gegenüber“, verweist Wolfgang Pütz aufs jenseitige Rheinufer.

Der jetzt wieder gut sichtbare Stein auf der Grenze zwischen Porz und Ensen trägt die Nummer 51. Der Nachbarstein mit der Nummer 50 in Lülsdorf ist ebenfalls erhalten. Wie Jörg Pfennig in Erfahrung gebracht hat, steht das nächste erhaltene rechtsrheinische Exemplar erst in Monheim.

Jörg Pfennig

Wolfgang Pütz

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