Kölner Schüler in der Pandemie„Die Bildungsungleichheit ist gewachsen“

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Köln-Zündorf/Vingst – In einer Schüler-Befragung mit 60 Kindern und Jugendlichen aus Bildungseinrichtungen in Zündorf und Vingst dokumentieren die Initiatoren des Vereins Pro Humanitate die Auswirkungen des Distanzunterrichts auf junge Menschen. Viele der interviewten Personen im Alter von acht bis 16 Jahren gaben dabei an, sich alleine gelassen und überfordert zu fühlen. Zudem habe sich der Notenschnitt bei 96 Prozent der Teilnehmerinnen und Teilnehmern verschlechtert.

„Es ist offensichtlich, dass die Bildungsungleichheit gewachsen ist. Der Distanzunterricht erfordert vor allem digitale Geräte und Rückzugsmöglichkeiten zum Lernen, die oftmals nicht vorhanden sind. In einer Familie mit fünf, sieben oder mehr Personen, die in beschränkten Wohnverhältnissen lebt, dürfte das nicht verwunderlich sein. Nicht selten haben die Kinder weitere Aufgaben, wie beispielsweise auf die Jüngeren aufzupassen“, sagt Gule Cinar-Sahin. Die Sozialpädagogin moniert zudem die Unterstützung durch Lehrerinnen und Lehrer. „Es hat sich gezeigt, dass nicht wenige der Pädagoginnen und Pädagogen überfordert sind. Laut unserer Umfrage haben fast 47 Prozent der Schülerinnen und Schüler nur teilweise Rückmeldungen auf ihre Fragen erhalten, nahezu zwölf Prozent bekamen keinerlei Feedback.“

Probleme bereiten vor allem die erforderlichen technischen Ausstattungen der Haushalte. Oftmals müssten sich die Teenager einen Laptop oder ein Tablett mit mehreren Geschwistern teilen. Zudem besitze nicht jede Familie einen Drucker. Dann müssten die Aufgabenstellungen mühsam von anderen Schülern abgeschrieben werden. Im schlimmsten Fall sind keine der genannten Medien vorhanden. Hier reduziert sich der Unterricht auf das Handy, auf dem Videos oder andere Dateien abgerufen werden müssen, so Cinar-Sahin. Um Abhilfe zu schaffen, besorgte der gemeinnützige Verein 30 gebrauchte Laptops. Eine gesonderte Hausaufgabenhilfe erfolgte in den Räumlichkeiten am Christrosenweg.

„Ich bin froh, dass das mittlerweile vorbei ist. Ich kann eben besser lernen, wenn mein Lehrer mir etwas direkt erklärt. Ich hatte zwar keine Probleme mit dem Laptop, aber meine Mutter kennt sich nicht so gut aus und ruft nicht immer die E-Mails ab. Daher mussten wir es so machen, dass meine Schwester in England die Nachrichten auf ihr Gerät bekam und dann an mich weitergeleitet hat“, berichtet Katrin (11). Ihre Mitschülerin Maissa ist ebenfalls über die Rückkehr zum Präsenzunterricht erleichtert. „Ich kam nicht wirklich gut mit und habe Dinge oft nicht richtig verstanden“, sagt die 15-Jährige. „Es gab immer wieder Probleme mit fehlenden Sachen, die einfach nicht ankamen. Ich hatte auch Kopfschmerzen wegen dem Lernen mit dem Handy. Die Aufgaben so zu lesen und zu verstehen, war ziemlich anstrengend.“ Sie habe sich in Englisch und Französisch verschlechtert. „Da hatte ich sogar eine Fünf. Jetzt stehe ich wieder auf Drei“, so die Jugendliche.

Auch für Fanta (13) wurde der Schulbesuch zunächst auf das Smartphone reduziert: „Das war stressig. Ich habe mich daher über den Wechsel ans Laptop gefreut. Aber das lief total langsam und war keine wirkliche Lösung. Es gab zwar auch Geräte von der Schule, aber nur, wenn man wirklich berechtigt war, also sonst nichts hatte“, erläutert die Schülerin. „Immerhin“, so Fanta, „kenne ich mich jetzt richtig gut mit der Kommunikations-App aus. Ich habe also durch Corona doch noch etwas dazugelernt.“

Ein offenes Ohr für die Belange der Kinder und Jugendlichen zeigte Bezirksjugendpflegerin Erika Wagner, die sich vor Ort über die Situation erkundigte. „Was hier berichtet wird, ist leider repräsentativ. Wir müssen daher verstärkt Basisfinanzierungen für solche Fälle sicherstellen. Die Krise hat zudem offenbart, wie wichtig Einrichtungen wie etwa Pro Humanitate sind“, so Wagner.

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