Stadtspaziergang durch PollUnterwegs auf Kölns Sonnenseite

Lesezeit 7 Minuten
Poller Wiesen mit Schafen und Vögeln

Die Poller Wiesen 

Köln-Poll – Nur ein paar Schritte sind es von der Haltestelle „Raiffeisenstraße“ (Linie 7) unter den Eisenbahngleisen durch bis zur zweiten Straße rechts. Am „Immergrünweg“ biegen wir in die vor genau 100 Jahren fertiggestellte Siedlung von 114 kleinen Einfamilienhäusern ein. Mit bescheidenem Aufwand wurde hier ein eigener Mikrokosmos und trotz vielfacher Modernisierung und Aufstockung eine heute noch spürbare heimelige Stimmung erzielt. Die Straße mündet auf den beschaulichen „Efeuplatz“ mit der wohl erst einige Jahre später aufgestellten Stein-Skulptur eines Poller Milchmädchens vor einem Esel (1).

Milchmädchen-Denkmal Efeuplatz

Das Milchmädchen erinnert an Polls Vergangenheit als Milchlieferant für die Stadt Köln. 

Sie erinnert an die Zeit, als Milch für Poll ein wichtiger Teil des Wirtschaftslebens war. In auffällig farbiger Tracht schafften die Mädchen ihre weiße Ware mit einem Handkarren, auf einem Esels-Fuhrwerk oder auch in einem kleinen Fährboot über den Rhein in die Kölner Altstadt, um sie dort „zu messen“, wie der Verkauf mit Hilfe eines Litermaßes genannt wurde. Waren die Kannen leer, musste das Boot am Seil rheinaufwärts bis Rodenkirchen gezogen werden, um von dort aus wieder nach Poll zu rudern – eine schweißtreibende Angelegenheit.

Durch den Torbogen rechts geht es über „Christtannenweg“ und „An den Maien“ links aus der Siedlung heraus. Hier ist bereits das Hochhaus der TÜV-Verwaltung zu sehen. Wir wenden uns aber nach rechts wieder unter eine Eisenbahnunterführung, sehen zunächst den solitär stehenden Glockenturm und kurz darauf auch die Kirche Hl. Dreifaltigkeit. Zwischen Kirche und Schule geht es in eine neuere Siedlung aus den 50er Jahren. Wir halten uns links „Zum Milchmädchen“. Dank ihrer Namensgebung (weitere Straßen heißen etwa „In der Kanne“ oder „Zum Milchesel“) ist es heute für viele Bewohner die eigentliche „Milchmädchen-Siedlung“. Wer links eine der Einfamilienhäuser-Reihen durchschreitet, wirft am Ende einen schönen Blick auf die Pferdekoppel „Pollerosa“.

Wegkreuz von 1737

Dieses Wegkreuz stammt vom 31. April 1737. Kein Scherz.

Durch das „Butterfass“ und am Ende nach links kommen wir zum Poller Markt. Gleich hinter der Straßenbahnhaltestelle „Salmstraße“ liegt das „Meta“, das ambitionierteste Restaurant des Stadtteils. Gleich gegenüber auf der anderen Seite der „Siegburger Straße“ – Hauptgeschäftsstraße von Poll – hat der kleine Schuppen namens „Pinocchio“ seit vielen Jahren zahlreiche Stammkunden für seine Pizza- und Pasta-Gerichte – insbesondere zum Mitnehmen. Der Spaziergang führt nun unmittelbar am Haltestellen-Kiosk vorbei die Bahngleise entlang und am Ende links zum „Rolshover Hof“ (2). Erst mit der Eingemeindung Polls nach Köln 1888 wurde auch das bis dahin selbstständige Rolshoven ein Teil von Poll. Einen Hof gab es dort schon wohl vor über 1000 Jahren. Das heutige Herrenhaus stammt von 1875. Die große Anlage wurde 1994 aufwändig saniert und beherbergt Arztpraxen und Büros. Ein Rundgang lohnt sich. Auf dem Weg zurück befindet sich am Ende der Wiese ein von der Familie Rolshoven gestiftetes Wegkreuz, das laut Inschrift am 31. April (!) 1737 errichtet wurde.

Letzter Bauernhof in Köln

Wieder einige Meter zurück geht es nach rechts zur „Siegburger Straße“ und darüber hinweg hoch „Auf dem Sandberg“. Links (Nummer 66) befindet sich der letzte noch bewirtschaftete Bauernhof innerhalb des Kölner Autobahnrings. Samstags bis 12.30 Uhr ist der Hofladen der Familie Kleinschmidt geöffnet: angeboten werden Eier von 250 Hühnern, Schweinefleisch aus eigener Zucht, saisonales Gemüse aus dem heimischen Garten und Kartoffeln von Poller Feldern. Wir gehen weiter hoch und sehen vor uns die Bushaltestelle am „Poller Damm“. Hier, an der höchsten Stelle im Viertel, statten wir dem ehemaligen (und sehr kleinen) Poller Friedhof einen kurzen Besuch ab.

Ahl Poller Schull

Die Ahl Poller Schull dient längst als Bürgerzentrum in Poll. 

Wer mit Kindern unterwegs ist, wird mit ihnen am direkt anschließenden großen Spielplatz Spaß haben. Zurück geht es zur „Poller Hauptstraße“ und dem mit mehrfarbigen Ornamenten reich verzierten Backsteinbau: die Alte Poller Schule (3). Seit fast 30 Jahren dient sie als Bürgerzentrum, in dem auch Räume für Feiern gemietet werden können. Der große lichte Hof mit Boule-Platz, Tischtennisplatte, Sitzgelegenheiten und begehbarem Bücherschrank ist beliebt und für einen Aufenthalt (auch mit Picknick) gut geeignet.

Das Alt Poller Wirtshaus mit lauschigem Biergarten

Auf dem weiteren Weg durch die Hauptstraße gibt es rechts und links immer wieder Häuser aus der Zeit vor 1888. Erst nach der damaligen Eingemeindung gab es in Poll öffentliche Beleuchtung und Kanalisation sowie einen Nahverkehrsanschluss nach Deutz. An der nächsten Kreuzung wartet das „Alt-Poller Wirtshaus“ ebenso wie viele Gäste sehnsüchtig darauf, dass der lauschige Biergarten wieder öffnet. Ein kleiner Schwenk ums Karree (Salmstraße, Kleinstraße, JungbergerStraße) erlaubt den Blick auf einen langgestreckten Bau in zweiter Reihe: hier befand sich früher das Kino. Wir kommen am ehemaligen Hinterausgang – heute Eingang zu einem ungewöhnlichen Wohnhaus – vorbei und folgen der Poller Hauptstraße an der Kirche St. Joseph vorbei. Die nächste Kreuzung ist heute unscheinbar. Hier, kurz vor den Rheinwiesen, befand sich aber bis vor etwa 150 Jahren trotz ständiger Hochwassergefahr das Zentrum des alten Fischerdorfes Poll – mit kleiner Schule, Brunnen und Gerichtsplatz.

Villa Weingartengasse

Hübsche Villa in der Weingartengasse

Links geht es in die „Weingartengasse“, in der tatsächlich vor Jahrhunderten auch mal Wein angebaut wurde. Zunächst dominieren neuere Miets- und ältere Einfamilienhäuser, im weiteren Verlauf folgen immer mehr Villen. Die Immobilien hier – oft mit Rheinblick – sind die begehrtesten in Poll. Wir folgen dem Verlauf der Straße an den Hochhäusern der „Kreuzau“ vorbei bis auf den „Westhover Weg“. Rechts sind die Bögen der Rodenkirchener Brücke zu sehen. Derzeit wird diskutiert, die 1941 fertiggestellte und 1994 in der Breite verdoppelte Brücke noch einmal um zwei Fahrspuren zu erweitern.

Das Freizeitangebot zu Zeiten der Pandemie ist begrenzt. Wir empfehlen, die Stadt mit Spaziergängen zu erkunden. An- und Abfahrt: Haltestelle „Raiffeisenstraße“ der Linie 7. Länge: Der Rundweg ist etwa acht Kilometer lang. Er kann auf zwei Arten deutlich verkürzt werden. Die erste Möglichkeit ist, auf die   Schleife über „Weingartengasse“ und „Poller Fischerhaus“ zu verzichten und stattdessen von der „Poller Hauptstraße“ direkt zum Rhein zu gehen. Die zweite Möglichkeit ist, von den Poller Wiesen  zur Alfred-Schütte-Allee hochzugehen und dort mit dem Bus 159 bis zur Bus- und Straßenbahn-Haltestelle „Salmstraße“ (Linie 7) zu fahren. Die beiden dafür möglichen Bushaltestellen sind rechts vor dem Schütte-Werk  und am Tennisclub „Germania“.  

Unmittelbar vor der Unterführung gehen wir nach rechts parallel zur weiter oben verlaufenden Autobahn. Kurz vor den Brückenpfeilern liegt das „Poller Fischerhaus“ (4). Die recht einfache, aber liebenswerte Gaststätte hat eine Geschichte von fast 120 Jahren hinter sich, wenn sie auch ursprünglich näher am Rhein stand. Mit einer Terrasse für 1000 Gäste und Schiffsanleger war schon das alte Gartenlokal ein beliebter Ausflugspunkt. Hier wurden (bis 1938) die oft mühsam in langen Netzen gefangenen Rheinfische an Land gezogen. Die Fischerei war (neben Viehzucht und Milchwirtschaft) über Jahrhunderte ein entscheidender Teil des wirtschaftlichen Lebens in Poll. Nur noch wenige Meter sind es von hier bis zum Rhein. Der Weg führt nun am Campingplatz vorbei und dann immer parallel zum Wasser. Rechts liegen zunächst noch vom Bauern Kleinschmidt genutzte Felder. Das ändert sich auf dem Oval des ehemaligen Kirmesplatzes – hier spielen Kinder Ball oder üben Radfahren. Etwas später wird vielleicht gegrillt, musiziert, gefeiert (hoffentlich bald wieder im größeren Kreis), Erholungssuchende liegen im Gras oder bei niedrigem Wasserstand an den Kribben im Sand: dolce far niente – das süße Nichtstun ist hier ganz einfach.

Stadtspaziergang-Willi-Poll-01

Der Spaziergang durch Poll 

Die berühmten Poller Wiesen (5) sind groß genug, um Abstand zu wahren. Viele Besucher schätzen es, dass sie sich hier auf Kölns Sonnenseite befinden und die wärmenden Strahlen bis zum Abend genießen können. Vorbei an der traditionsreichen Maschinenfabrik Schütte geht es zur Südbrücke. Unter den Bögen des mächtigen Bauwerks ist der Blick frei auf den Rheinauhafen auf der anderen Flussseite. Unmittelbar vor dem Tennis- und Ruderclub „VKC“ gehen wir hoch auf die Allee und setzen uns – sofern geöffnet – auf die Terrasse des Vereinsrestaurants RheinLust.

Blick Richtung Poll

Blick nach Poll mit Südbrücke 

Unmittelbar hinter der Südbrücke geht es rechts in den „Schnellert“. Die Mauern der Metallverwertungsfirma verdecken (noch) den Blick auf den Deutzer Hafen (6). Um ihn doch sehen zu können, ist es nötig, über die ersten Gleise der Hafenbahn zum Kran (Fotomotiv!) zu gehen. Es gibt zwar keine Verbotsschilder und nur noch selten einen Zug, aber man muss dennoch vorsichtig sein. Am Ende der Halle rechts bietet sich ein Überblick auf den gesamten Hafen bis zur Ende 2020 aufgegebenen Ellmühle. Bis dorthin werden rechts und links des Hafenbeckens Wohnungen und Büros für 13 000 Menschen gebaut – ein gewaltiges Programm. Wir kehren zurück zum „Schnellert“, biegen an der ersten Straße rechts in den „Poller Kirchweg“ ab und nutzen einen kleinen Fußweg, um links in die „Raiffeisenstraße“ zu kommen. An deren Ende befindet sich wieder die Haltestelle der 7.

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