Vergnügliches Sinnieren über Verbote

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Zündorf – Eben zu Fuß über die Straßenbahngleise laufen und damit den Schulweg beträchtlich abkürzen – das machten Pennäler nicht selten, wenn sie es auf dem Weg ins Lessing-Gymnasium mal wieder eilig hatten. Verbotsschilder an der Strecke der Linie 7, wie sie in den 80er-Jahren deutlich sichtbar aufgestellt waren, schreckten die jungen Leute damals nicht wirklich, erinnert sich der Politologe, Sozialwissenschaftler und Journalist Frank Überall, der in Zündorf zur Schule gegangen ist. Mit diesem ersten Verbotsschild und seinem Hinweis auf „Kölns gefährlichsten Schulweg“ initiierte der politisch aktive junge Mann damals eine Berichterstattung im „Express“.

Mehr als ein Vierteljahrhundert später springt der Schüler von einst nicht mehr über Bahngleise. Doch hat er ein riesiges Arsenal von Verbotsschildern sowie Überlegungen zu Sinn und Wirkung von Verboten zusammengetragen und daraus ein Buch gemacht. „Es ist untersagt...“ heißt das Werk, das er im Landhaus Zündorf bei einer vergnüglichen Lesung vorstellte.

Frank Überall hat mit seinem journalistischen Kollegen Wolfgang Jorzik viele Jahre lang gesammelt, was alles verboten ist – aus guten Gründen und mitunter auch mit nicht ganz so klar erkennbaren Absichten. Fotos von Verbotsschilder auf alten Kalker Industriegrundstücken waren der Anfang, später dehnten die beiden ihre Verbots-Suche auf Deutschland und weit darüber hinaus aus. Und sie begannen, darüber zu sinnieren, warum Verbote die Menschen verwirren, warum sie aber zugleich unverzichtbar für ein stressarmes Zusammenleben sind.

Wolfgang Jorzik hat das Erscheinen des Buches nicht mehr erlebt; er starb 2015. Seiner Familie lassen Überall und der Verlag den Erlös aus dem Buchverkauf zukommen.

Im Landhaus stellte Frank Überall den Besuchern höchst unterschiedliche Sichtweisen auf Verbote vor. Er hat dazu Prominente befragt, die sich als Religionswissenschaftler, Arzt, Philosoph oder Kriminologe mit all dem befasst haben, was zu Verboten führt, was den Umgang von Menschen mit solchen Restriktionen betrifft und was bei Übertretung passieren kann.

Während manch einer in völliger Unkenntnis Verbote nicht beachtet und dafür trotzdem bestraft wird, gelingt es anderen, durch geschickte Argumentation einer Strafe zu entgehen. Dafür nannte Überall das Beispiel eines Kölner CDU-Politikers, der von Polizeibeamten bezichtigt worden war, beim Autofahren telefoniert zu haben. Der Politiker argumentierte, es sei nicht sein Handy, sondern ein Portemonnaie gewesen, das er zur Selbstberuhigung gern ans Ohr halte – und er kam vor Gericht damit durch.

Dem Geist des Verbotes hat Überall in Köln nachgespürt und beispielsweise entdeckt, dass der neue Rheinboulevard zwar komplett aus Beton besteht, aber eigens als Grünfläche gewidmet worden ist, „damit da so viele Verbote möglich sind“. Aus der Agenda der Rheinboulevard-Vorschriften hob er das Shisha-Verbot explizit hervor – das sei bundesweit vermutlich einzigartig.

Mit einem kleinen Ratespiel beteiligte der Auto die Gäste der Lesung an einem Aspekt von Verboten, der oft Schwierigkeiten mit sich bringt. Schilder sind zuweilen so abstrakt gestaltet, dass viele Menschen aus den Bildern gar nicht ersehen können, was hier eigentlich verboten ist.

Wer würde beispielsweise darauf kommen, dass ein durchgestrichener Luftballon in der Stuttgarter U-Bahn heißen soll: Hier dürfen keine Gas-Luftballons mitgeführt werden, weil sie sich losreißen könnten und dann zu Problemen mit der Oberleitung führen. Warum in Kieler Grünanlagen das Mitführen von Waffen wie Baseballschlägern, Pistolen oder Klappmessern untersagt ist, erscheint dagegen verständlich – nicht aber, dass dies nur von 21 bis 6 Uhr der Fall ist.

Unter dem Motto „Regelrecht... Porz!“ hat Überall eine Auswahl der hiesigen Verbotsschilder auf einer Postkarte zusammengefasst. Die meisten davon erscheinen durchaus sinnvoll und manche sind sogar künstlerisch gestaltet. Was Überall und seine inzwischen etlichen Zulieferer an Verbotsschildern weltweit entdeckt haben, ist hingegen nicht immer selbsterklärend.

In der Tiroler Region Ischgl ist es beispielsweise verboten, nachts auf Skischuhen unterwegs zu sein oder Skier, Skistöcke und Snowboards herumzutragen – das sei laut und gefährlich, argumentiert die Verwaltung und droht Strafgelder von 2000 Euro an.

In sozialen Netzwerken ist die Verbotssuche, die Frank Überall und Wolfgang Jorzik begonnen haben, inzwischen zu einem Selbstläufer geworden. Besonders strenge oder absurde Verbote bekommt Überall mittlerweile aus aller Welt zugeschickt. Weitere Lieferungen sind ihm willkommen.

www.esistuntersagt.de

Frank Überall

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