Pressefreiheit am BosporusKölner Journalist in der Türkei angeklagt

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Die Studentengruppe der Hochschule für Medien, Kommunikation und Wirtschaft

Köln – Celal Baslangic ist Chefredakteur des Fernsehsenders „Arti TV“, der aus Studios im Kölner Stadtteil Dellbrück rund um die Uhr sendet. Der türkischsprachige Nachrichtenkanal wird auch von Exil-Journalisten wie Baslangic betrieben. Weil die Pressefreiheit in der Türkei vom Präsidenten Edogan immer weiter eingeschränkt wird, will das Kölner Fernseh-Team objektive Nachrichten dagegensetzen. Zurück in seine Heimat reist Celal Baslangic derzeit nicht: Er muss Angst haben, dort festgenommen zu werden. In Köln ist er Chefredakteur beim Fernsehen, in der Türkei steht er vor Gericht. Er muss sich in einem Strafprozess verantworten, ihm drohen mehr als 14 Jahre Haft.

Master-Studierende der HMKW Hochschule für Medien, Kommunikation und Wirtschaft haben in einem Filmprojekt die Hintergründe beleuchtet. In der Türkei gebe es keine wirkliche Pressefreiheit mehr, erklärt Mihriban Basar, Geschäftsführerin von „Arti TV“. Wer für den Sender von der Türkei aus als Korrespondent arbeite oder sich bloß als Experte interviewen lasse, müsse mit Repressalien rechnen. Chefredakteur Celal Baslangic wird verfolgt, weil er – wie viele andere prominente Journalisten auch – für einen Tag symbolisch die redaktionelle Verantwortung für die kurdische Tageszeitung Özgür Gündem übernommen hatte. Für Oktober wird ein Urteil erwartet. Der staatliche Druck auf Medien in der Türkei ist für alle Mitarbeiter bei „Arti TV“ in Köln allgegenwärtig, erzählt Geschäftsführerin Mihriban Basar: „Hier sind wir in Sicherheit, hier können wir berichten.“

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Celal Baslangic ist Chefredakteur von Arti-TV

Der Kölner TV-Kanal ist per Satellit in der Türkei zu empfangen, aber er wird auch von Türken in Deutschland geguckt. Überhaupt würden viele lieber muttersprachliche Medien konsumieren, erklärt Baha Güngör. Er lebt in Köln und war viele Jahre lang Korrespondent der „Deutschen Presse-Agentur“ in Ankara. Der Buchautor erklärt im Interview mit den HMKW-Studierenden den „schweren Stand“ der Journalisten in der Türkei: „Sie werden für geringste Äußerungen, die Erdogan nicht gefallen, von seinen Handlangern in der Justiz oder im Staatsapparat bestraft und eingesperrt.“ Deshalb gebe es in der Türkei kaum noch Medien, die unabhängig und kritisch über den Präsidenten und seine Regierungspartei AKP berichten könnten.

Fehler bei Gastarbeitern gemacht

Güngör warnt im Gespräch mit den Studierenden auch davor, Erdogan-Anhänger in Köln undifferenziert auszugrenzen. Bei der Integration von Gastarbeitern seien Fehler gemacht worden. „Man hat sich nicht um sie gekümmert“, erklärt Güngör. Selbst SPD und Grüne seien lange zurückhaltend gewesen: „Die jungen Leute von heute haben gesehen, wie ihre Väter gelitten haben“, erläutert der Journalist. Dass bei der jüngsten Präsidentenwahl viele Kölnerinnen und Kölner türkischer Herkunft Erdogan gewählt hätten, sei „auch ein bisschen die Racheaktion an der deutschen Gesellschaft“.

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Die Kölner Landtagsabgeordnete Berivan Aymaz (Grüne) plädiert im Film der Studierenden ebenfalls dafür, sich mit den Erdogan-Anhängern hierzulande intensiver zu beschäftigen. Diese seien zu lange als Objekte wahrgenommen worden: „Wir müssen sie als Subjekte wahrnehmen, die sich bewusst für eine politische Position entschieden haben.“ Gleichzeitig wirbt Aymaz für den Schutz von Grundrechten in der Türkei, gerade nach dem möglichen Ende Ausnahmezustandes: „In einer Gesellschaft, wo die Pressefreiheit nicht mehr existiert, sind auch sehr schnell viele andere Freiheiten ernsthaft bedroht.“

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