ProjektVom Leben mit einer Psychose

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Vom Leben in der Psychiatrie erfahren die Schüler aus erster Hand.

Vom Leben in der Psychiatrie erfahren die Schüler aus erster Hand.

Ehrenfeld/Deutz – Matthias sitzt auf einem Schulstuhl, die Blicke der Schülerinnen und Schüler sind auf ihn gerichtet. Immer wieder schaut der Mittvierziger an die Decke, beginnt den Satz von vorne. "Ich stand auf dem Geländer meines Balkons im zwölften Stock", sagt er. "Ich berührte den Balkon der Etage über mir." Er macht eine Pause, holt Luft. "Denke ich heute daran zurück, dann macht mir das nur noch Angst. Damals war es das, was ich machen musste."

Matthias, der nicht mit vollem Namen genannt werden möchte, litt über Jahre an einer Psychose, die er nun überwunden hat. Nun berichtet er für das Projekt "Schule trifft Psychiatrie" über seine Erlebnisse, seine Geschichte in der Psychiatrie.

Die Initiative des Sozialpsychiatrischen Zentrums Ehrenfeld hat sich auf den Umgang mit Schulklassen spezialisiert: "Wir wollen bei den Schülern Vorurteile gegenüber Menschen mit psychischen Erkrankungen abbauen und zeigen, welches Leben sie führen", sagt Godehard Kruse, Mitbegründer der Kampagne. "Schule trifft Psychiatrie" feierte Ende November zehnjähriges Bestehen. Neben dem betroffenen Matthias sitzen im Stuhlkreis auch Susanne Heim und Christian Nehlen. Heim ist Angehörige, ihr Sohn leidet bis heute an eine Psychose. Nehlen ist Arzt, er arbeitet für den sozialpsychiatrischen Dienst Ehrenfeld. Das ist das Konzept der Intiative: Ein Trio mit einem betroffenen Menschen, einem Angehörigen und einem Profi trifft auf die Schüler. Rund 15 Mal pro Jahr besucht die Initiative Schulklassen, das Trio wechselt stetig. Knapp zwei Stunden dauert das Gespräch. Die Neuntklässler des Deutzer Gymnasiums Schaurtestraße hören gebannt zu. Matthias erzählt von seinem Weltbild. Zur Zeiten der Psychose glaubte er an eine größere Wahrheit, an Übernatürliches. Er berichtet, wie die Psychose ihn einschränkte, wie er sich gleichzeitig erhaben gegenüber seinen unwissenden Mitmenschen fühlte, vom Alltag in der Psychiatrie.

Immer wieder stellt Profi Nehlen Rückfragen. Dann melden sich auch die Schüler: Sie wollen wissen, wie sich das Verhältnis zu Freunden und Familie geändert hat, was sie tun können, wenn sie denken, dass jemand aus ihrem Umfeld Probleme hat.

"Das wir mit den Schülern ins Gespräch kommen, ist uns sehr wichtig", sagt Projektleiter Kruse. "Es soll kein Unterricht sein, sondern wir wollen den Schülern hautnah zeigen, wie Menschen mit psychischen Krankheiten umgehen." Bei den Deutzer Schülern kommt die Kampagne sehr gut an: Sie bewundern den Mut des Trios, ihre Geschichten zu erzählen. Und so werden für sie aus Unbekannten bald Menschen mit einer Geschichte.

Die Kampagne

Die Kampagne "Schule trifft Psychiatrie" wird über das Sozialpsychiatrische Zentrum Ehrenfeld organisiert. Interessierte Schulvertreter können sich beim Leiter der Initiative, Godehard Kruse, via E-Mail anmelden. Die Begegnungen zwischen den Schülern und dem Trio der Initiative sind kostenlos, die Initiative arbeitet ehrenamtlich. (mab)

godehard.kruse@koelnerverein.de

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